Historische Bedeutung der monarchischen Staatsform für Kanada
Der Monarchismus als Form der Unterstützung dieser Staatsform war im 19. und frühen 20. Jahrhundert ein wichtiger Bestandteil der kulturellen Identität Kanadas. Die Loyalität gegenüber der Krone unterschied die kanadische Kultur von der der Vereinigten Staaten und wirkte als einigende Kraft für Kanadier unterschiedlicher Abstammung. 1845 legte die Provinz Kanada den 24. Mai als Feiertag zu Ehren des Geburtstags von Königin Victoria fest, der bis heute im ganzen Land begangen wird. Königliche Ereignisse wie Geburten, Eheschließungen, Reisen und Jubiläen wurden in Kanada mit öffentlichen Feierlichkeiten begangen, z.B. Königin Victorias Diamantenes Thronjubiläum 1897. Das öffentliche Bild des Monarchismus im modernen Kanada ist eng mit der Förderung der sichtbaren Symbole der konstitutionellen Monarchie verbunden, einschließlich königlicher Reisen, Porträts in öffentlichen Gebäuden, Heraldik auf offiziellen Dokumenten sowie Namensbestandteile von Ämtern und Behörden: bekanntes Beispiel ist die „Royal Canadian Mounted Police“, die weltberühmten „Mounties“. Unternehmen im öffentlichen Besitz werden oft als „Crown Corporations“ bezeichnet.
Im späten 20. Jahrhundert wurde Kanadas konstitutionelle Monarchie mit einer breiten Palette von Argumenten kritisiert. Dazu gehörten die Relevanz eines Monarchen, der im Vereinigten Königreich residierte, für ein zunehmend multikulturelles Kanada, die abnehmende Popularität der Monarchie im modernen Quebec (wo man seit den 1960er Jahren die Krone als Symbol der Unterdrückung der Frankophonie betrachtete), die Kosten für königliche Reisen und der persönliche Ruf verschiedener Mitglieder der königlichen Familie.
Ein aktuelles Stimmungsbild: die kalte Schulter für Charles und Camilla
Neue demoskopische Daten belegen, dass die Hälfte (52 Prozent) der Kanadier nicht wollen, dass ihr Land noch über Generationen hinweg eine konstitutionelle Monarchie bleibt. 88 Prozent sind sogar der Meinung, dass es sich lohnt, den aufwändigen verfassungsrechtlichen Prozess zu eröffnen, dessen es bedürfte, um die königlichen Wurzeln des Landes zu kappen.
Die Zuneigung Kanadas zu Elizabeth II., der dienstältesten britischen Monarchin in der Geschichte, ist gut dokumentiert. Während ihre Rolle als Kanadas Staatsoberhaupt auf König Charles überging, blieb die Sympathie der Kanadier für Elizabeth als Person bestehen. Jedoch sagen jetzt nur 28 Prozent der Kanadier, dass sie eine positive Meinung von ihrem neuen König haben; die Hälfte (48 Prozent) hat keine. Eine Mehrheit (60 Prozent) lehnt es sogar ab, Charles als König anzuerkennen, mit allem, was dies mit sich bringt. Wenn diese Anerkennung in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt wird - Schwören eines Eides auf ihn und Singen von "God Save the King" bei offiziellen Zeremonien, Abbilden seines Porträts auf der kanadischen Währung - ist die Ablehnung noch größer. Insgesamt glaubt eine Mehrheit der Kanadier (52 Prozent), dass Charles ein schlechterer Monarch sein wird als Elizabeth.
In Vereinigten Königreich gibt es eine Debatte darüber, wie Charles' Frau Camilla genannt werden soll. Letztes Jahr sagte Königin Elizabeth, es sei ihr "aufrichtiger Wunsch", dass Camilla als „Queen Consort“ bezeichnet wird. Der Palast will sie jedoch zur Krönung nur noch als Königin Camilla bezeichnen. In Kanada verlieren sowohl der Titel der Königin (21 Prozent) als auch der der Königsgemahlin (19 Prozent) gegenüber "sie sollte nicht als 'Königin' bezeichnet werden" (60 Prozent). Zwei Drittel der Befragten (66 Prozent) sind dagegen, dass Kanada Camilla als Königin ihres Landes anerkennt.
Das Thronfolgerpaar William und Kate wird von den Kanadiern wohlwollender betrachtet, aber die Zustimmung kommt von denjenigen, die glauben, dass Kanada eine konstitutionelle Monarchie bleiben sollte. Vier von fünf Befragten dieser Gruppe haben einen positiven Eindruck von Prinz William und Prinzessin Kate. Diejenigen, die sich ein Ende der Herrschaft der „Royals“ über Kanada wünschen, sind negativer eingestellt (William, 36 Prozent positiv; Kate, 41 Prozent).
Premierminister Trudeau gilt nicht als ausgesprochener Kritiker der Monarchie oder der britischen Royals. Als Sohn des früheren Regierungschefs, seines Vaters Pierre, hatte er schon früh in seinem Leben Gelegenheit, Königin Elizabeth II. persönlich zu erleben: glaubt man den Chronisten, so erstmals 1973 als Zweijähriger während eines Staatsbesuchs der Queen. Der demnächst 52jährige Justin empfand sichtbare Bewegung anlässlich ihres Todes im vergangenen September und ließ seinerzeit verlautbaren, die Königin sei einer seiner Lieblingsmenschen auf der Welt gewesen, und sie habe eine offensichtliche Liebe zu Kanada empfunden.
Die Verfassung und der lange, harte Weg zur Trennung
Wie sähe der verfassungsrechtlich vorgeschriebene Prozess aus, um Kanada von einer Monarchie in eine Republik zu transformieren? Auch wenn die Frage nicht ansteht, beeilen sich Rechtswissenschaftler und Politiker doch stets festzustellen, man müsse sehr gut überlegen, was dies für das Land bedeute und den Prozess nicht leichtfertig beginnen. In der Tat ist der Weg lang, schwierig und risikoreich; er ist im Teil V des „Constitution Act“, der Verfassung von 1982 beschrieben.
- In einem ersten Schritt müsste die Bundesregierung Verhandlungen mit den Provinzregierungen aufnehmen, um die vorgesehenen Verfassungsänderungen zu diskutieren. Rechtsexperten müssten parallel die erforderlichen rechtlichen Schritte definieren, die nötig wären, um Kanada aus seinem Status als britisches „Dominion“ herauszuführen.
- Als nächstes bedürfte es einer von beiden Parlamentskammern, Unterhaus und Senat, mit jeweils Zweidrittel-Mehrheit beschlossenen Resolution, in der diesen Schritten zugestimmt wird.
- Die vorgeschlagene Verfassungsänderung würde dann an die Provinzen und Territorien weitergeleitet, wo die Parlamente von mindestens sieben von 13 dieser Körperschaften in Provinzen, die mindestens 50 Prozent der kanadischen Bevölkerung repräsentieren, zustimmen müssten.
- Nach der Ratifizierung auf Provinzebene müsste schlussendlich die Bundesregierung zustimmen, wozu es der Zeichnung der Verfassungsänderung durch den Generalgouverneur bedürfte. Dann wäre Kanada offiziell eine Republik.
Selbst wenn: Welchen Mehrwert hätte eine Republik?
Diese Frage wird zurzeit von den wenigen, wirklich sachkundigen Beobachtern in den Medien eher mit Zurückhaltung beantwortet. Abgesehen von dem beschriebenen Aufwand des Verfassungsreformprozesses, gibt es darüber hinaus eine Fülle weiterer rechtlicher, politischer und gesellschaftlicher Fragen zu beantworten.
In Erinnerung an fehlgeschlagene Verfassungsänderungen der Vergangenheit wird erwartet, dass, selbst wenn es einen allgemeinen Konsens eine Republik zu werden, gäbe, die Verhandlungen von vielen anderen Forderungen der Provinzen bestimmt würden. Ergo bestünde eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Gespräche zu nichts führen würden - außer zu gesellschaftlichen Spaltungen. Daher sei es nicht verwunderlich, dass Premierminister Justin Trudeau nichts mit dieser Idee zu tun haben wolle. Seine Nachfolger würden wahrscheinlich zu derselben Schlussfolgerung kommen, wird vermutet.
Es gibt desungeachtet auch eine Reihe von offenen Verfassungsfragen, die wahrscheinlich vorher ernsthaft debattiert werden sollten, wie zum Beispiel die Rolle des Senats, die föderale Gewaltenteilung, der Status der Gemeinden und die Selbstverwaltung der indigenen Einwohner.
Obwohl sie sich oft auf Tradition und Gefühle berufen, um die Krone zu verteidigen, unterhalten Monarchisten auch Institute, veranstalten akademische Konferenzen und Publikationen, kultivierten reiche Gönner. Die Republikaner haben nichts Vergleichbares getan, und das zeigt sich. Sie verlassen sich zu sehr auf einfache Sticheleien: Die Behauptung, dass die
Monarchie ein Überbleibsel aus der Kolonialzeit sowie ein Symbol für Ungleichheit und Privilegien ist und mit dem heutigen Kanada nichts zu tun hat, reicht nicht aus. Diese Argumente können öffentliche Unterstützung für die Institution abbauen, aber der Status quo würde sich durchsetzen in Ermangelung positiver Vorschläge für Veränderungen. Vor allem müssten die Republikaner eine durchdachte, praktische Alternative zur Monarchie aufzeigen.
Die Krone spielt viele verschiedene Rollen in der kanadischen Verfassung. Sie dient als Konzept des Staates und der Exekutive, und sie ist Teil des nationalen Parlaments und der Legislativen der Provinzen. Der König ernennt den Generalgouverneur, und der Generalgouverneur und die Gouverneursleutnants (seine Gegenüber auf Provinzebene) üben die Befugnisse der Krone aus, die Legislative einzuberufen, aufzulösen und die königliche Zustimmung zu Gesetzen zu erteilen, Premierminister zu ernennen etc.
Zudem existiert in Kanada keine republikanische Bewegung in der Stärke wie in den anderen britischen Dominions Australien und Neuseeland. Die Kanadier werden vielleicht immer gleichgültiger gegenüber der Monarchie, aber noch wirkt sie als Staatsform alternativlos.
Ein realistischer Ausblick
Diese überwiegend prozessorientiert geführte Debatte berücksichtigt nicht die Möglichkeit, dass der Mensch Charles III. sich durch seine Art der Amtsführung nicht doch im Laufe der Zeit mehr Zustimmung erarbeiten kann. Trotz vieler Krisen in seiner Biografie lässt sich sein frühes Engagement für Themen nicht bestreiten, die ihn vor Jahrzehnten zum skurrilen Außenseiter werden ließen, derentwegen er unter den veränderten Bedingungen der heutigen Welt aber als Visionär erscheint. Klima- und Naturschutz sind in Kanada wichtige gesellschaftliche Diskursthemen, und im Bereich des Umgangs mit der indigenen Bevölkerung hat die britische Monarchie vielfache Möglichkeiten zur ehrlichen Versöhnung durch eine demütig und selbstkritisch geführte Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle im unrühmlichen Kapitel der Kolonialisierung. Vor diesem Hintergrund bemerkt ein Kommentator nüchtern und treffend: „Unabhängig davon, wie die Kanadier tatsächlich fühlen, ist die Realität ab Samstag [dem Krönungstag] (wie schon seit dem 8. September 2022), dass der König hier ist, und wenn und solange es keine wirkliche Dynamik und realistische und praktische politische Debatte gibt, wird er vorerst nirgendwo hingehen.
Kanada ist viel weiter hinter der Zeit hinterher, wenn es darum geht, eine monarchiefreie Zukunft zu gestalten, als andere Nationen, die auf dem Weg zur Republik sind, und der politische Appetit ist einfach nicht da. Auch wenn sich einige Politiker und Neukanadier weiterhin weigern mögen, den Treueeid auf ihn zu leisten und man sich fragen kann, ob die kanadische Münzanstalt wirklich Geld mit dem Konterfei des Königs ausgeben muss, wird die Abschaffung wahrscheinlich immer noch auf dem Tisch liegen, wenn William, der Prinz von Wales, den Thron in wer weiß wie vielen Jahren besteigt.
Sollte das ein Thema sein? Ja […]. Aber halten Sie nicht den Atem an. Kanada wird wahrscheinlich die Ruhe bewahren und mit der Monarchie weitermachen.“