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Länderberichte

Zwischen Neuwahlen, Pandemie und Rezession

von Dr. Georg Dufner, Steffen Behme

Boliviens Interimsregierung im Dilemma

Bolivien kommt auch 2020 nicht zur Ruhe. Seit Ende März verschärft sich ein Machtkampf zwischen Regierung und Opposition im Zeichen des medizinischen Notstands, der Suche nach einem Termin für Neuwahlen und der wirtschaftlichen Not der Bevölkerung. Die Aufgabe der Übergangsregierung, das gespaltene Land zu befrieden und schnellstmöglich Neuwahlen herbeizuführen, wird durch den Ausbruch der Coronavirus-Pandemie zur Mammutaufgabe.

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Ausgangssituation

Bolivien befand sich bereits vor Ausbruch der Corona-Pandemie in einer komplexen Ausgangssituation, die in den von Manipulationsvorwürfen überschatteten Präsidentschaftswahlen vom 20. Oktober 2019 ihren Anfang nahm. Sowohl die OAS als auch die EU zweifelten die Rechtmäßigkeit des Wahlergebnisses an und sprachen von schweren Unregelmäßigkeiten. Im Zuge der hierauf folgenden wochenlangen Bürgerproteste und Ausschreitungen sah sich Boliviens Langzeitpräsident Morales (Movimiento al Socialismo, MAS) gezwungen, am 10. November 2019 zurückzutreten und nach 14 Jahren an der Spitze des Staates ins politische Asyl (zunächst nach Mexiko, später Argentinien) zu fliehen. Um das entstandene Machtvakuum nach vielfachen Rücktritten aus dem Regierungslager zu schließen, wurde am 12. November 2019 Jeanine Áñez, Senatorin des ehemals oppositionellen Movimiento Demócrata Social (MDS) zur Interimspräsidentin ernannt. Verfassungsgemäß war sie nach den Rücktritten von Präsident und Vizepräsident sowie der Präsidentin und Vizepräsidentin des Senats berechtigt, die Präsidentschaft interimistisch bis zu Neuwahlen auszufüllen. Áñez definierte die Befriedung Boliviens und die schnellstmögliche Herbeiführung von Neuwahlen als die Hauptaufgaben ihres Mandats. [i]

Covid-19 und die Verschiebung der Neuwahlen

Am 3. Januar 2020 legte das Plurinationale Wahlorgan (OEP) den Termin für Neuwahlen auf den 3. Mai fest. Zu diesem Zeitpunkt war das neuartige Coronavirus in Lateinamerika noch weitgehend unbekannt. Der erste Fall einer Coronavirus-Infektion in Bolivien wurde am 10. März bestätigt, der erste Todesfall am 29. März.

Als Reaktion auf die ersten Covid-19-Erkrankungen kündigte das OEP am 22. März (dem Tag der Verhängung einer weitgehenden Quarantäne durch die Regierung) an, die für den 3. Mai geplanten Wahlen auf unbestimmte Zeit zu verschieben, da die Pandemie eine ordnungsgemäße Wahl zu diesem Zeitpunkt nicht erlaubte. Bolivien zählte zu diesem Zeitpunkt 22 Infizierte und null Todesfälle.[ii] Stand 24. Juni zählt Bolivien 26.389 Infizierte und 846 Todesfälle. Im Vergleich zu Peru (260.810 / 8.404 ) und Chile (250.707 / 4.505) mag das gering erscheinen, es wird jedoch eine besonders hohe Dunkelziffer angenommen. In den Tiefland-Departements Santa Cruz, Beni und Pando ist das ohnehin marode Gesundheitssystem bereits kollabiert und auch in anderen Regionen wie Cochabamba wird die Lage kritisch. Es rächt sich nun, dass Bolivien auch in den Jahren hoher Rohstofferlöse und voller Staatskassen unter Evo Morales viel zu wenig in den Gesundheitssektor investiert hat.[iii]

Aufgrund der politischen Ausgangslage gelang es lange nicht, sich trotz mehrerer Terminvorschläge auf einen alternativen Wahltermin zu einigen: So sprach sich das OEP dafür aus, die Neuwahlen zwischen dem 28. Juni und dem 27. September abzuhalten. Die entsprechende Gesetzesinitiative hing jedoch seit dem 26. März im vom MAS mit 2/3-Mehrheit dominierten Parlament fest. Am 30. April verabschiedete der MAS mit dieser Mehrheit ein Gesetz, dass die gegenwärtige Interimsregierung zwingen sollte, die Neuwahlen spätestens am 2. August abzuhalten. Unter Berufung auf den Schutz der Gesundheit lehnte Präsidentin Áñez den Gesetzesvorschlag ab und überwies ihn zurück an das Parlament. Eine Neuwahl sei, so Áñez, unverantwortlich, solange Bolivien nicht den Höhepunkt der Pandemie überschritten habe.[iv] Aus diesem Grund plädierte sie dafür, den Vorschlag des OEP zu respektieren und später wählen zu lassen. Am 2. Juni verkündete das OEP, dass es sich zusammen mit Vertretern des MAS und mehrerer Oppositionsparteien – jedoch ohne die Regierungspartei – auf den 6. September als Termin zur Abhaltung der Präsidentschafts- und Kongresswahlen geeinigt habe. Áñez stellte dieses Datum zwar aus Gründen des Gesundheitsschutzes in Frage, erklärte jedoch nach Unterredungen mit dem Präsidenten des OEP, Salvador Romero am 21.6., einen entsprechenden Gesetzentwurf passieren zu lassen, nicht ohne jedoch auf den enormen Druck aus der MAS-dominierten Legislative hinzuweisen den beiden wichtigsten Oppositionsvertretern Luis Arce (MAS) und Carlos Mesa (Comunidad Ciudadana, CC) bereits im Vorfeld Schuld an möglichen steigenden Infektionszahlen infolge der Wahlen zuzuweisen.

Corona-Maßnahmen der Regierung Áñez

Vom 23. März bis zum 10. Mai befand sich Bolivien in einer strikten landesweiten Quarantäne, lediglich Einkäufe (einmal pro Woche in der Zeit zwischen 7 und 12 Uhr) und Arztbesuche waren erlaubt. Besorgungen mussten im Regelfall zu Fuß erledigt werden, da der öffentliche Personennahverkehr gänzlich eingestellt wurde und private KfZ nur mit einer Sondergenehmigung benutzt werden durften. Des Weiteren sind seit dem 23. März alle staatlichen und privaten Bildungs- und Betreuungseinrichtungen geschlossen. Bis heute sind alle Grenzen außer für Fracht und zu humanitären Zwecken geschlossen.

Seit dem 11. Mai gilt in Bolivien eine so genannte „dynamische Quarantäne“, welche auf einer regionalen Risikobewertung beruht. Wöchentlich wird die Risikobewertung der einzelnen Landkreise vom Gesundheitsministerium einer Neubewertung unterzogen, um die Quarantänemaßnahmen regional anzupassen. Trotz Fortbestehen der dynamischen Quarantäne wurden die Maßnahmen in weiten Teilen Boliviens zum 1. Juni erheblich gelockert. Durch die Erweiterung der Bewegungsfreiheit sollte eine allmähliche Belebung der Wirtschaft ermöglicht werden.

In Anbetracht des schwindenden Rückhalts der Bevölkerung aufgrund negativer wirtschaftlicher und sozialer Effekte der bislang rigorosen Quarantänemaßnahmen, sah sich die Interimsregierung zu diesen Lockerungen wider ihrer Überzeugung gezwungen. Vor dem Hintergrund der gegenwärtig exponentiell ansteigenden Infektionszahlen erscheinen diese Maßnahmen sehr riskant. Schon jetzt zeigt sich, dass sich die Lockerungen durch einen stärkeren Anstieg der Infektionszahlen und die Überlastung des vollkommen überforderten Gesundheitssystems rächen.

Um die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen von Pandemie und Quarantäne abzufedern, initiierte die Regierung verschiedene Förderprogramme und Boni, u.a. für die Gesamtbevölkerung, für Familien mit Schulkindern, Rentner und Behinderte. Zuschüsse zu Wasser-, Strom- und Gasrechnungen wurden ebenso gewährt wie eine Aussetzung von Kreditrückzahlungen für 6 Monate.

Ziel der Regierung ist es auch, durch diese Hilfen die Liquidität des Binnenmarktes zu erhalten. Experten sind jedoch der Ansicht, dass die bisher ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichen werden, um die Wirtschaft zu stabilisieren und soziale Auswirkungen abzufedern. Der zu erwartende BIP-Rückgang von -3 % wird unausweichlich schwere soziale Folgen haben. Nichtsdestotrotz rät die Weltbank Bolivien, an diesen Maßnahmen festzuhalten. Der generelle wirtschaftliche und soziale Abwärtstrend lasse sich damit zwar nicht aufhalten, jedoch ließen sich die Schäden minimieren.

Wirtschaftliche und soziale Auswirkungen der Quarantäne

  • Die Coronavirus-Pandemie trifft Bolivien in mehrfacher Hinsicht:
  • Durch den Rückgang des weltweiten Handels.
  • Sinkende Preise auf Primärprodukte: Die bolivianische Wirtschaft ist stark vom Export von Erdgas abhängig.
  • Die verstärkte Risikoaversion und die Verschlechterung der globalen Investitionsneigung sorgen dafür, dass ohnehin knappe Mittel abgezogen werden.
  • Der quasi komplett einbrechende Tourismus hat regional erhebliche Effekte.
  • Durch die Verringerung von Rücküberweisungen (Remesas) aufgrund von Einkommensverlusten während der Corona-Krise sinken die Haushaltseinkommen.

Gegenwärtig sieht sich die Wirtschaft mit den kurzfristigen Effekten der Pandemiemaßnahmen konfrontiert. Zu diesen zählen sinkende Nachfrage, geringere Einkommen und steigende Arbeitslosigkeit. All diese Faktoren lassen auf eine Rezession schließen. Jedoch sind nicht alle Wirtschaftssektoren in gleicher Weise betroffen.[v]

Infolge der Krise hat der Andenstaat seine Wirtschaftsprognose für 2020 bereits von +3% auf -3% korrigiert. Es wird befürchtet, dass es zu einem Anstieg der Armut (+3,4%) sowie zu einem Absinken des Bildungsniveaus kommen wird. Anders als wirtschaftliche Einbußen, die sich nach der Krise verhältnismäßig schnell aufholen lassen, hält sich gestiegene soziale Ungleichheit hartnäckig.[i]

Politische Folgen der Pandemie

Die Corona-Pandemie trifft Bolivien zur Unzeit in einer politischen Übergangsphase. Der Auftrag der Interimsregierung, die Befriedung des Landes einzuleiten und Neuwahlen herbeizuführen, ist immens erschwert. Politische Gegner, die im März und April - auch unter dem Eindruck weitgehender Zustimmung der Bevölkerung - noch zurückhaltend waren, tun mittlerweile alles, um die Regierungsarbeit zu torpedieren.

Fehler der Exekutive liefern Kritikern zusätzliche Nahrung. Es zeigt sich, dass der Zusammenhalt der aus mehreren Parteien bestehenden Regierung brüchig ist. Unabgestimmte Äußerungen und Handlungen insbesondere von den Anti-MAS-Hardlinern im Innen- und Verteidigungsministerium haben die Präsidentin mehr als einmal in Zugzwang gebracht. Hinzu kamen Skandale (überhöhte Zahlungen für Beatmungsgeräte)[ii] und Skandälchen (Benutzung von Regierungsflugzeugen für Angehörige der Präsidentin) sowie ungeschickte Gesetzesvorhaben, darunter ein schwammig formuliertes Dekret über die Bestrafung von Fake News, das auf öffentlichen Druck zurückgenommen werden musste. In der Konsequenz setzte eine hohe Fluktuation in den höchsten Staatsposten ein. Trotz steigender Unzufriedenheit: Von einer Mehrheit der Bolivianer wurden und werden die von der Interimsregierung verhängten Quarantänemaßnahmen akzeptiert – selbst die anfänglich rigorosen Kontakt- und Ausgangssperren, sowie der Einsatz von Polizei und Militär zur Überwachung der Einhaltung der Maßnahmen. Fälle wie die genannten haben jedoch das Potenzial, die Bürger an der Integrität und Problemlösungsfähigkeit der Interimsregierung zweifeln zu lassen.

Teile der Wählerschaft und militante Anhänger des MAS bekämpften die Regierung von Beginn an. Der Chapare, eine Hochburg des MAS und der Kokaproduktion zur Kokainherstellung, ist wie zu Zeiten der politischen Krise 2019 ein Gebiet ohne Präsenz des Staates. Die Leugnung der Corona-Pandemie mischt sich dort mit militanter Gegnerschaft gegen die Interimsregierung, woran auch die Covid-Erkrankung vieler führender MAS-Anhänger und der Covid-Tod des Corona-Leugners und Bürgermeisters der Stadt Entre Ríos am 17. Juni nicht grundlegend etwas geändert haben.

Die Partei des Ex-Präsidenten Morales hat seit dessen Abgang im November 2019 konstant an Zusammenhalt verloren. Sie ist zwar immer noch die wichtigste politische Kraft, aber mittlerweile in mindestens drei Fraktionen gespalten:

  • Die Kokabauern des Chapare und sie vertretende Politiker, welche teilweise gewalttätige und bewaffnete Proteste gegen die Regierung betreiben.
  • Vertreter des MAS die – verbal unterstützt durch den exilierten Morales – politische Obstruktion propagieren.
  • Moderatere MAS-Politiker – insbesondere aus El Alto –, welche die Interimsregierung kritisieren, aber in begrenztem Umfang mit ihr zusammenarbeiten.

In der Legislative haben sich diese drei Fraktionen nach Monaten tiefer Zerwürfnisse zuletzt wieder zusammen-gefunden, insbesondere in der Verhinderung der Auszahlung von Corona-Hilfen des IWF in Höhe von 327 Millionen US-Dollar an die Regierung sowie in der Verabschiedung eines neuen Gesetzes zum Ausnahmezustand, dass die Möglichkeiten der Exekutive zur Sanktionierung von Unruhestiftern durch Geld- und Haftstrafen drastisch einschränkt und der Legislative Vorrechte zur Aufhebung einräumt.

So mischen sich im ärmsten Land Südamerikas drei kaum zu vereinbarende Zielsetzungen zu einer komplexen Gemengelage. Das Interesse am Gesundheitsschutz kollidiert mit der Vermeidung einer Rezession und den daraus resultierenden wirtschaftlichen und sozialen Effekten. Hinzu kommt die Notwendigkeit zu baldigen Neuwahlen, die eine nicht mit der Legitimität einer gewählten Regierung ausgestattete Interimsregierung in einem Umfeld herbeiführen muss, dass durch einen politischen Epochenwechsel, Fragmentierung, Polarisierung, Misstrauen und schwache Institutionen gekennzeichnet ist.

Ausblick

Für die Regierung Áñez bedeutet die aktuelle Situation einen Tanz auf Messers Schneide, der mit Potenzialen aber auch mit großen Risiken verbunden ist: Trotz der beschriebenen Probleme profitierte die Interimsregierung lange von der Krise, da sie nach Meinung des Großteils der Bevölkerung auf medizinisch-technischer Ebene sinnvolle Entscheidungen traf. Áñez‘ wichtigste Gegner im pausierten Wahlkampf – Luis Arce und Carlos Mesa – litten lange Zeit unter der Omnipräsenz der Präsidentin und ihres positiv wahrgenommenen Krisenmanagements.

Laut einer Umfrage im April[iii] beurteilen 63,4% der Bevölkerung das Krisenmanagement der Interimsregierung positiv, lediglich 15,6% als negativ. Ein ähnliches Bild ergab sich für die generelle Arbeit von Áñez als Interimspräsidentin: 64,1% bewerten ihre Arbeit positiv, während 25% ihre Arbeit kritisch sahen. Seitdem hat sich der Eindruck von der Arbeit der Präsidentin und der Regierung jedoch aus den genannten Gründen eingetrübt. Dennoch wird sich das Rennen um die Präsidentschaft aller Wahrscheinlichkeit nach zwischen drei Kandidaten entscheiden:

  • Jeanine Áñez (Mitte-Rechts-Koalition „Juntos“, Vizepräsidentschaftskandidat ist der Politiker und Unternehmer Samuel Doria Medina),
  • Luis Arce (Linkspartei MAS, Vizepräsidentschaftskandidat ist der ehemalige Außenminister David Choquehuanca)
  • Ex-Präsident Carlos Mesa (Mitte-Links-Koalition „Comunidad Ciudadana“, Vizepräsidentschafts-kandidat ist der Anwalt Gustavo Pedraza).

Die weiteren Kandidaten, darunter auch Luis Fernando Camacho aus Santa Cruz, haben nur regionale oder keine entscheidende Bedeutung im kommenden Urnengang.[iv]

Bis zu einer endgültigen Bestätigung des vom OEP vorgeschlagenen Termins 6. September für die Neuwahlen zu Präsidentschaft und Kongress, befindet sich die Interimsregierung in einer schwierigen Situation. Es ist zudem denkbar, dass eine Eskalation der Pandemie-Situation auch diesen Termin noch unmöglich machen kann. Zwar kann sie sich in der Pandemie als Krisenmanager präsentieren, jedoch kann dies nur gelingen, solange sich die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen in Grenzen halten. Darüber hinaus muss die Interimsregierung aus einer angreifbaren Position heraus schwerste Abwägungen zwischen Pandemie-Bekämpfung, demokratischen Rechten sowie sozialem und wirtschaftlichem Wohlergehen treffen.

Dass es trotz der angespannten Lage bislang noch nicht zu größeren Unruhen oder Gewaltausbrüchen kam, liegt vor allem an der mehrfachen Spaltung des MAS und der noch anhaltenden Geduld der Mehrheit der Bolivianer. Die angespannte Stimmung kann aber mit einsetzender Rezession, zunehmenden Diskussionen über die Amtsführung der Regierung, drängenderen Forderungen nach Neuwahlen und Reaktivierung der Wirtschaft auch schnell umschlagen. Drohungen aus dem Lager der MAS-nahen Gewerkschaften und Vorfeldorganisationen lassen daran keinen Zweifel.

Die Auflösung dieses bolivianischen Dilemmas ist deshalb extrem schwierig und der Weg dorthin wird für die Regierung Áñez von fundamentalen Abwägungen zwischen Gesundheit, Demokratie und Wirtschaft gepflastert sein – diese müssen schnell und entschlossen getätigt werden, soll das Land nicht wegen einem oder mehreren dieser drei Faktoren im Chaos versinken, oder wie Analyst Franklin Pareja beschreibt:

„Wir bewegen uns auf Wahlen zu mit einem Gesundheitssystem, das am Rande des Zusammenbruchs steht, einer Wirtschaft in der Rezession, einer verzweifelten und verärgerten Bevölkerung, überforderten Ordnungskräften und einer Konfrontation der staatlichen Organe; deshalb ist es notwendig, die multifaktorielle Krise zu entschärfen, wofür, ohne ihnen magische Qualitäten zuzuschreiben, Wahlen zu einem Imperativ geworden sind.[v]

 

[i]       Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass Geringqualifizierte aus dem informellen Sektor nach der Krise nur schwer wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen können. Zum anderen sind Kinder aus armen Verhältnissen stärker vom eingeschränkten Bildungsangebot betroffen, da sie über einen schlechteren Zugang zu Onlinebildungsangeboten verfügen.

[ii]      Der Skandal dreht sich um den Kauf von 170 Beatmungsgeräten, welche Bolivien mithilfe eines Kredits der interamerikanischen Entwicklungsbank erstand. Nach Meldungen verschiedener Medien, dass der Kaufpreis mehr als vier Mal so hoch sei wie der offizielle Produktpreis, leitete Áñez eine Ermittlung in die Wege. Schließlich enthob sie Gesundheitsmister Navajas seines Amtes. Gegenwärtig ermittelt die bolivianische Justiz gegen drei Beamte des Gesundheitswesens und zwei Funktionäre der interamerikanischen Entwicklungsbank. Zuvor trat am 8. April Aníbal Cruz aus persönlichen Gründen vom Amt des Gesundheitsministers zurück und wurde durch Marcelo Navajas ersetzt. Navajas wiederum wurde am 20. Mai im Zuge des Skandals um Beatmungsgeräte aus dem Amt des Gesundheitsministers entfernt. Gegenwärtig fungiert die bisherige Vizegesundheitsministerin, Eidy Roca, als Interimsgesundheitsministerin.

[iii]     Ciesmori: Informe de opinion pública. Encuesta CATI Abril 2020.

[iv]     Quiénes son los ocho candidatos que se postularon a la presidencia de Bolivia, online unter: https://www.infobae.com/america/america-latina/2020/02/04/quienes-son-los-ocho-candidatos-que-se-postularon-a-la-presidencia-de-bolivia/

[v]      Franklin Pareja: „Elecciones en tiempos de pandemia“, in: KAS Bolivia, Andean Policy Papers, S.34. (noch nicht veröffentlicht)

[i]       Siehe hierzu unsere Länderberichte „Wahlen unter schwerem Verdacht“, online unter: https://www.kas.de/de/laenderberichte/detail//content/bolivien-wahlen-unter-schwerem-verdacht und „Boliviens Interimsregierung in der Machtprobe“, online unter: https://www.kas.de/de/laenderberichte/detail/-/content/boliviens-interimsregierung-in-der-machtprobe .

[ii]      Im Vergleich zu den Infektionszahlen anderer Länder mag dies wenig erscheinen, jedoch muss in die Beurteilung auch die Qualität des jeweiligen Gesundheitssystems einfließen: In Bolivien wäre eine massive Ausbreitung des Coronavirus äußerst folgenschwer, da es lediglich über 11 Krankenhaus-betten und 16 Ärzte pro 100.000 Einwohner verfügt. Das ist im lateinamerikanischen Ländervergleich die niedrigste Abdeckungsquote.

[iii]     Bolivia: el espectáculo de la pandemia y el poder, online unter: https://www.dw.com/es/bolivia-el-espect%C3%A1culo-de-la-pandemia-y-el-poder/a-53865666

[iv]     Die Weltgesundheitsorganisation erwartet den Höhepunkt der Coronavirus-Pandemie in Bolivien in der ersten Augustwoche.

[v]      CEPAL baja proyección de crecimiento para Bolivia de 3% a -3% por el COVID-19, online unter: https://www.la-razon.com/economia/2020/04/21/cepal-baja-proyeccion-crecimiento-bolivia-3-covid-19/

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