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Russlands strategische Kommunikation zur Beeinflussung innenpolitischer Prozesse in Deutschland

Russlands strategische Kommunikation zur Beeinflussung innenpolitischer Prozesse in Deutschland von Rainer Saks

Wir sind in eine Ära eingetreten, in der Narrative und ihre Instrumentalisierung durch Informationsoperationen zunehmend zum Thema der Beeinflussung westlicher Gesellschaften werden. Dabei handelt es sich um feindselige Beeinflussungsaktivitäten, die darauf abzielen, die Innenpolitik der westlichen Länder zu beeinflussen und ihre Gesellschaften zu destabilisieren. Ziel dieses Beitrags ist es, einen kurzen Überblick über die strategischen Kommunikationsprozesse Russlands gegenüber Deutschland zu geben und einige strategische Schritte für die Zukunft vorzuschlagen.

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Die Arbeitskultur der derzeitigen russischen Regierung basiert weitgehend auf den von den sowjetischen Sicherheitsdiensten entwickelten Methoden, die in den Zielen der ideologischen Einflussnahme verwurzelt waren. Es ist wichtig zu verstehen, dass diese Praktiken ihren Ursprung in der Propaganda und den verschwörerischen Aktivitäten der Kommunistischen Partei haben, noch vor den Ereignissen von 1917 in Russland. Deutschland hat in der sowjetischen und später auch in der russischen Propaganda immer eine besondere Rolle gespielt. Die gesamte Geschichte des 20. Jahrhunderts unterstreicht die Bedeutung Deutschlands für die russische Führung.

Die russische Führung hegt weder den manischen Wunsch, Deutschland anzugreifen, noch den utopischen Traum, Deutschland unter ihre Kontrolle zu bringen. Deutschland wird jedoch sowohl als wichtigals auch als potenziell gefährlich angesehen, was zu maximalen Anstrengungen führt, um die Entwicklungen im Land zu beeinflussen. Traditionell hat sich Russland mit Deutschland besser vertraut gefühlt als mit anderen westeuropäischen Ländern und Nationen.

Russlands Ansatz wird traditionell als multivektoriell beschrieben (ein Begriff, den sie selbst verwenden). Mit anderen Worten, sowohl destruktive als auch konstruktive Ansätze werden gleichzeitig und konsequent angewendet, ohne dass ein Widerspruch wahrgenommen wird. Die derzeitige russische Führung wird Deutschland niemals als Verbündeten, Partner oder befreundeten Staat betrachten, selbst wenn die russische Führung gute persönliche Beziehungen zu den deutschen Führern unterhält. Auch in Fällen positiver Beziehungen geht es weiter zu destruktiven Beeinflussungsaktivitäten und der Etablierung von Positionen in der deutschen Gesellschaft. In Zeiten guter Beziehungen kann der destruktive Einfluss verringert und verborgener gemacht werden.

Seit Mitte der 1990er Jahre hat die russische Führung die "tschekistischen" Arbeitsmethoden innerhalb der russischen Sicherheitsdienste (ein Begriff, der sich vom Namen des ersten bolschewistischen Sicherheitsdienstes ableitet) neu kultiviert. Feindselige und aggressive Informationskampagnen werden in ihrer Arbeitskultur als Beeinflussungsoperationen, aktive Maßnahmen, Informationsoperationen und psychologische Operationen bezeichnet.

Russlands Einflussoperationen werden auf der höchsten politischen Ebene des Staates gestaltet. Es ist üblich, dass aktive Maßnahmen umfassend geplant werden, wobei verschiedene Methoden wie Cyberangriffe, Korruption, organisierte Kriminalität, wirtschaftliche Instrumente und diplomatische Maßnahmen zum Einsatz kommen. Im Zentrum dieser Bemühungen steht dabei immer die Komponente der informationellen Beeinflussung. Mit anderen Worten: Neben der reinen Medienmanipulation orchestriert Russland aktive Maßnahmen, die westliche Länder zunehmend als hybride Angriffe bezeichnen. Zum Beispiel können Informationsoperationen dazu dienen, den Boden für einen größeren hybriden Angriff vorzubereiten.

Auf der taktischen Ebene versuchen die russischen Einflussbemühungen, alltägliche und aktuelle Probleme anzugehen. Auf der strategischen Ebene geht es vor allem darum, das Unterbewusstsein der Menschen zu beeinflussen, was bewusst mit wissenschaftlichen Methoden verfolgt wird.

 

Allgemeine Grundsätze für Informationsoperationen und Desinformation


Im Allgemeinen sind die Narrative, die bei den russischen Informationsoperationen verwendet werden, reaktiv. Das bedeutet, dass sie die bestehende Situation im medialen Raum (z.B. Konflikte, die bereits in den Medien aufgetaucht sind) maximal ausnutzen und ihre Informationsangriffe auf diesen Kontext zuschneiden. Dieser Ansatz minimiert den Aufwand, der erforderlich ist, um einen geeigneten Kontext für erfolgreiche Aktionen innerhalb des Informationsraums des Ziels zu schaffen.

Trotz des reaktiven Charakters der von Russland geschaffenen Narrative, werden sie mit einer taktisch proaktiven Methode umgesetzt. Mit anderen Worten, das Ziel ist es, auf die aktuellen Ereignisse im Medienraum zu reagieren, indem der Prozess in eine für Russland günstige Richtung gelenkt und so die Initiative ergriffen wird. Das taktische Ziel ist immer, die gegnerische Seite in eine Position zu bringen, in der sie nur reagieren kann und nicht in der Lage ist, die Initiative zu ergreifen.

Russland nutzt die sozialen Medien sehr aktiv und hat Jahre damit verbracht, in diesem Bereich Verbindungen zu Netzwerken und Interessengemeinschaften aufzubauen (die sich dessen nicht immer bewusst sind). Traditionell wird eine langfristige Zusammenarbeit mit Journalisten, Think Tanks und akademischen Institutionen sowohl offen als auch verdeckt durchgeführt.

Das hat zur Folge, dass Russland nach Beginn des Wahlkampfs nur selten Zeit damit verbringt, neue Positionen zu etablieren, sondern sich auf bestehende Positionen verlässt. Die jüngsten Trends zeigen deutlich, dass die Nutzung von Social Media als effektiv angesehen wird und der Anteil der Informationsflüsse, die dorthin geleitet werden, stetig gestiegen ist.

Desinformation ist eine wichtige technische Methode, die besondere Erwähnung verdient, aber weder das einzige noch das wichtigste Instrument ist. Desinformation wird in erster Linie dazu eingesetzt, bereits bestehende Narrative zu verstärken, anstatt neue zu schaffen. Sie wird überwiegend in Social-Media-Gruppen verbreitet, und wenn sie erfolgreich sind, wird versucht, die Desinformation in die großen Medien zu bringen. Russische Dienste sind sehr geschickt darin, verschiedene Social-Media-Gruppen mit völlig unterschiedlichen Informationen anzusprechen, die darauf zugeschnitten sind, sie zu beeinflussen.

Bei den russischen Informationsoperationen ist Desinformation in erster Linie ein taktisches Instrument. Was am wichtigsten ist, sind die breiten Narrative, die Russland zu verbreiten und in anderen Informationsräumen zu verankern versucht.

Wenn die Unterstützung großer Narrative keine Ergebnisse bringt oder wenn kurzfristig Ressourcen für den strategischen Erfolg fehlen, können destruktive Methoden die Beeinflussungsaktivitäten dominieren. In solchen Fällen begnügt sich die russische Führung damit, so viel Verwirrung und Konflikte wie möglich in der Zielgesellschaft zu stiften.


Beispiele für Informationseinfluss auf den Westen und Deutschland


Vor dem Hintergrund der vorgezogenen Neuwahlen hat Russland keine Zeit, völlig neue Narrative zu konstruieren. Aus den öffentlichen Äußerungen der russischen Führung lässt sich schließen, dass die außerordentlichen Wahlen in Deutschland für sie überraschend kamen. Russland nutzt die bestehenden spaltenden gesellschaftlichen Themen und Narrative maximal.

Es ist zu erwarten, dass Russland viele hochrangige politische Erklärungen speziell zu den deutschen Wahlen abgeben wird. Einige außergewöhnliche Aussagen können in Situationen gemacht werden, in denen ein bestimmtes Ereignis oder eine bestimmte Einflussoperation besonders verstärkt werden soll. Die Handlungen der russischen Führung sind oft mit einem gewissen Maß an Improvisation und emotionalen Reaktionen verbunden, die unerwartete Auswirkungen haben können.

So erklärte der russische Präsident während der US-Wahlen auf die Frage eines Journalisten, dass er es vorziehe, wenn Biden gewinne. Dies ist wahrscheinlich richtig, da Putin Biden als schwachen Präsidenten und daher bequemer ansieht. Gleichzeitig verbreitete die russische Propaganda ständig Informationen, die darauf hindeuten, dass Russland die Wahl Trumps unterstützt habe. Die Erklärung des russischen Präsidenten war wahrscheinlich ungeplant. Insgesamt waren die westlichen Medien etwas verwirrt und erweckten den Eindruck, dass Russland einen erheblichen Einfluss auf die US-Wahlen hatte. In Wirklichkeit gab es wenig direkten und substanziellen Einfluss, aber die Berichterstattung in den Medien war unverhältnismäßig umfangreich.

Mit Blick auf muslimische Gemeinschaften könnte die Zusammenarbeit Russlands mit dem Iran genutzt werden, damit bestimmte Zielgruppen erreicht werden können, um die Angst vor islamischen Themen in der deutschen Gesellschaft zu eskalieren. Angesichts der Planungsmethoden Russlands ist es sehr wahrscheinlich, dass jedes Thema, das mit dem Islam zu tun hat, in Deutschland aktiv verstärkt wird. Ein mögliches Narrativ besteht darin, die Situation in Syrien als kontinuierlich destabilisierend darzustellen, was zur Entstehung eines neuen islamischen Staates und damit zu einer neuen Flüchtlingswelle führt.

Obwohl die russische Führung im Allgemeinen keinen übermäßigen Druck auf Israel mag, könnte sie im Zusammenhang mit den deutschen Wahlen die etwas einzigartige deutsche Politik gegenüber Israel ausnutzen, um in der deutschen Gesellschaft spaltende Aktivitäten über palästinensische Themen zu erzeugen. Verbrechen, die mit Flüchtlingen oder Migranten in Verbindung gebracht werden, werden in den sozialen Medien schnell verstärkt.

In den letzten Jahren waren Angst und destruktive Einflussnahme zentrale Elemente der russischen Informationskampagnen. Ängstliche Menschen neigen eher dazu, irrationale Entscheidungen zu treffen. Folgende Faktoren werden dabei genutzt:

  • Angst vor Krieg: Russland glaubt, dass es möglich ist, die deutsche Bevölkerung dazu zu bewegen, diejenigen zu wählen, die versprechen, die Ukraine nicht mehr zu unterstützen oder die Ukraine zu Zugeständnissen an Russland zu drängen.
  • Ausnutzung des natürlichen Pazifismus in Deutschland: Durch sehr brutale Informations kampagnen versucht Russland, Erinnerungen an die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs wachzurufen. Sie sind überzeugt, dass dies die Bundesbürger dazu bewegen wird, sich aus dem aktiven Engagement zurückzuziehen.
  • Verstärken von Narrativen über den schlechten Zustand der deutschen Armee: Ziel ist es, den Glauben der Deutschen zu vertiefen, dass ihr Land nicht in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen.
  • Energiekooperation mit Deutschland: Dieses Thema ist in den Hintergrund getreten und gehört zunehmend der Vergangenheit an. Sollte jedoch eine deutsche Partei auf dieses Thema aufmerksam machen, ist mit einer stärkeren Unterstützung des Themas aus Russland zu rechnen.

 

Vorschläge für strategische Schritte


Die künftigen Beziehungen Deutschlands zu Russland werden maßgeblich von der Entwicklung in der Ukraine abhängen, aber nicht ausschließlich. Folgende Aspekte werden bei der Gestaltung des Verhältnisses zwischen Deutschland und Russland in Zukunft eine wesentliche Rolle spielen:

- Deutschlands Einfluss und Rolle im ukrainischen Friedensprozess.

- die Beziehungen Deutschlands zur Türkei, Rumänien und Bulgarien sowie die Beteiligung an den Maßnahmen zur Stärkung der Zusammenarbeit im schwarzen Meer.

- Die Rolle Deutschlands bei Sicherheitsvereinbarungen in Bezug auf die Ostsee und die künftige Zusammenarbeit einschließlich Sicherheitsvereinbarungen.

- Die Rolle Deutschlands im Kaukasus und in Zentralasien (nicht der entscheidende Faktor).

- Die Rolle Deutschlands bei der Gestaltung der Beziehungen zu Belarus (ein Thema, das Russland erheblich irritiert).

- Deutschlands Rolle beim Wiederaufbau Syriens und bei der Abschreckung des Iran.

Deutschland hatte einst die Möglichkeit, durch russische Gasexporte maßgeblichen Einfluss auf die russische Außen- und Sicherheitspolitik zu nehmen, konnte dieses Potenzial aber nicht nutzen. Es wurde versucht, Russland durch wirtschaftliche und andere Formen der Zusammenarbeit einzubinden, ohne den Umfang der Zusammenarbeit direkt an die Erfüllung vertrauensbildender Maßnahmen zu knüpfen. Die Zusammenarbeit bei der Rüstungskontrolle war minimal und konnte die Abschreckung nicht gewährleisten. Diese Fehler sollten sich nicht wiederholen.

Wenn Deutschland in Zukunft funktionierende bilaterale Beziehungen zu Russland aufbauen will, muss es sich gegenüber der russischen Regierung durchsetzen und klare Regeln für das Engagement aufstellen:

- Die wirtschaftliche Zusammenarbeit sollte sich auf nichtmilitärische Bereiche beschränken, zumindest so lange, bis Russland sich den Rüstungskontrollmaßnahmen anschließt und die verschiedenen vertraglichen Verpflichtungen zufriedenstellend erfüllt.

- Die Sanktionen der Europäischen Union sollten nur aufgehoben werden, wenn die territoriale Integrität der Ukraine vollständig wiederhergestellt ist.

- Die Zusammenarbeit im Energiebereich sollte sich auf Bereiche beschränken, in denen Russland die grundlegenden Anforderungen des Umweltschutzes tatsächlich erfüllt.

Deutschland könnte eine strategische Führungsrolle zumindest auf europäischer Ebene beim Wiederaufbau der Ukraine anstreben:

- Die Energie- und Verkehrsinfrastruktur der Ukraine sollte nach europäischen Standards wiederaufgebaut und entwickelt werden. Eine strategische Zusammenarbeit mit Polen, Rumänien und der Tschechischen Republik würde dazu beitragen, dieses Ziel zu erreichen.

- Die Bekämpfung der Korruption und die Reform des ukrainischen Strafverfolgungssystems sind Voraussetzungen für einen erfolgreichen Wiederaufbau und Wirtschaftswachstum. Deutschland könnte eine Führungsrolle bei der Reform des ukrainischen Rechtssystems und der öffentlichen Verwaltung anstreben und dabei die nordischen und baltischen Staaten einbeziehen.

- Entwicklung der ukrainischen Verteidigungsindustrie in Zusammenarbeit mit Ländern wie Frankreich.

Deutschland könnte sein Engagement in der Sicherheitskooperation im Ost- und Nordseeraum deutlich verstärken:

- Entwicklung eines stärkeren Formats der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit im Rat der Ostseestaaten.

- Die deutsche Marine leistet eine aktive Rolle bei der Sicherung kritischer Infrastrukturen im Ost- und Nordseeraum.

- Verbesserung der militärischen Mobilität im Ostseeraum.

Der Wiederaufbau der Ukraine bietet auch die Chance für eine aktivere Politik auf dem Westbalkan:

- Es ist wichtig, die Infrastruktur dieser Länder nach europäischem Standard zu entwickeln und so ihre wirtschaftlichen Beziehungen zu Europa zu stärken.

- Die Energiekooperation mit allen Ländern der Region, insbesondere mit Serbien, ist besonders wichtig.

- Die Beteiligung an der Energie- und Infrastrukturentwicklung ist in allen mittel- und osteuropäischen Ländern gleichermaßen wichtig.

Deutschland sollte seine strategische Kommunikation auf ein Niveau heben, das seiner wirtschaftlichen Stärke in Europa und der Welt entspricht - die Stärke und Stabilität Deutschlands ist entscheidend für die Zukunft Europas.

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Oliver Morwinsky

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Leiter des Auslandsbüros Baltische Staaten

oliver.morwinsky@kas.de +371 673 312 64

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