Veranstaltungsberichte
Am 8. Mai präsentierte das Regionalprogramm „Politische Partizipation Indígena“ (PPI) der Konrad Adenauer Stiftung das Buch „Konsultationsrecht der indigenen Völker Lateinamerikas“ im Hotel Radisson in La Paz. Das Buch enthält eine Zusammenstellung der Lage des Konsultationsrechts in verschiedenen lateinamerikanischen Ländern wie Bolivien, Brasilien, Kolumbien, Guatemala, Mexiko, Panama und Peru. Die Autoren der verschiedenen Kapitel, Vladimir Ameller/ Diego Chávez (Bolivien), André Fernando (Brasilien), Guillermo Padilla (Kolumbien), Guisela Mayén (Guatemala), Leticia Aparicio (Mexiko), Jorge Panay (Panama) und Mirva Aranda (Peru) beschreiben die rechtlichen Fortschritte in Bezug auf die Anerkennung dieses Rechts in den genannten Ländern, sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Anschließend wird in den Kapiteln die tatsächliche Durchführung der vorherigen Konsultation in den verschiedenen Ländern analysiert.
Dieses Thema enthält ein hohes Konfliktpotenzial, weswegen das Ziel dieses Buches ist, einen Dialog zwischen den Akteuren, die am Prozess der vorherigen Konsultation beteiligt sind, zu schaffen. Diese Akteure sind der Staat, die Unternehmen und die indigenen Völker selbst. In dieser Publikation wurde die Sichtweise jedes Akteurs untersucht, da nur ein besseres Verständnis für alle Sichtweisen hilft, eine friedliche Handhabung dieses Prozesses zu erreichen und damit einen echten demokratischen Mechanismus zu etablieren.
Basierend auf dieser Analyse unterbreiteten die Autoren Vorschläge im Bezug auf wie man die verschiedenen Sichtweisen miteinander vereinbaren kann und somit einen wirksamen und ausgewogenen Dialog zwischen den verschiedenen Parteien zu schaffen.
Die Buchpräsentation bestand aus der Vorstellung der Kapitel über das Konsultationsrecht in Panama, Guatemala und Bolivien durch die jeweiligen Autoren (Jorge Panay, Guisela Mayén und Vladimir Ameller). Anschließend kommentierten José Antonio Viera Gallo, ehemaliger chilenischer Staatsminister und Carlos Mamani, ehemaliger Präsident des ständigen Forums über indigene Fragen der Vereinten Nationen und Forschungskoordinator im Bereich Geschichte an der bolivianischen Universität San Andrés, das vorgestellte Buch.
Buchvorstellung
Der erste Referent, Jorge Panay, sagte, dass obwohl Panama das Abkommen 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) nicht unterzeichnet hat, die Rechte der indigenen Völker im Land dennoch, dank der indigenen Aufstände, vor allem des Volkes der Ngäbe, gestärkt wurden. Diese Aufstände haben ein Bewusstsein über die Thematik in der gesamten panamaischen Bevölkerung ausgelöst. Viele der ausbeutenden Projekte finden in indigenen Territorien statt, die per Gesetz definiert und geschützt sind. Dennoch wird auf die vorherige Konsultation meist verzichtet, da entweder der Staat bereits schon Lizenzen verteilt hat oder die Unternehmen nicht bereit sind, die zusätzlichen Kosten einer vorherigen Konsultation zu tragen. Folglich sind die Herausforderungen der vorherigen Konsultation in Panama, dass (1) die Gesellschaft die Entwicklung der indigenen Völker akzeptieren und fördern muss, (2) die vorherige Konsultation institutionalisiert werden muss und (3) ein gesellschaftliches Vertrauensverhältnis aufgebaut werden muss.
Anschließend folgte die Präsentation von Guisela Mayén, die zusammenfasste, dass die gesetzlichen Regelungen in Guatemala nicht eingehalten werden. Sie machte ihre Schlussfolgerung an zwei Beispielen deutlich: Der Fall der Marlin Mine und des Zement-Unternehmens „Progresos“. In der Regel finden in Guatemala Konsultationen statt, jedoch nur auf Gemeindeebene, das heißt, dass diese nur von den Gemeinden selbst oder den jeweiligen Unternehmen einberufen werden. Das Abkommen 169 der IAO sieht jedoch vor, dass der Staat die Konsultation einberufen und durchführen muss. Seit 2004 wurden in Guatemala 67 nicht bindende Konsultationen auf Gemeindeebene durchgeführt. 60 davon im Bereich Bergbau, fünf im Bereich Wasserkraft und zwei in der Ölförderung. Die Herausforderungen für Guatemala zu diesem Thema sind die Wertschätzung des Dialogs, der gegenseitige Respekt, die Nichtdiskriminierung und die Verbindung der widerstreitenden Interessen.
Als dritter Referent sprach der Bolivianer Vladimir Ameller. Er erläuterte die verschiedenen Sichtweisen in Bezug auf das Konsultationsrecht in Bolivien. Der Staat hat dabei die meisten und sensibelsten Aufgabenbereiche in diesem Prozess. Die Indigenen suchen dabei aber nicht nur die Konsultation, sondern das Einverständnis und die Unternehmen sind der Meinung, dass die Konsultationen tendenziös sind und sie sie deswegen nicht durchführen. Die Praxis zeigt jedoch, dass die Konsultationen zwar nicht bindend sind, aber sie dennoch einen Einfluss auf die öffentlichen Maßnahmen haben. Dennoch ist es fraglich, ob die vorherige Konsultation wirklich sinnvoll ist, wenn man sich die dabei entstehenden Kosten, Konflikte etc. bewusst macht und die Entscheidung letztendlich doch von den Behörden getroffen wird. Gleichzeitig stellte der Autor die Frage, ob das Recht auf vorherige Konsultation nur ein Recht der indigenen Völker sein sollte oder auch in anderen Gesellschaftsbereichen zum Tragen kommen solle.
Kommentare
Der erste Kommentar zu dem Buch kam von José Antonio Viera Gallo, der zu dem Schluss kam, dass in allen vorgestellten Ländern in diesem Buch Einschränkungen im Konsultationsrecht bestehen. Das Problem in diesem Prozess sei, dass dieser nicht von einem kulturellen Wandel begleitet wurde. Der Staat hat dabei definitiv die sensibelsten Aufgaben, doch um effektiv zu arbeiten muss der Staat für das Gemeinwohl des ganzen Landes sorgen. Dies bedeutet jedoch, dass das Gemeinwohl auch gegen indigene Interessen gehen kann. Andererseits müssen die indigenen Völker, um das Recht auf vorherige Konsultation legitimieren zu können, an dem Prozess der vorherigen Konsultation aktiv teilnehmen und ihn nicht aufhalten. Die Unternehmen hingegen müssen die indigenen Völker in ihre Investitionsvorhaben einbinden. Der Kommentator glaubt, dass es eine mögliche Lösung sein könnte, aus den erfolgreichen Erfahrungen auf lokaler Ebene zu lernen.
Der zweite Kommentar folgte von Carlos Mamani. Er machte deutlich, dass obwohl verschiedene Akteure am Prozess der vorherigen Konsultation beteiligt sind, der Staat die Verpflichtung hat diese Konsultation durchzuführen. Dabei gibt es Möglichkeiten Druck auszuüben wie zum Beispiel dieses Recht vor dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte einzuklagen. Der Kommentator nannte diesbezüglich den erfolgreichen Fall von Sarayaku gegen Ecuador. Er kritisierte jedoch, dass immer nur vom Recht auf vorherige Konsultation und nicht vom Recht auf freie Selbstbestimmung der indigenen Völker gesprochen wird. Nach Meinung von Carlos Mamani ist dies der Grund für die zahlreichen Konflikte.