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Länderberichte

Organisation für Afrikanische Einheit Erster EU-Afrika-Gipfel in Kairo

von Dr. Reiner Biegel †
Befürworter und Kritiker des ersten EU-Afrika-Gipfels, der vom 3. bis 4. April in Kairo stattfand, sind sich über Sinn und Zweck, Erfolg und Mißerfolg der Mammutkonferenz höchst uneinig: während die Optimisten sich schon darüber freuten, daß der Gipfel zwischen der Europäischen Union und dem südlichen Nachbarkontinent überhaupt zustande kam, bemängelten die Pessimisten, die Veranstaltung in Kairo habe wenig Konkretes gebracht. Regierungschefs und Staatsoberhäupter der 15 EU-Mitgliedsstaaten und von 52 afrikanischen Staaten unterzeichneten zum Abschluß des Gipfels eine Erklärung, in der die Eckpunkte einer künftigen Zusammenarbeit festgelegt sind. Die EU-Außenminister und ihre afrikanischen Amtskollegen hatten sich schon vor dem eigentlichen Gipfel getroffen.

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Streit um Tagesordnung im Vorfeld

Schon im Vorfeld hatte es zwischen den Europäern und den Afrikanern Unstimmigkeiten über die Organisation des Gipfels und die Zusammensetzung der Konferenzteilnehmer gegeben. Die Initiative ging von Portugal aus, das im ersten Halbjahr 2000 die EU-Präsidentschaft innehat. er Streit entzündete sich an Marokko und der Westsahara, die von Marokko besetzt ist. Marokko ist als einziger Staat nicht Mitglied der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU), da durch die Aufnahme der westsaharischen Befreiungsorganisation Polisario in die OAU Marokko aus Protest die OAU verließ. Schließlich einigte man sich darauf, daß die Polisario einerseits auf eine Teilnahme an dem Gipfel verzichtete, andererseits Marokko eingeladen werden konnte, da der Gipfel nicht direkt von der EU und der OAU ausgerichtet wurde, sondern nur unter deren Schirmherrschaft statt fand.

Inhaltlich nahm die Forderung der Schuldenstreichung für die afrikanischen Staaten oberste Priorität ein, während die Europäer vor allem über so heikle Themen wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie Menschenrechte sprechen wollten.

Engere Zusammenarbeit zwischen EU und Afrika

Die wichtigste Errungenschaft des Gipfels von Kairo war, daß alle Themenkreise einmal auf den Tisch kamen und in dem verabschiedeten Aktionsplan schriftlich festgehalten wurden. Nach Asien und Lateinamerika ist Afrika der letzte Kontinent, mit dem die Europäische Union nun eine "strategische Partnerschaft" eingehen will. Die Afrikaner hegten nicht zu Unrecht die Befürchtung, der Gipfel von Kairo könne ein einmaliges Ereignis bleiben. Die EU-Vertreter waren denn auch nicht bereit, den EU-Afrika-Gipfel langfristig zu institutionalisieren. Man verabredete, sich in drei Jahren wieder in Athen zu treffen, aber zu einer weiter gehenden Terminplanung waren die Europäer, wie im Falle Asiens und Lateinamerikas bereits geschehen, nicht bereit. Zwischen diesen beiden Gipfeltreffen sollen sich die Außenminister einmal und mehrere Fachkommissionen alle sechs Monate treffen.

Der Aktionsplan sieht folgende Felder vor, bei denen in den nächsten Jahren eine stärkere Zusammenarbeit geplant ist:

Wirtschaftliche Zusammenarbeit

Regionale Wirtschaftskooperation und -integration

Der Prozeß regionaler Zusammenarbeit und Integration in Afrika soll gefördert werden. Dazu sollen entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden, um einen konstruktiven Dialog über politische, wirtschaftliche, soziale und entwicklungspolitische Themen zu führen. Hierzu zählen insbesondere die Förderung regionaler Integrationsprogramme, der Abbau von Handelshemmnissen und die Schaffung eines einheitlichen Wirtschaftsraumes. Institutionen wie die Afrikanische Wirtschaftsgemeinschaft sollen eine besondere Förderung erfahren.

Integration Afrikas in die Weltwirtschaft

Um die afrikanischen Staaten schneller in die Weltwirtschaft zu integrieren, verpflichtet sich die EU den ärmsten Staaten Afrikas bis 2005 den zollfreien Zugang für ihre Waren auf dem europäischen Markt zu ermöglichen. Die EU will aktiver als früher Verhandlungen über Handel, auch im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO, mit den afrikanischen Staaten führen, um sie in wirtschaftliche Partnerschaftsabkommen mit der EU einzubinden.

Privatwirtschaftliche Investitionen sind für die Europäer die Zauberformel, die mittel- und langfristig bei der Beseitigung wirtschaftlicher Probleme helfen soll. Hierzu zählen auch Joint Ventures zwischen Staaten und der Privatwirtschaft. In den Sektoren Infrastruktur, Industrie, Forschung und Technologie soll verstärkt zusammen gearbeitet werden.

Heikles Thema Schulden

Die afrikanischen Staaten sitzen auf einem Schuldenberg von rund 700 Milliarden Mark. Selbst die Ankündigung des deutschen Kanzlers Schröder, den ärmsten Ländern Afrikas Schulden in Höhe von rund 700 Millionen Mark komplett zu erlassen, statt wie bisher vorgesehen nur zu 90 Prozent, wurde zwar grundsätzlich von den betroffenen Staaten begrüßt, aber gleichzeitig als nicht ausreichend angesehen. Sie fordern eine massive Entschuldung, was die Europäer im Hinblick auf noch ausstehende Konsultationen mit den USA und Japan abgelehnt haben. In seiner Eröffnungsansprache ging der ägyptische Präsident Mubarak direkt auf die Schuldenfrage ein. Er erklärte einen deutlichen Erlaß der Schulden für die Länder Afrikas als eine wichtige Voraussetzung, damit diese ihre Entwicklungsanstrengungen voran treiben könnten. Der deutschen Initiative zum bilateralen Schuldenerlaß schloß sich auch Frankreich an und möglicherweise werden noch weitere EU-Mitgliedsstaaten wie die Niederlande und Italien dem deutschen Beispiel folgen. In dem verabschiedeten Aktionsplan ist festgehalten, daß auf einer bald einzuberufenden Ministerkonferenz die Schuldenfrage im Mittelpunkt der Beratungen stehen soll. Bundeskanzler Schröder räumte am Rande der Konferenz ein, daß die Europäer sich bis jetzt an diesem Thema vorbei gedrückt hätten.

Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte

Galt die Forderung der Afrikaner nach vollständigem Schuldenerlaß den Europäern als nicht erfüllbar, so waren deren Forderungen nach mehr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einigen afrikanischen Staatsoberhäuptern ein Dorn im Auge. Während die EU Wirtschaftshilfen an konkrete Fortschritte bei der Durchsetzung von Menschenrechten und Demokratie koppeln möchte, lehnen viele afrikanische Staaten dies als unzulässige Einmischung ab. Als einer ihrer Sprecher tat sich insbesondere Libyens Revolutionsführer Muammar el-Gaddafi hervor, der in einer Rede während einer Plenarsitzung den Europäern vorwarf, immer noch "kapitalistische Lakeien der Amerikaner und Gefangene der NATO" zu sein. Im übrigen bräuchten die Afrikaner nicht die Belehrungen der Europäer bezüglich Demokratie und Menschenrechte. Gaddaf kritisierte Europa, das den Afrikanern immer noch seine Kultur aufzwingen wolle. Peinlich war diese Rede nicht nur für einige europäische Staatschefsund Romano Prodi, den Präsidenten der EU-Kommission, die das persönliche Gespräch mit Libyens starkem Mann gesucht hatten. So traf Gaddafi mit Frankreichs Staatspräsident Chirac, den Ministerpräsidenten Spaniens und Irlands, Aznar und Ahern sowie zu einem "Höflichkeitsgespräch" mit Bundeskanzler Schröder zusammen. Libyen sei laut Schröder als wichtigster Öllieferant außerhalb Europas für Deutschland wirtschaftspolitisch ein "nicht uninteressanter Gesprächspartner".

Eine Karikatur in der ägyptischen Oppositionszeitung "Al-Wafd" brachte die Problematik auf den Punkt: nach der Beendigung des Gipfels sind einige Männer eifrig bemüht, das Tagungsgelände mit mechanischen und chemischen Mitteln zu reinigen. Ein Vertreter der ägyptischen Regierungspartei NDP fordert die Arbeiter zu verstärktem Einsatz auf: "Beeilt euch, damit die Seuche nicht um sich greift"!! Die Art der "Seuche" ist der Zeitung zu entnehmen, die der Parteifunktionär in der Hand hält: "Beschlüsse des Gipfels: Plan zur Umsetzung von Demokratie, Menschenrechten; Souveränität des Gesetzes...".

Frieden schaffende Maßnahmen, Konflikvorbeugung und -lösung

Bei den Themen Bürgerkriege, Landminen, Flüchtlinge, zwischenstaatliche Konflikte und Waffenkäufe stand eher wieder der Krisenkontinent Afrika im Vordergrund. Verstärkt werde die Armut in vielen afrikanischen Ländern nicht allein durch Naturkatastrophen, wie sie gerade die Staaten Mosambik, Eritrea und Äthiopien erleben, sondern vor allem durch Bürgerkriege und zwischenstaatliche Auseinandersetzungen, so der Tenor europäischer Teilnehmer. Deshalb müsse ein Frühwarnsystem installiert werden, das frühzeitig entstehende Konflikte vermeiden bzw. schon im Anfangsstadium lösen helfe. Die OAU hat immerhin erklärt, sie werde zukünftig durch Putsche an die Macht gekommene Staatsoberhäupter nicht mehr anerkennen. Die jetzt bestehenden Grenzen sollen nicht mehr angezweifelt, sondern als bindend angesehen werden. Als einziger Staat Afrikas wurde Somalia nicht zu der Gipfelkonferenz eingeladen, da es dort im Augenblick keine weltweit anerkannte Regierung gibt.

Entwicklungspolitische Maßnahmen

Der Aktionsplan sieht abschließend vor, sich den Herausforderungen einer nachhaltigen Entwicklung in Afrika und der Bekämpfung der Armut zu stellen. Dazu sollen Schlüsselsektoren wie Erziehung, Gesundheit; Drogenmißbrauch und -handel, Umwelt sowie Nahrungssicherung besondere Aufmerksamkeit erhalten.

Über die Rückgabe geraubter oder illegal exportierter afrikanischer Kulturgüter soll in einer "angemessenen Zeit" auf interministerieller Ebene entschieden werden.

Die EU-Afrika-Gipfelkonferenz in Kairo sollte trotz aller vage gehaltenen Absichtserklärungen als Chance für beide Seiten begriffen werden. Afrika müsse seine Probleme selber lösen, meinten die Europäer. Das ist richtig, aber die Europäische Union darf ihrerseits Afrika nicht permanent als Krisenkontinent ansehen, dem gönnerhaft unter die Arme gegriffen werden muß. Der demokratische Wechsel im Senegal ist dabei ein Hoffnungszeichen. Erging die Einladung zum Gipfel vor den Wahlen noch an den langjährigen Präsidenten Diouf, so reiste schließlich der neu gewählte Präsident Wade.

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Kontakt

Dr. Peter R. Weilemann †

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