Veranstaltungsberichte
Die Stiftung Milenio hat mit der Unterstützung der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) am Mittwoch, den 5. Februar, im Restaurant Vienna ihre Publikation Wirtschaftskolloquium No 27 vorgestellt. In dieser Ausgabe geht es um den Fiskalpakt. José Espinoza, Roberto Laserna, Germán Molina, Mauricio Ríos und Carlos Shlinck behandeln die Leitlinien des Fiskalpakts, analysieren Rent-Seeking und umreißen eine Vision für Santa Cruz.
Die Willkommensansprache hielt Dr. Iván Velasquez, der die Tragweite des Fiskalpaktes erklärte. Ihm zufolge braucht Bolivien einen Fiskal – und Sozialpakt, allerdings muss das Land auch seine Policies so umgestalten, dass eine Chancengleichheit und eine wirkliche Gleichheit vor dem Gesetz entsteht. Daher müssen die Partizipation und der öffentliche Diskurs in weiten Bereichen verstärkt werden. Gleichzeitig müssen die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte, die in der Verfassung von 2009 verankert sind, vorangebracht werden.
Des Weiteren erklärte Dr. Velasquez, dass das Aufheben von Ungerechtigkeiten durch den Fiskalpakt eine Rechtsgleichheit auf allen Ebenen beinhalten muss. Die Bolivianer müssen Zugang zu Wohlstand und Anerkennung haben. Außerdem muss Chancengleichheit bzw. Gleichberechtigung beim Zugang zu verschiedenen Gütern geschaffen werden, insbesondere was Bildung, Gesundheit, Arbeit, Wohnung, Basisdienstleistungen, Umwelt und die soziale Sicherheit auf nationaler und regionaler Ebene betrifft.
Empirische Daten haben deutlich gemacht, dass der benötigte Konsens für einen Pakt, der die Gleichheit fördert, schwierig zu erreichen sein wird. Zahlreiche Studien haben die politischen und institutionellen Schwächen der lateinamerikanischen Länder aufgezeigt, die dazu führen, dass sich die Mandate nicht in repräsentative, stabile und kohärente Policies niederschlagen. Verschiedene Autoren haben hervorgehoben, dass Institutionalität und Anreize für die Entwicklung von Policies mit einer besseren wirtschaftlichen und sozialen Leistungsfähigkeit ein vorteilhaftes Szenario bieten, um einen Konsens zu erreichen.
Zuletzt merkte er an, dass der Fiskalpakt als grundlegende soziopolitische Einigung verstanden werden muss, die die Rolle der Regierung und den Umfang und das Ausmaß der staatlichen Verantwortung im wirtschaftlichen und sozialen Bereich legitimiert. Ein zentraler Aspekt dieser Definition ist, dass der „Fiskalpakt“ das Ergebnis der Übereinkunft der politischen und wirtschaftlichen Akteure und Vermittler ist. Er verleiht dem Staat Legitimität, seine Verantwortung für das Allgemeinwohl und seine wirtschaftlichen aber auch sozialen Kompetenzen zu erweitern.
Anschließend stellten die Autoren die Publikation vor. Den Autoren zufolge lädt die Komplexität des autonomen Regimes in Bolivien – mit einer neuartigen territorialen Struktur und erweiterten Kompetenzansprüchen – dazu ein, die institutionelle Ausgestaltung des Fiskalpakts, vorgesehen im LMAD, dem Rahmengesetz über Autonomien und Dezentralisierung, als eine der größten Herausforderungen in der Durchführung dieser tiefgreifenden Dezentralisierung zu betrachten. Eine neue Form der Fiskalsteuerung mit neuen Instrumenten der dezentralisierten Verwaltung wird benötigt. Diese braucht - ohne theoretische Kenntnisse oder Erfahrungen in der Vergangenheit – ein präzises Konzept, welches sich an den Anforderungen des Reformprozesses des Fiskalsystems orientiert.
Sie erwähnen weiterhin, dass auf der politischen Ebene ein politischer Akteur mit entscheidender Macht und Fähigkeit existiert, der Entscheidungen beeinflussen kann. Dieser Akteur – die Opposition – hat eine bedeutende politische Präsenz im Großteil des nationalen Territoriums, eine konsolidierte Führungsrolle, die über politische Ressourcen und über Regierungsmacht verfügt. In der Opposition existieren politische Kräfte, die sich in der Wiederherstellung befinden, mit je nach Territorium unterschiedlicher Präsenz und mit institutioneller Macht. Aber sie haben eine signifikante Präsenz in einigen entscheidenden Regionen, in welchen Rohstoffe gewonnen werden, welche dem Staat hohe Einkünfte bringen.
Die politischen Akteure werden in zwei komplexe und entscheidende Wahlen eintauchen: die nationalen Wahlen 2014 und die Wahlen in den Autonomiegebieten Anfang 2015. Die Anstrengungen werden darauf bedacht sein, das politische Gleichgewicht auf nationaler und territorialer Ebene zu erhalten bzw. wiederherzustellen. Viele dieser politischen Akteure, die wichtig für den Fiskalpakt sind, werden ihre Einflussmöglichkeiten nach dem Wahlkalender richten.
Des Weiteren gibt es den Autoren zufolge Polarisierungen in der politischen Meinung. Obwohl dies in der letzten Zeit immer nuancierter wurde, gibt es Misstrauen zwischen den Akteuren. Die Frage nach den Autonomien wurde zu einem Prinzip für die meisten politischen Akteure, aber die Interpretationen über die Reichweite und Auswirkungen sind sehr unterschiedlich. Es gibt außerdem eine starke Beteiligung von sozialen, korporativen Organisationen in unterschiedlichen Bereichen der Regierungspolitik. Diese stellt neue Herausforderungen für die Gestaltung der Partizipationsprozesse dar.
Die neue Verfassung und das Rahmengesetz über Autonomien und Dezentralisierung (LMAD) schaffen neue Inhalte und Fristen für die Realisierung eines Fiskalpakts. Diese erzeugen ebenfalls Entwürfe der Koordinierung zwischen Regierungsebenen, die mit einbezogen werden müssen. In den letzten Jahren hat sich außerdem eine breite Gesetzgebung über die Implementierung von Policies auf nationaler und subnationaler Ebene entwickelt, die nicht nur den Fiskus betrifft.
Nach den Vorträgen der Autoren konnten die Zuhörer Fragen stellen und die Veranstaltung wurde mit einem Empfang beendet.