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Veranstaltungsberichte

Journalismus, Diktatur und Demokratie, 40 Jahre nach dem Putsch Banzers

Gesprächsrunde der Journalistenvereinigung von La Paz (APLP)

Am 19. August 2011 fand die Gesprächsrunde der Journalistenvereinigung von La Paz zum Thema „Journalismus, Diktatur und Demokratie; 40 Jahre nach dem Putsch Banzers“, eine Veranstaltung organisiert von der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) und der APLP, statt. Die vier eingeladenen Vortragenden waren: Juan León (Journalist), Teddy Molino Chacón (Journalist und Generalsekretär der APLP), Pedro Glasinovic V. (Journalist, Präsident der APLP und Co-Leiter der Tageszeitung „La Patria“) und Filemón Escobar (ehemaliger Senator Boliviens und Schriftsteller).

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Susanne Käss, Vertreterin der Konrad-Adenauer-Stiftung in Bolivien begrüßte die Anwesenden und hielt eine kurze Eingangsrede über die Bedeutung des Journalismus zu Zeiten der Diktatur sowie der Demokratie. Sie betonte, dass es ohne mutige Journalisten, die sich für die Einhaltung demokratischer Werte und insbesondere der Meinungfreiheit einsetzten, in Bolivien und auch anderen Ländern nie möglich gewesen wäre die Diktatur zu beenden. Des Weiteren machte sie das Publikum darauf aufmerksam, dass wir heutzutage in Zeiten der Demokratie unsere Freiheiten viel zu oft als selbstverständlich ansehen. Es sei deshalb essentiell kritisch zu reflektieren und jeden Tag die demokratischen Werte und Prinzipien zu verteidigen.

Anschließend gab Antonio Vargas, Koordinator der APLP, eine Einführung in das Thema der Diktatur in Bolivien und den Putsch Banzers, indem er den Kontext der Ereignisse der 70er Jahre vorstellte. So sprach er über den Kalten Krieg, von dem der ganze amerikanische Kontinent betroffen war, das Problem der Armut während dieser Zeit, die Lateinamerikanischen Dikaturen in den 70er Jahren, die Verstaatlichung der natürlichen Ressourcen und die damit verbundenen Konflikte, die Gründung des Volksparlamentes und die Regierung Torres von 1970. Nach sieben Jahren der Diktatur, während der alle Parteien und Gewerkschaften verboten waren und der Großteil der Opposition innhaftiert bzw. verfolgt wurde, führte Oberst Banzer, unterstützt vom Ausland durch Brasilien und vom Inneren des Landes durch einen Teil der Armee, einen Staatsputsch am 19. August 1971 aus. Banzer rechtfertigte „dass er im Namen des christlichen Nationalismus, um sein Land aus dem utopischen Extremismus zu führen, ein anarchisches Regime zu beenden und das Chaos durch die Ordnung zu ersetzen, handele“. Die vier Referenten berichteten, dass sie selbst Opfer der Diktatur waren indem sie näher auf die Rolle der Presse während dieser Zeit eingingen. Dies wurde eindrucksvoll durch ihre persönlichen Erfahrungen aus der Medienlandschaft, unter anderem den grossen bolivianischen Zeitungen „El Diario“ oder „La Presencia“ ergänzt.

In seiner Presentation über „Die Rolle des Journalismus zu Zeiten der Diktatur und der Demokratie“, zeigte der erste Refernt Hr. León als Beispiel viele historische Parallelen zwischen dem Journalismus zu Zeiten der Diktatur und der heutigen Presselandschaft in Bolivien auf. Desweiteren ging er näher auf die Zensur der Presse während der Diktatur ein und berichtete, dass Information die nicht im Interesse des Regimens waren nicht an die Öffentlichkeit geraten konnten, abgesehen von den Veröffentlichungen der internationen Presse. Als Antwort darauf waren die Journalisten darauf angewiesen andere Formen der Veröffentlichung von regierungskritischen Artikeln zu finden um ihrer sozialen Verantwortung als Informant der Öffentlichkeit gerecht zu werden. Auch aus diesen Gründen wurde während dieser Zeit die Zeitung „La Prensa“ als Syndikat der Presse gegründet, in der die Journalisten teilzeitmässig und ohne Bezahlung arbeiteten aus persönlicher Motivation, die Bevölkerung weiterhin unabhängig zu informieren. León verglich diese Zeit mit der „Pressezensur“ heutzutage in Bolivien. In diesem Kontext, sprach er über das Ley de Telecomunicaciones (Telekommunikationsgesetz), welches im Mai von der Regierung verabschiedet wurde und erklärte, dass bedauerlicherweise das Wahlorgan die Kontrolle darüber habe, was und wie über die Kanditaten der Richterwahlen berichtet wird. Heutzutage sei, laut León, der Kampf für die freie Meinungsäusserung und Pressefreiheit viel mehr als nur die Arbeit der Journalisten zu verteidigen. Es gehe vielmehr darum, die Gerechtigkeit zu verteidigen und mutwillige Gesetzesverstösse (seitens der Regierung) zu unterbinden.

Der zweite Vortrag „Die unumgängliche Intervention von ‚El Diario’ zur Verteidung des Rechtes zu arbeiten“ begann mit einer Schweigeminute für alle Journalisten die für die Verteidigung der Pressefreiheit und der freien Meinungsäusserung während der Diktatur gestorben sind. Anschliessend berichtete der Refernt Herr Molino von seiner Arbeit für die Zeitung “El Diario” in Zeiten der Diktatur. In seiner Jugend wurde er, genau wie seine Freunde, Mitglied in einer Partei und fand Inspiration in vielen linksgerichteten Büchern. Auf einer ihrer Arbeitsreise assistierten Molina und seine Freunde der Versammlung der Mienenarbeiter, um, laut Sr. Molina, „den Mienenarbeitern beizubringen, was Klassenkampf bedeutet“. Mit den Arbeitern gemeinsam nahmen sie an vielen Kundgebungen in La Paz gegen die Diktatur teil. Während der Torres- Regierung trat Herr Molino der Tageszeitung “El Diario” bei, mit dem Ziel die Arbeit der Journalisten zu verteidigen, welche in vielen Fällen von der Regierung verfolgt wurden. Molino gab an, dass letzendlich 80 Prozent der Journalisten ins Exil flüchten mussten. Trotzdem, die Journalisten die geblieben waren, hatten keine Angst sondern die Hoffnung, dass „wir fortfahren um unser Volk zu schützen“.

Der dritte Referent, Herr Glasinovic, sprach in seiner Präsentation „Formen des Schutzes der Meinungsfreiheit in der Diktatur“ über seine Arbeit als Journalist während der Diktatur. Er erzählte wie ihm, genau wie seinen Kollegen, Gerüchte von einem Putsch zu Ohren kamen woraufhin sie sich aufteilten um in verschiedenen Quellen nach Hinweisen zu suchen. Herr Glasinovic berichtete ausserdem wie er in seiner Arbeit als Journalist Zeuge von Bewegungen gegen das Regime wurde. Protestler drückten damals ihren Unmut gegen die Regierung öffentlich in einem Generalstreik auf dem Plaza de San Francisco in La Paz aus. Er selbst war damals anwesend, um einige Interviews mit Schlüsselpersonen des Konfliktes zu führen. Neben seiner Arbeit als Journalist im Verborgenen sprach Glasinovic über die Presse während der Diktatur im Generellen; er berichtete von geheimen Treffen und alternativen Formen der Recherche und Kommunikation um die existierenden Zensur zu umgehen. Obwohl er und seine Kollegen wussten, dass ihre Arbeit lebensgefährlich war, wurden sie angetrieben von der Motivation einen Beitrag zur Verteidigung der Demokratie zu leisten.

Herr Escobar, als letzter Referent, sprach in seinem Vortrag über „Den Journalismus und seine Rolle in der Eroberung der Demokratie“. Er betonte dabei besonders die Tatsache, dass Bolivien stets Vorreiter und Referenz der Länder des „Cono Sur“ (die Länder unterhalb des südlichen Wendekreises) war. Demnach begann in Bolivien nicht nur die Unabhängigkeitsbewegung von den Kolonialmächten, welche letzendlich zur Unabhängigkeit Lateinamerika’s führte, sondern auch die erste Eroberung der Demokratie. Er gab an, dass nach den Aufständen gegen den bolivianischen Diktator Banzer unter anderem Chile und Argentinien sich ein Beispiel nahmen und- bestärkt durch den Erfolg der Aufständigen in Bolivien- ebenfalls das Ende der Diktatur forderten.

Ausserdem sprach Herr Escobar über den Unterschied der Zensur und der Selbstzensur in Zeiten der Diktatur in Bolivien. Unter Zensur verstehe man demnach Aktionen einer Regierung mit dem Ziel bestimmte Informationen und Meinungen in den Kommunikationsmedien zu unterdrücken. Die Selbstzensur wird hingegen als selbstgewählte Antwort auf Angst durch Repression definiert. Man versteht dieselbe auch als eine präventive Aktion der Medien um juristischen Strafen vorzubeugen. Herr Escobar schloss seinen Vortrag mit einigen Worten zur aktuellen Lage der Demokratie Boliviens ab, indem er den Zuhörern darlegte, dass Bolivien unter einem demokratischen Defizit leide und viele Probleme im Land existierten, über die die Medien sich weder informieren noch darüber berichteten. In diesem Kontext erwähnte er auch die anstehenden Richterwahlen, die kontrovers seien und empfahl dem Publikum, ihre Stimmen ungültig abzugeben um die Demokratie und Pressefreiheit des Landes zu verteidigen.

Der Abend wurde durch eine angeregte Diskussionsrunde, in der dem Publikum die Möglichkeit gegeben wurde Fragen an die Referenten zu stellen, beendet. Einige Teilnehmer brachten dabei ihre eigenen persönlichen Erfahrungen aus der Diktatur mit in die Diskussion ein, was die Gesprächsrunde positiv erweiterte.

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