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Länderberichte

Neue Regierung in Lettland

von Elisabeth Bauer, Daiga Krieva
Am 23.Januar, 109 Tage nach den Parlamentswahlen am 06.10.2018 , hat das lettische Parlament (Saeima) die neue, von fünf Parteien gebildete, Regierung von Krišjānis Kariņš (Neue Unity) im Amt bestätigt. Am Morgen des 23. Januars haben alle fünf Parteien den Koalitionsvertrag, die Regierungserklärung sowie den Vertrag über die Fiskaldisziplin unterzeichnet.

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Für die neue Regierung stimmten die Abgeordneten der Regierungsparteien „Jaunā Vienotība“ (konservativ, Neue Einheit), „Nacionālā Apvienība“ (national, Nationale Allianz), „Attīstībai/Par!“ (liberal, Development/For!), „Jaunā Konservatīvā Partija“ (konservativ, Neue Konservative Partei) sowie ein Teil (11) der regierungsbildenden populistischen Partei „KPV LV“ („Wem gehört die Macht in Lettland“). Dagegen stimmten die mehrheitlich von der russischen Bevölkerung gewählte „Saskaņa“ (Harmonie), die den bisherigen Ministerpräsidenten Kučinskis stellende „Zaļo un Zemnieku Savienība“ (Grüne- &Bauernunion) sowie fünf Abgeordnete der KPV LV.

Zusammensetzung der Regierung:

Die „Neue Einheit“ - Ministerpräsident Arturs Krišjānis Kariņš, Außenminister Edgars Rinkēvičs und Finanzminister Jānis Reirs;

Die „Neue Konservative Partei“ – Justizminister Jānis Bordāns, Verkehrsminister Tālis Linkaitis, Bildungs- und Wissenschaftsministerin Ilga Šuplinska;

„Development/For“ – Verteidigungsminister Artis Pabriks, Minister für Umwelt und regionale Entwicklung Juris Pūce, Gesundheitsministerin Ilze Vinķele;

„Nationale Allianz“ – Kulturministerin Dace Melbārde, Landwirtschaftsminister Kaspars Gerhards;

„KPV LV“ – Wirtschaftsminister Ralfs Nemiro, Innenminister Sandis Ģirģens, Sozialministerin Ramona Petraviča.

Nur zwei Minister (Auswärtiges und Kultur) der alten Regierungskoalition werden ihre Ministerien weiterführen, mehrere der Minister verfügen über Regierungserfahrung aus vorherigen Regierungen, doch vier wichtige Ressorts (Wirtschaft, Inneres, Soziales und Bildung) werden nun von Politikern ohne jegliche Erfahrungen in den staatlichen Institutionen geführt werden.

Die Gespräche über die Regierungsbildung waren die längsten in der Geschichte Lettlands. Als Ursachen werden sowohl die hohe Zahl der gewählten Parteien (7), darunter drei neugebildete, und die mangelnde Verhandlungsfähigkeit der neuen Parteien als auch die eher passive Rolle und falsche Taktik des Staatspräsidenten Vējonis genannt. Zunächst wurde der Vorsitzende der Neuen Konservativen Partei Jānis Bordāns mit der Regierungsbildung beauftragt. Nach seinem Scheitern wurde der Ministerpräsidentenkandidat der zweitgrößten (außer „Harmonie“) Partei „KPV LV“, Aldis Gobzems, mit der Regierungsbildung beauftragt. Nachdem beide Versuche erfolglos geblieben waren, haben sich die fünf Parteien auf einen Kompromiss geeinigt und Gespräche über eine Regierung unter Krišjānis Kariņš, dem Ministerpräsidentenkandidat der kleinsten ins Parlament gewählten Partei “Neue Einheit” begonnen. Unter den gegebenen Umständen war dies die einzige Möglichkeit, um Neuwahlen zu vermeiden.

Am 7. Januar wurde Kariņš offiziell vom Staatspräsidenten mit der Regierungsbildung beauftragt. Die Fortsetzung der Regierungsbildung führte bereits zur Spaltung in der populistischen KPV LV, deren Abgeordnete zu keiner gemeinsamen Position gelangen konnten und von denen fünf Abgeordnete (darunter Gobzems) gegen die Regierung stimmten.

Trotz der äußerst schwierigen Regierungsbildung stehen die Chancen für die Stabilität dieser Regierung ziemlich gut

1. Die in der Regierung vertretenen neuen Parteien vertrauen der im Ergebnis kleinen Partei “Neuen Einheit” des Ministerpräsidenten mehr als sich untereinander. Im Unterschied zu den anderen neuen Parteien wird die „Neue Einheit“ nicht als Konkurrenz gesehen. Die Regierung zu stürzen wäre riskant, denn der Posten des Ministerpräsidenten müsste dann von einer der neuen Parteien übernommen werden.

2. Der lange Regierungsbildungsprozess hat bewiesen, dass es in dieser Situation äußerst schwer sich auf einen gemeinsamen Kandidaten zu verständigen. Die einzige Alternative für die Regierung Kariņš wären Neuwahlen gewesen. Der Prozess für Neuwahlen ist lang und würde nicht zwingend ein eindeutigeres Ergebnis bringen.

3. Die Kandidatur von Kariņš fand aus mehreren Gründen Unterstützung bei allen Regierungsparteien. Dazu zählen sowohl seine guten Vermittler-Fähigkeiten und Fremdsprachenkenntnisse (Englisch und Deutsch fließend sowohl genügende Französisch- und Russischkenntnisse) als auch seine Kontakte und Erfahrungen aus seiner langjährigen Tätigkeit im Europaparlament. Diese werden bei den anstehenden Verhandlungen über den neuen EU-Haushalt sowie über die Moneyval-Empfehlungen für das lettische Bankensystem von großem Nutzen sein.

4. Vier der fünf Regierungsparteien sind stabil. Obwohl die „KPV LV“ sich bereits während des Regierungsbildungsprozesses gespalten hat, stellt dies keine Gefahr für die Regierungsarbeit dar, denn elf der 16 Abgeordneten unterstützen die Regierung. Sogar für den Fall, dass diese Partei die Regierungskoalition verlassen würde, könnte die Regierung Kariņš die Arbeit im Parlament mit Mehrheiten von über 50 Prozent fortsetzen, indem dann bei konkreten Entscheidungen Oppositionsvertretern für die Zustimmung gewonnen werden.

5. Die Opposition im Parlament ist gespalten. Die „Harmonie“ wird trotz ihrer 23 Stimmen auch innerhalb dieser Legislaturperiode kaum als Koalitionspartner in Betracht gezogen. Die andere Oppositionspartei die „Grüne- & Bauernunion“, die bisher den Ministerpräsidenten Kučinskis stellte, ist interessiert, gute Beziehungen mit der Regierung Kariņš zu pflegen, um sich im Laufe der vier Jahre eventuell daran zu beteiligen resp. beteiligt zu werden. Der einzige Grund, warum diese Partei nicht zur Koalition gehört, ist die Einstellung der „Neue(n) Konservative(n) Partei“, die ihre Ablehnung mit dem schlechten Ruf der „Grünen- & Bauernunion“ begründeten. Es wird aber dennoch erwartet, dass viele Entscheidungen der neuen Regierung bei den „Grünen- &Bauernunion“ Unterstützung finden werden. Für den Fall, dass eine der Regierungsparteien sei es „KPV LV“ oder der „Neuen Konservativen Partei“ ausfallen sollte, könnte die „Grünen- & Bauernunion“ ihren Platz in der Koalition einnehmen.

Die wichtigsten Herausforderungen der Regierung Kariņš

Die Regierungsarbeit wird dadurch erschwert, dass gegen einige Abgeordnete der Regierungsparteien („KPV LV“ und „Neue Konservative Partei“) strafrechtliche Verfahren eingeleitet wurden. Ungewiss ist auch, ob alle Minister oder Vorsitzende wichtiger Parlamentsausschüsse die Zulassung zum Staatsgeheimnis bekommen, denn die Überprüfung der Personen seitens des Verfassungsschutzes ist noch nicht abgeschlossen. Es ist nicht auszuschließen, dass einige diese Zulassung nicht bekommen werden.

Zu Komplikationen der Regierungsarbeit könnten auch die Forderungen der „Neuen Konservativen Partei“ nach Absetzung leitender Schlüssel-Amtspersonen im staatlichen Rechtssystem führen (u.a. der Vorsitzende des Oberstes Gerichtes und der Generalstaatsanwalt). Insgesamt wird diese Art des Vorgehens sowie die Methoden und die Aggressivität der weiteren geplanten Maßnahmen dieser Partei im Kampf gegen Korruption (Hauptthema dieser Partei) kritisiert. Besondere Bedeutung gewinnt diese Situation durch die Tatsache, dass diese Partei in der Regierung den Justizminister stellt.

Weitere Probleme werden auch im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Haushalts für 2019 erwartet. Vor allem die neuen Parteien haben ihren Wählern Reformen oder Verbesserungen versprochen, die nicht zu erfüllen sind. Es ist geplant, den Haushalt bis Ende März zu verabschieden.

Gewissen Einfluss auf die Arbeit der Regierung könnten auch die Wahlen des Staatspräsidenten haben. Die Legislaturperiode des jetzigen Staatspräsidenten Raimonds Vējonis endet Anfang Juli. Zwar hat Vējonis sich noch nicht zu seinen Absichten, nochmals zu kandidieren, geäußert, doch stehen seine Chancen eher schlecht. Die Diskussion über die Kandidaten hat gerade begonnen. Namentlich ist bis jetzt nur der Richter am Europäischen Gericht Egils Levits genannt worden, dessen Kandidatur bisher die „Nationale Allianz“ ausdrücklich unterstützt. Auch andere Koalitionsparteien sehen die Kandidatur Levits positiv, schließen jedoch auch andere Kandidaturen nicht aus. Zum ersten Mal wird die Abstimmung im Parlament offen stattfinden.

Aktuell wichtige außenpolitische Herausforderungen der Regierung

1. Sanktionen gegen das Finanzsystem Lettlands verhindern. Diese Sanktionen drohen, wenn Lettland die Forderungen der Moneyval-Experten des Europarates über Maßnahmen gegen Geldwäsche nicht erfüllt. Ministerpräsident Kariņš hat erklärt, diesen Prozess selbst zu überwachen.

2. Die Verhandlungen über den neuen mehrjährigen EU- Haushalt, der für Lettland weniger Förderungen durch den EU-Kohäsionsfonds vorsieht.

Innenpolitische Prioritäten

Innenpolitisch hat Ministerpräsident Kariņš vorerst drei Prioritäten für seine Regierungsarbeit genannt:

  • möglichst schnelle Verabschiedung des Haushalts für 2019,
  • die Abschaffung der obligatorischen Beschaffungskomponente im Energiesektor und
  • die administrativ-territoriale Reform Lettlands.

Der Arbeitsstil seiner Regierung solle evolutionär, nicht revolutionär werden.

Ob und wie die vom Ministerpräsidenten aus der kleinsten Koalitionspartei geführte Regierung Einfluss auf die Popularität der EVP-Partei „Neuen Einheit“ haben wird, hängt ganz vom Erfolg der Regierung Kariņš ab. Auf jeden Fall bietet sich hier eine Möglichkeit, einen Teil der bei den letzten Wahlen zahlreich verlorenen Wähler zurückzugewinnen.

Ausblick Europa

Vor kurzem hat die „Neue Einheit“ ihre Kandidaten für die Wahl des Europaparlaments ernannt. Es sind (in dieser Reihenfolge) der jetzige Europakommissar Valdis Dombrovskis, die jetzige Abgeordnete im Europaparlament Sandra Kalniete und der Vorsitzende der „Neuen Einheit“ Arvils Ašeradens.

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Elisabeth Bauer

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