Länderberichte
Zehn Jahre nach Beginn der Demokratisierung Benins, das nach wie vor als Modell für einen bisher gelungenen Demokratisierungsprozess in Afrika steht, macht sich bei einigen Politikern die Sorge breit, ob angesichts der vielen Parteien, die politische und damit demokratische Stabilität des sechs Millionen Einwohner zählenden Landes nicht gefährdet sein könnte.
Warum gibt es so viele Parteien in Benin? Dies ist einerseits auf die Vergangenheit Benins zurückzuführen und andererseits auf den in der demokratischen Verfassung von 1990 verankerten Grundsatz der Zulassung eines Mehrparteiensystems. Bis 1990 berief sich Benin auf den Marxismus-Leninismus und wurde durch die Einheitspartei "Parti de la révolution populaire du Bénin" (PRPB) unter der Führung des ehemaligen und 2001 zum zweiten Mal wiedergewählten Staatschefs Mathieu Kérékou regiert.
Neben der PRPB durften sich keine anderen Parteien bilden. Nach der Nationalkonferenz von 1990, die den Weg Benins zur Demokratie öffnete, nahmen Parteigründungen immer mehr zu, was zum einen als Ausdruck für mehr Meinungsfreiheit und Pluralismus gewertet werden kann, zum anderen aber auch für das nach wie vor sehr stark ausgeprägte regionale Bewusstsein der Bevölkerung spricht, die ihre lokalen politischen Führer in politische Positionen hieven wollen.
Gleichwohl nutzen Politiker diese Motivation der Bevölkerung weidlich aus, um sich politisch zu profilieren. Insbesondere vor Wahlen steigt die Anzahl der Parteiengründungen in der Hoffnung, dass ihre Führer ein Mandat in Regierung oder Parlament erhalten. Um den Wähler zur Stimmabgabe für die eigene Partei zu bewegen, werden Geschenke in Form von Nahrungsmitteln oder Geldscheinen verteilt.
Ein politisches Programm ist nebensächlich oder nicht vorhanden. Der sog. Stimmenkauf während einer Wahlperiode ist immer noch gängiges Mittel, um sich eine Anhängerschaft zu sichern. Deshalb ist es kein Wunder, dass Parteiführer über üppige finanzielle Quellen verfügen müssen.
Das Phänomen vielfacher Parteigründungen beschränkt sich aber nicht nur auf Benin. Auch im Niger sind solche Tendenzen zu verzeichnen. Mittlerweile gibt es auch dort 36 politische Parteien, obwohl der Redemokratisierungsprozess erst vor zwei Jahren mit der Wahl Mamadou Tandjas zum Staatspräsidenten begonnen hat.
Bei so vielen in Benin existierenden Parteien stellt sich die Frage, ob die meisten von ihnen überhaupt die Bezeichnung Partei verdienen. Davon kann nicht die Rede sein: Nach Artikel zwei des beninischen Parteiengesetzes sind politische Parteien Organisationen, die u.a. den beninischen Bürger für ein gesellschaftliches Projekt und ein daraus resultierendes Programm gewinnen können und dies mit demokratischen Mitteln durchsetzen können.
Nur etwa zehn von den über hundertzehn Parteien können annähernd die Bedingungen des Parteiengesetzes erfüllen - insbesondere diejenigen, die zumindest im Parlament vertreten sind und über einen gewissen politischen Einfluss verfügen. Die anderen sind eher als lose, völlig unorganisierte Wählergruppen zu bezeichnen.
Doch selbst die Grupierungen, die der Definition einer Partei nahe kommen, haben keine ideologisch gefestigte Anhängerschaft und nur selten ein ausgereiftes Parteiprogramm. Aber sie haben zumindest die Kraft, sich zu organisieren, ihre Mitglieder zu mobilisieren und eine mehr oder weniger solide finanzielle Ausstattung.
Es handelt sich bei diesen Parteien um "Parti du renouveau démocratique" (PRD) unter der Führung von Adrien Hougbédji, dem amtierenden beninischen Parlamentspräsidenten und Vizepräsidenten des Parlaments der CEDEAO, die "Renaissance du Bénin" (RB) von Nicéphore Soglo, dem ehemaligen Staatspräsidenten Benins und Verlierer im ersten Wahlgang der beninischen Präsidentschaftswahlen im März 2001 gegen Mathieu Kérékou (im zweiten Wahlgang ist er nicht mehr angetreten), der "Mouvement africain pour la démocratie et le progrès" (MADEP) des reichen Geschäftsmannes Séfou Fagbohoun, "Notre cause commune" (NCC) unter François Tankpinou, ebenfalls ein einflussreicher Geschäftsmann, der "Parti National Ensemble" (PNE) unter Führung des amtierenden Justizministers Joseph Gnonlonfoun, der "Parti social-démocrate" (PSD) unter Bruno Amoussou, Minister für Planung in der Regierung Kérékous, der "Fard Alafia" unter Sacca Kinna und der "Car-Dunya" unter Albert Sina Toko.
Was tun, angesichts der Parteienschwemme, die ebenfalls zu einer Überpolitisierung der Gesellschaft mit der Folge führt, dass viele Beniner meinen, in der Politik und nicht so sehr in der wirtschaftlichen Betätigung sei Wohlstand und gesellschaftliche Anerkennung zu finden. Die Lösung soll das von dem parlamentarischen Gesetzgebungsausschuss überarbeitete beninische Parteiengesetz bringen.
Das Gesetz wurde unter Beteiligung von Vertretern aller im Parlament vertretenen politischen Parteien ausgearbeitet. Mit einschneidenden Regelungen will man das beninische Parteienchaos in den Griff bekommen.
Demnach müssen alle Parteien in der Lage sein, ein Parteiprogramm und dessen Ziele vorzuweisen. Des weiteren können Parteien, die nicht zweimal hintereinander an Parlamentswahlen teilgenommen haben, durch das Innenministerium verboten werden, wenn diese Partei nicht bereits einmal 10% der Stimmen oder mindestens ein Abgeordnetenmandat errungen hat.
Hinsichtlich der Gründungsvoraussetzungen müssen Parteien für jedes Département 50 statt bisher drei Gründungsmitglieder haben. Weiterhin sind Parteien verpflichtet, ihre ordnungsgemäße Eintragung beim Innenministerium sowie die Zahlung ihrer Eintragungsgebühren nachzuweisen. Parteien müssen außerdem Rechenschaft über ihre Buchhaltung ablegen können.
Ebenso dürfen sie keine paramilitärischen oder milizenähnliche Organisationen gründen und sich mit Parteibezeichnungen anderer, bereits existierender Parteien schmücken. Besonders erwähnenswert ist der Gesetzespassus, dass Parteien ihre Wahlkampfkosten vom Staat zurückfordern können, wenn sie mindestens 10% der Stimmen bei Parlamentswahlen erringen.
Nach der ersten Lesung wurde das Gesetz im Parlament diskutiert. Einige Abgeordnete bezweifelten, dass die Erhöhung der Anzahl der Gründungsmitglieder zu ehrenhaften Parteigründungen führt. Mittels Bestechungsgeldern könne man die Anzahl der Mitglieder ohne weiteres auf 50 erhöhen. Es seien deshalb für die Auswahl der Gründungsmitglieder besondere charakterliche Kriterien heranzuziehen, die im Gesetz Eingang finden sollten.
Andere Abgeordnete äußerten ihr Unverständnis darüber, dass eine Partei sich unbedingt Wahlen stellen soll, da ihre wesentliche Aufgabe doch nur sei, den Willensbildungsprozess zu beeinflussen. Offensichtlich ist selbst manchem Abgeordneten noch unklar, dass eine Partei neben dem Ziel der Willensbildung auch das Ziel hat, den Willen ihrer Wählerschaft über Wahlen politisch durchzusetzen.
Ein Abgeordneter merkte an, dass das Gesetz auch Sanktionen für den Fall vorsehen sollte, in dem ein Abgeordneter einfach die Partei wechselt, weil ihm dafür möglicherweise Geld von der anderen Partei angeboten wurde. Dies könnte zu nicht vom Wählerwillen getragenen Sitzveränderungen und Abstimmungsergebnissen im Parlament führen. Das Gesetz wurde nach der Beratung in den Ausschuss zurückverwiesen und steht zur erneuten Debatte in der nächsten Parlamentssitzung an.
Es wäre sicherlich ein Fortschritt, wenn das Gesetz verabschiedet würde. Nur reichen wie allseits bekannt ist, gerade in Afrika, Gesetze alleine nicht aus. Die Parteien in Benin sind gefordert, an ihrem Selbstverständnis zu arbeiten.
Was ihnen fehlt, ist ihre eigentliche Daseinsberechtigung, mit denen sich die Wähler identifizieren können. Dabei sollten es Programme sein, die den afrikanischen Gegebenheiten entsprechen, die also das kulturelle, geschichtliche und religiöse Erbe Afrikas berücksichtigen. Afrika hat diesbezüglich eine Menge zu bieten. Dies muss sich in parteipolitischen Programmen widerspiegeln.
Viele Programme von politischen Parteien in Benin oder in anderen Ländern Afrikas sind einfach abgeschriebene oder kopierte Programme europäischer Parteien. Welcher afrikanische Durchschnittswähler kann damit etwas anfangen, wenn - wie beispielsweise im Parteiprogramm des sozialdemokratischen Präsidentschaftskandidaten Bruno Amoussou zu den Präsidentschaftswahlen vom März diesen Jahres - davon gesprochen wird, dass in den nächsten fünf Jahren in jeder beninischen Kommune Gesundheitszentren nach internationalen Maßstäben gebaut werden sollen - angesichts der gegenwärtigen Realität ein unglaubwürdiges Versprechen für die Zukunft.