Länderberichte
Verbesserte Beziehungen
Auch wenn es den Anschein haben mag, aber die Freundschaft zwischen Ankara und Belgrad war mitnichten stets so innig, wie dies in diesen Tagen zelebriert wird. Als Staatspräsident Erdoğan im Jahr 2013 das Kosovo besuchte, ließ er sich zu der Äußerung hinreißen, dass „das Kosovo die Türkei ist, wie auch die Türkei Kosovo.“ Eine Aussage, die naturgemäß zu ernsthaften Verstimmungen in Serbien führten. Die daraus resultierenden diplomatischen Spannungen wurden jedoch von Ahmet Davutoğlu, dem damaligen türkischen Außenminister, sofort abgemildert. Man wünsche sich gute Beziehungen zu Serbien, schließlich sei man dem Balkan sehr verbunden. Dies steht im Einklang mit den Leitlinien aus „Stratejik Derinlik“ (Strategische Tiefe), deren Autor ebenfalls Davutoğlu ist, sowie dem daraus entspringenden Prinzip des „Null Probleme“, das sich auf Spannungsfreiheit mit allen Ländern im näheren Umkreis der Türkei bezieht.
Serbien spielt hierbei eine Schlüsselrolle. Nicht nur ist es ein sogenanntes Transitland, durch das wichtige europäische Verkehrswege führen. Dies ist für die Türkei von besonderem Interesse, da sie sich als Land versteht, das durch seine geographische Lage Einfluss auf die Politik in Europa nehmen zu können in den Aspekten Energieversorgung, Handel, sowie, seit 2014, auch in der Kontrolle der Migrationszüge.
Neue Verträge
Zu den bereits bestehenden bilateralen Verträgen kam eine Vielzahl weiterer Vereinbarungen in politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Belangen.
Besonders hervorzuheben sind hierbei die Vereinbarung zu einem militärischen Rahmenvertrag, Zusammenarbeit der Polizei, wissenschaftlich-technologischem Austausch sowie der Kooperationsvertrag zwischen den beiden Entwicklungsagenturen zur Stärkung der mittelständischen Betriebe.
Beginn einer tiefen Verflechtung?
Besonders die Eröffnung des „Serbisch-Türkischen Business Forums“ wird für die Investoren aus Kleinasien interessant gewesen sein. Dort ging es vor allem um den Ausbau der Verkehrsinfrasturktur in der Region, insbesondere dem Bau der Autobahn Belgrad – Sarajevo, zu dessen Grundsteinlegung in Sremska Rača sich Präsident Erdogan persönlich einfand.
Doch nicht nur um Straßen ging es: die türkische, wie auch die serbische Wirtschaft profitieren immer mehr von der sich intensivierenden Kooperation der beiden Länder. So beziehen beispielsweise türkische Autobauer eine Vielzahl ihrer Teile aus Kragujevac, die serbische Metallindustrie sowie die holzverarbeitenden Betriebe führen verstärkt Waren aus, auch Rindfleisch wird aus Serbien in Richtung Bosporus exportiert – im Gegenzug werden Textilwaren und Elektrogeräte importiert. Doch eines der wichtigsten Einfuhrgüter wird wohl das sich erhöhende Volumen an ausländischen Direktinvestitionen aus Ankara sein.
Das Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern überstieg im letzten Jahr die Eine-Milliarde Linie und wird, aller Voraussicht nach, auch weiterhin ansteigen. Die Ankündigung des US Präsidenten, die türkische Wirtschaft zu „zerstören“, wird wohl Ankara dazu bewegen, mit jedem Land in wirtschaftliche Beziehungen zu treten, welches bereit dazu ist. Unter dem Vorbehalt natürlich, die geopolitischen Schachzüge der Türkei mindestens unkommentiert zu belassen.
Das Bild des ehrlichen Maklers
Neben dem wirtschaftlichen Interesse in der Region, war auch die Einflussnahme auf die politischen Beziehungen ausgewählter Länder auf dem Westbalkan ein Anliegen Erdogans. So wurden im Zuge des zweitägigen Besuchs, die drei Staatsoberhäupter Bosnien-Herzegowinas, der Bosniake Džaferović, der bosnische Kroate Komšić und der bosnische Serbe Dodik nach Belgrad geladen, um mit Vučić und Erdogan über die weitere Entwicklung zu sprechen.
Erdoğan betonte, dass die Formierung eines Ministerrates in Sarajevo absolute Priorität hätte, um das Land zu stabilisieren. Bisher wurde dies dadurch blockiert, dass Uneinigkeit über eine Annäherung an die NATO bestand. Das türkische Staatsoberhaupt rief den bosniakischen sowie den bosnisch-kroatischen Vertreter dazu auf, zugunsten der Konsolidierung und politischen Stabilisierung zunächst auf die Annäherung an das Militärbündnis abzusehen, wie dies von der bosnisch-serbischen Seite gefordert werde. Dies wurde jedoch von beiden zurückgewiesen.
Damit kann wohl der Versuch, als Vermittler im Falle Bosnien-Herzegowinas auftreten zu können, für Erdoğan als gescheitert angesehen werden. Zu komplex ist die Lage, als dies durch plakativ-repräsentative Jet-Diplomatie im Eilverfahren gelöst werden könnte. Neu ist allerdings, dass auch das bosniakische Präsidiumsmitglied den Vorstoß Erdoğans so klar ablehnte. Diese galten im politischen Netzwerk der Türkei stets als treue, ja sogar hörige Partner wenn es um den Kurs Ankaras ging, vertraute man doch auf diese als historische „Schutzmacht“.
Ausblick
Es ist zu erwarten, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Serbien und der Türkei sich auch in Zukunft weiter intensivieren wird. Die Regierung Erdogan sieht in Serbien deutlich mehr Investitions- und Handelspotenzial als dies in den anderen Staaten der Region der Fall ist. Ebenso entscheidend ist hierfür auch die geopolitische Lage Serbiens als zentraler Verkehrsknotenpunkt Südosteuropas. In Serbien steht man jedem Investitionskapital mit größtmöglicher Offenheit und auch politischer Flexibilität gegenüber, nichts braucht die lokale Wirtschaft so sehr wie Arbeitsplätze. Dass dies natürlich auch mit einem Preis verbunden ist, stellt für Belgrad kein größeres Problem dar. Während des versuchten Putsches in der Türkei im Jahre 2016, versicherte Präsident Vucic seinem Amtskollegen aus Ankara seine unbedingte Unterstützung. Der Forderung nach einer Ausweisung aller sich im Land befindlicher Unterstützer der sogenannten Fetullah Gülen Bewegung, kam Belgrad unaufgefordert nach. „Man werde keine Feinde der Türkei im Lande dulden“, so damals das serbische Staatsoberhaupt.