Reuters
Knappes Ergebnis
Am 15. Juli 2020 fanden in der Republik Nordmazedonien Parlamentswahlen statt – zum neunten Mal seit das Land 1991 die Unabhängigkeit erlangte. Es handelt sich um die fünften vorgezogenen Parlamentswahlen. Ursprünglich sollten die Wahlen am 12. April 2020 stattfinden, wurden jedoch wegen des Infektionsgeschehens im Zuge der Corona-Pandemie verschoben. Fünfzehn Parteien und Bündnisse stellten sich zur Wahl in das Mazedonische Parlament (Sobranie). Die nationalkonservative VMRO-DPMNE führte das Wahlbündnis „Erneuerung Mazedoniens“ an. Zum Wahlbündnis der sozialdemokratischen SDSM „Wir können“ gehörte auch die Partei „Bewegung BESA“, womit zum ersten Mal Parteien der mazedonischen und der albanischen Bevölkerungsgruppe gemeinsam in einem Wahlbündnis um die Wählerstimmen kämpften.
Die Wahlbeteiligung lag mit 51 Prozent auf einem Rekord-Tiefstand. Die Zurückhaltung der Bevölkerung ist sicherlich auf die Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus zurückzuführen, aber auch auf die grundsätzliche Enttäuschung der Bürgerinnen und Bürger im Hinblick auf die politischen Parteien und ihre Negativkampagnen, die insbesondere den zweiten Teil des Wahlkampfs dominierten, sowie leider auch auf die Unfähigkeit der Parteien, sich auf realpolitische Lösungen für die Probleme der Bürger zu konzentrieren, anstatt sich in gegenseitigen Anschuldigungen zu ergehen.
Laut der noch immer vorläufigen Angaben, die auf der Webseite der Staatlichen Wahlkommission veröffentlicht wurden, erhielt das von der SDSM angeführte Wahlbündnis „Wir können“ 35,89% der Stimmen und kommt somit voraussichtlich auf 46 Mandate, die Koalition „Erneuerung Mazedoniens“ mit der VMRO-DPMNE an der Spitze erzielte 34,57 Prozent und erreicht somit 44 Mandate, die DUI kommt auf 11,48 Prozent bzw. 15 Mandate, das Bündnis aus „Allianz für die Albaner“ und „Alternativa“ 8,95 Prozent bzw. 12 Mandate, die Linke 4,1 Prozent bzw. 2 Mandate, und die DPA 1,53 Prozent der Stimmen bzw. ein Mandat.
Verluste bei den großen Parteien
Im Vergleich zu den Parlamentswahlen 2016 verliert die VMRO-DPMNE dieses Mal 5 Mandate. Dieser Verlust ist nicht nur auf die geringe Wahlbeteiligung zurückzuführen, sondern im wesentlichen auch darauf, dass viele Stimmen auf die kleinen rechtsgerichteten Parteien abfielen, aber auch auf die Linke, die zwei Mandate gewinnen konnte. Obwohl diese Partei eine explizit linke Ideologie verfolgt und entsprechende Werte vertritt, trat sie bei den Parlamentswahlen mit als rechts geltenden Positionen wie der Forderung, das Abkommen von Prespa über die Namensänderung aufzuheben und das Zweisprachengesetz anzufechten, an. Die Wahlergebnisse zeigen, dass die unentschiedenen Wähler in der VMRO-DPMNE weder ein neues Konzept noch eine Alternative zur bisher regierenden SDSM erkennen konnten.
Die SDSM konnte derweil trotz ihres Wahlbündnisses mit der BESA keine Mandatsgewinne verzeichnen, sondern verliert im Vergleich zu 2016 drei Parlamentssitze. Die Wähler haben somit ihrer Unzufriedenheit mit den drei Jahren SDSM-geführter Regierung unter Zoran Zaev Ausdruck verliehen. Während seiner Regierungszeit wurde das Land von schwerwiegenden Korruptionsskandalen erschüttert, allen voran der Fall „Reket“ („Erpressung“), in dem die ehemalige Leiterin der Sonderstaatsanwaltschaft, die als Symbol der Gerechtigkeit und des Kampfes gegen Korruption und Kriminalität galt, wegen Amtsmissbrauchs verurteilt wurde. Es gab Indizien dafür, dass hohe SDSM-Führungskräfte in den Fall verwickelt waren. Die ehemalige SDSM-Abgeordnete und Stellvertretende Parlamentspräsidentin Frosina Remenski wird in einem Fall beschuldigt, bei dem es um Betrug und Geldwäscherei geht. Nun stellt sich die Frage, ob die SDSM mit ihren Führungskräften, die bisher den Institutionen vorstanden und von denen einige in Affären verwickelt sind, im Bereich der Rechtsstaatlichkeit und der Bekämpfung von Korruption und parteipolitischer Ämterpatronage tatsächlich eine positive Veränderung herbeiführen kann.
DUI als Königsmacher
Zur Überraschung vieler Beobachter ist der eigentliche Wahlsieger jedoch die DUI. Mit ihrer Kampagne für den ersten Albaner als Premierminister Nordmazedoniens gelang der größten Partei der albanischen Bevölkerungsgruppe ein ausgezeichneter PR-Coup. Somit trug die DUI bei den albanischen Wählerinnen und Wählern einen weiteren Sieg davon, entgegen allen Spekulationen über die Unzufriedenheit mit ihrer langjährigen Vorherrschaft und den Erwartungen, die Partei könnte nach diesen Wahlen in die Opposition wechseln. Der sozialdemokratische Spitzenkandidat Zoran Zaev zeichnete in seinen Wahlkampfreden oft das Bild einer DUI in der Opposition, doch die Wahlergebnisse besagen nun das Gegenteil. Der Zuwachs von 10 auf 15 Mandate wird der DUI wohl kaum das Premierministeramt einbringen, aber ganz sicher eine sehr gute Ausgangslage bei den Verhandlungen zur Regierungsbildung.
Auch die Parteien „Allianz für die Albaner“ und „Alternativa“, die erstmals als Wahlbündnis angetreten waren, konnten mit dem Gewinn von 12 Mandaten einen großen Erfolg verzeichnen.
Ausblick
Die Parlamentswahlen verliefen ruhig, fair und demokratisch. Kleinere Unregelmäßigkeiten werden keinen nennenswerten Einfluss auf die Ergebnisse haben. Einen fahlen Nachgeschmack hinterlässt jedoch der Systemabsturz bei der Staatlichen Wahlkommission, wodurch eine transparente, zeitnahe und glaubwürdige Information der Öffentlichkeit über die Wahlbeteiligung und die Wahlergebnisse verunmöglicht wurde.
Laut der Verfassung wird Staatspräsident Stevo Pendarovski nach der Veröffentlichung der endgültigen Resultate dem Wahlsieger den Auftrag der Regierungsbildung erteilen, also dem Parteivorsitzenden der SDSM Zoran Zaev. Obwohl das Ergebnis sehr knapp ausgefallen ist und die VMRO-DPMNE angekündigt hat, sich in das Rennen um die regierungsbildende Mehrheit zu begeben, wird dieser Fall kaum eintreffen. Was wir in der nächsten Zeit jedoch möglicherweise erwarten können, ist eine grundlegende und detaillierte Analyse der Politik der VMRO-DPMNE, die Suche nach Versäumnissen, und Bemühungen der Partei, sich zu reformieren.
Mit großer Wahrscheinlichkeit wird die SDSM mit ihrem Wahlbündnis die Regierung bilden, zusammen mit der DUI und möglicherweise der DPA, womit eine Mehrheit von 62 der 120 Sitzen in der Sobranie erreicht wäre. Die kommende Regierung wird sich der großen Herausforderung stellen müssen, den kräftezehrenden Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie zu führen und dadurch verursachte Krise der Wirtschaft zu bekämpfen. Die EU-Beitrittsverhandlungen stehen ganz oben auf der Regierungsagenda. Es wird erwartet, dass die Verhandlungen noch dieses Jahr während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft aufgenommen werden. Mit dem Beginn des Beitrittsprozesses wird Nordmazedonien endlich auch tiefgreifende Reformen vieler Bereiche in Angriff nehmen müssen, darunter Rechtsstaatlichkeit, Korruptionsbekämpfung und öffentliche Verwaltung. Diese Reformen stellen die Grundvoraussetzung für eine Vollmitgliedschaft in der EU dar, und dieses Ziel will Zoran Zaev innerhalb von sechs Jahren erreichen, wie er es den Bürgerinnen und Bürgern während des Wahlkampfs versprochen hat. Diese erwarten von der neuen Regierung jedoch in erster Linie sachgemäße, gute und ehrliche Regierungsarbeit, die als solche in allen Gesellschaftsbereichen zu positiven Ergebnissen führen sollte.
Am 15. Juli 2020 fanden in der Republik Nordmazedonien Parlamentswahlen statt – zum neunten Mal seit das Land 1991 die Unabhängigkeit erlangte. Es handelt sich um die fünften vorgezogenen Parlamentswahlen. Ursprünglich sollten die Wahlen am 12. April 2020 stattfinden, wurden jedoch wegen des Infektionsgeschehens im Zuge der Corona-Pandemie verschoben. Fünfzehn Parteien und Bündnisse stellten sich zur Wahl in das Mazedonische Parlament (Sobranie). Die nationalkonservative VMRO-DPMNE führte das Wahlbündnis „Erneuerung Mazedoniens“ an. Zum Wahlbündnis der sozialdemokratischen SDSM „Wir können“ gehörte auch die Partei „Bewegung BESA“, womit zum ersten Mal Parteien der mazedonischen und der albanischen Bevölkerungsgruppe gemeinsam in einem Wahlbündnis um die Wählerstimmen kämpften.
Die Wahlbeteiligung lag mit 51 Prozent auf einem Rekord-Tiefstand. Die Zurückhaltung der Bevölkerung ist sicherlich auf die Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus zurückzuführen, aber auch auf die grundsätzliche Enttäuschung der Bürgerinnen und Bürger im Hinblick auf die politischen Parteien und ihre Negativkampagnen, die insbesondere den zweiten Teil des Wahlkampfs dominierten, sowie leider auch auf die Unfähigkeit der Parteien, sich auf realpolitische Lösungen für die Probleme der Bürger zu konzentrieren, anstatt sich in gegenseitigen Anschuldigungen zu ergehen.
Laut der noch immer vorläufigen Angaben, die auf der Webseite der Staatlichen Wahlkommission veröffentlicht wurden, erhielt das von der SDSM angeführte Wahlbündnis „Wir können“ 35,89% der Stimmen und kommt somit voraussichtlich auf 46 Mandate, die Koalition „Erneuerung Mazedoniens“ mit der VMRO-DPMNE an der Spitze erzielte 34,57 Prozent und erreicht somit 44 Mandate, die DUI kommt auf 11,48 Prozent bzw. 15 Mandate, das Bündnis aus „Allianz für die Albaner“ und „Alternativa“ 8,95 Prozent bzw. 12 Mandate, die Linke 4,1 Prozent bzw. 2 Mandate, und die DPA 1,53 Prozent der Stimmen bzw. ein Mandat.
Verluste bei den großen Parteien
Im Vergleich zu den Parlamentswahlen 2016 verliert die VMRO-DPMNE dieses Mal 5 Mandate. Dieser Verlust ist nicht nur auf die geringe Wahlbeteiligung zurückzuführen, sondern im wesentlichen auch darauf, dass viele Stimmen auf die kleinen rechtsgerichteten Parteien abfielen, aber auch auf die Linke, die zwei Mandate gewinnen konnte. Obwohl diese Partei eine explizit linke Ideologie verfolgt und entsprechende Werte vertritt, trat sie bei den Parlamentswahlen mit als rechts geltenden Positionen wie der Forderung, das Abkommen von Prespa über die Namensänderung aufzuheben und das Zweisprachengesetz anzufechten, an. Die Wahlergebnisse zeigen, dass die unentschiedenen Wähler in der VMRO-DPMNE weder ein neues Konzept noch eine Alternative zur bisher regierenden SDSM erkennen konnten.
Die SDSM konnte derweil trotz ihres Wahlbündnisses mit der BESA keine Mandatsgewinne verzeichnen, sondern verliert im Vergleich zu 2016 drei Parlamentssitze. Die Wähler haben somit ihrer Unzufriedenheit mit den drei Jahren SDSM-geführter Regierung unter Zoran Zaev Ausdruck verliehen. Während seiner Regierungszeit wurde das Land von schwerwiegenden Korruptionsskandalen erschüttert, allen voran der Fall „Reket“ („Erpressung“), in dem die ehemalige Leiterin der Sonderstaatsanwaltschaft, die als Symbol der Gerechtigkeit und des Kampfes gegen Korruption und Kriminalität galt, wegen Amtsmissbrauchs verurteilt wurde. Es gab Indizien dafür, dass hohe SDSM-Führungskräfte in den Fall verwickelt waren. Die ehemalige SDSM-Abgeordnete und Stellvertretende Parlamentspräsidentin Frosina Remenski wird in einem Fall beschuldigt, bei dem es um Betrug und Geldwäscherei geht. Nun stellt sich die Frage, ob die SDSM mit ihren Führungskräften, die bisher den Institutionen vorstanden und von denen einige in Affären verwickelt sind, im Bereich der Rechtsstaatlichkeit und der Bekämpfung von Korruption und parteipolitischer Ämterpatronage tatsächlich eine positive Veränderung herbeiführen kann.
DUI als Königsmacher
Zur Überraschung vieler Beobachter ist der eigentliche Wahlsieger jedoch die DUI. Mit ihrer Kampagne für den ersten Albaner als Premierminister Nordmazedoniens gelang der größten Partei der albanischen Bevölkerungsgruppe ein ausgezeichneter PR-Coup. Somit trug die DUI bei den albanischen Wählerinnen und Wählern einen weiteren Sieg davon, entgegen allen Spekulationen über die Unzufriedenheit mit ihrer langjährigen Vorherrschaft und den Erwartungen, die Partei könnte nach diesen Wahlen in die Opposition wechseln. Der sozialdemokratische Spitzenkandidat Zoran Zaev zeichnete in seinen Wahlkampfreden oft das Bild einer DUI in der Opposition, doch die Wahlergebnisse besagen nun das Gegenteil. Der Zuwachs von 10 auf 15 Mandate wird der DUI wohl kaum das Premierministeramt einbringen, aber ganz sicher eine sehr gute Ausgangslage bei den Verhandlungen zur Regierungsbildung.
Auch die Parteien „Allianz für die Albaner“ und „Alternativa“, die erstmals als Wahlbündnis angetreten waren, konnten mit dem Gewinn von 12 Mandaten einen großen Erfolg verzeichnen.
Ausblick
Die Parlamentswahlen verliefen ruhig, fair und demokratisch. Kleinere Unregelmäßigkeiten werden keinen nennenswerten Einfluss auf die Ergebnisse haben. Einen fahlen Nachgeschmack hinterlässt jedoch der Systemabsturz bei der Staatlichen Wahlkommission, wodurch eine transparente, zeitnahe und glaubwürdige Information der Öffentlichkeit über die Wahlbeteiligung und die Wahlergebnisse verunmöglicht wurde.
Laut der Verfassung wird Staatspräsident Stevo Pendarovski nach der Veröffentlichung der endgültigen Resultate dem Wahlsieger den Auftrag der Regierungsbildung erteilen, also dem Parteivorsitzenden der SDSM Zoran Zaev. Obwohl das Ergebnis sehr knapp ausgefallen ist und die VMRO-DPMNE angekündigt hat, sich in das Rennen um die regierungsbildende Mehrheit zu begeben, wird dieser Fall kaum eintreffen. Was wir in der nächsten Zeit jedoch möglicherweise erwarten können, ist eine grundlegende und detaillierte Analyse der Politik der VMRO-DPMNE, die Suche nach Versäumnissen, und Bemühungen der Partei, sich zu reformieren.
Mit großer Wahrscheinlichkeit wird die SDSM mit ihrem Wahlbündnis die Regierung bilden, zusammen mit der DUI und möglicherweise der DPA, womit eine Mehrheit von 62 der 120 Sitzen in der Sobranie erreicht wäre. Die kommende Regierung wird sich der großen Herausforderung stellen müssen, den kräftezehrenden Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie zu führen und dadurch verursachte Krise der Wirtschaft zu bekämpfen. Die EU-Beitrittsverhandlungen stehen ganz oben auf der Regierungsagenda. Es wird erwartet, dass die Verhandlungen noch dieses Jahr während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft aufgenommen werden. Mit dem Beginn des Beitrittsprozesses wird Nordmazedonien endlich auch tiefgreifende Reformen vieler Bereiche in Angriff nehmen müssen, darunter Rechtsstaatlichkeit, Korruptionsbekämpfung und öffentliche Verwaltung. Diese Reformen stellen die Grundvoraussetzung für eine Vollmitgliedschaft in der EU dar, und dieses Ziel will Zoran Zaev innerhalb von sechs Jahren erreichen, wie er es den Bürgerinnen und Bürgern während des Wahlkampfs versprochen hat. Diese erwarten von der neuen Regierung jedoch in erster Linie sachgemäße, gute und ehrliche Regierungsarbeit, die als solche in allen Gesellschaftsbereichen zu positiven Ergebnissen führen sollte.