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Veranstaltungsberichte

Kritische Reflexion über die Einführung der neuen bolivianischen Verfassung

Implementierung der neuen bolivianischen Verfassung: Gesetz über das Plurinationale Wahlorgan sowie das Wahlsystem

Mit dem Ziel eine Debatte und Analyse über die Einführung der neuen bolivianischen Verfassung in der Zivilgesellschaft zu kreieren, organisierte die Bolivianische Assoziation der Politikwissenschaften (ABCP) mit der Hilfe der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) ein Seminar über das Gesetz des Plurinationalen Wahlorgans (OEP) und das Gesetz des Wahlsystems (REP), die gerade in der Plurinationalen Legislativversammlung (ALP) gelesen werden.

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Im Hörsaal der Privatuniversität Franz Tamayo (UNIFRANZ) in La Paz fand mit Hilfe der KAS das Seminar, im Rahmen der Veranstaltung „Kritische Reflexion über die Einführung der neuen bolivianischen Verfassung“ statt.

ERSTER TEIL: GESETZ DEs PLURINATIONALEN WAHLORGANS

Susanne Käss, Leiterin der Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Bolivien bekräftigte in ihren Willkommensworten, wie wichtig es sei, die Diskussion und Analyse über das Gesetz des Plurinationalen Wahlorgans in der Zivilgesellschaft sowie innerhalb der Institutionen, die das Gesetz konstruieren, voranzutreiben und dass die sich ergebenden Schlussfolgerungen und Vorschläge Einfluss bei der Verabschiedung des Gesetzes durch die ALP haben sollten.

Der Moderator der Veranstaltung, Diego Murillo, seineszeichens Generalsekretär der ABCP, hob den pädagogischen und illustrativen Charakter dieses Typs von Veranstaltung hervor, bevor er das Wort an Marcelo Varnoux weitergab, Präsident der ABCP. Varnoux stellte einige Beobachtungen der ABCP vor:

  1. 1. Anmerkungen zum Plurinationalen Wahlorgan (OEP)

a) Das Projekt der Regierungspartei stört das Institutionalitäts-Prinzip

Zu den Anforderungen, die das Projekt den Wahlkandidaten der departamentalen Wahltribunale stellt, gehören unter anderem die Niederlegung jeglicher Führungsposition in einem Unternehmen, Genossenschaft etc., jedoch nicht in sozialen Bewegungen oder syndikalistischen Organisationen. Nach Meinung der ABCP müssten Führungspositionen letztgenennter Organisationen ebenfalls unter das Verbot fallen, damit nicht private und korporative Interessen ungleich behandelt werden, mehr noch, um eine Meritokratie zu verhindern, die die Transparenz des Gesetzes über das Plurinationale Wahlorgan zerstören würde.

b) Aufgreifen der Idee eines einzigen Identitäts-Dokumentes von Seiten dss Plurinationalen Wahlorgans, so, wie es die neue bolivianische Verfassung vorsieht

Nach den Kriterien der ABCP ist das Thema der Administration des Zivilregisters fundemantal. Aus einer technischen Perspektive aus gesehen sei der Vorschlag der Nationalen Wahlkommission der geeignetste, nämlich die Verwaltung des Identitäts-Registers an das Plurinationale Wahlorgan zu übertragen, da sie sowieso schon das Zivilregister sowie die Biometrieregistration verwaltet. Dass die Verwaltung des Zivilregisters bislang im Aufgabenbereich der nationalen Polizei lag, hatte politische Gründe. In jedem Fall werden die Probleme rund um das Identitäts-Register in Zukunft fortbestehen, sodass man die Idee eines einzigen Identitäts-Dokumentes aufnehmen werden muss.

c) Im Vorschlag der Regierungspartei ist die Ernennung von Kandidaten departamentaler Wahltribunale durch den Präsidenten verfassungswidrig

In der Behandlung des Gesetzes über das Plurinationale Wahlorgan ist durch eine bürokratische Instanz in der Senatorenkammer angeordnet worden, dass der Präsident einen der Kandidaten für die departamentalen Wahltribunale selbst ernennt. Diese Anordnung beruft sich auf Artikel 172 Nummer 21 der bolivianischen Verfassung, der besagt, dass eine der Kompetenzen des Präsidenten die Ernennung seiner Repräsentanten in Gegenwart bzw Rechenschaftsbeziehung zur Wahlkommission ist. Allerdings besagt dieser Artikel nichts von der Ernennung der Kandidaten der departamentalen Wahlkommissionen, sodass die Anweisung in jedem Fall gegen die Verfassung verstößt, hier im Besonderen gegen Art. 206 V, welcher besagt, dass die Befugnis der Bestimmung von Kandidaten der departamentalen Wahltribunale durch 2/3 der Anwesenden der Abgeordnetenkammer erfolgt, sowie dann auch die Wahl der Kandidaten.

Dr. Amalia Oporto, Mitglied der aktuellen Nationalen Wahlkommission (CNE), präsentierte die organisatorischen und institutionellen Vorschläge ihrer Institution:

    1. a) Neue Funktionen: Die Bekleidung einer fünften Staatsgewalt im Rahmen einer neuen Institutionenhierarchie, Einführung einer Wahlgesetz-Initiative, einer generellen Wahlverwaltungs-Instanz, die Möglichkeit der Konsultation und Klärung von Konflikten und Kontroversen in Bezug auf die Wahlen, ständige Vertretung für die Tribunale, die baldige Garantie der Geschlechtergleichheit sowie die gleichberechtigte Partizipation der indigenen und afrobolivianischen Bevölkerung, verbesserte Zusammenarbeit der Personenregister-Institutionen sowie die Einrichtung einer Anstalt zur demokratischen und politischen Bildung.
    2. b) Innovationen: Eingliederung der Wahlgerichtsfunktion für Belange des Personals des Tribunals sowie in Sachen Autonomie der departamentalen Tribunale
Anschließend übernahm Senator Maldonado (MAS) das Wort, der die folgenden Punkte und Statements besprach:

    1. a) Der Senat ist in Zusammenarbeit mit der Abgeordnetenkammer dabei, eine technische Analyse der Debatte über die Gesetze (OEP, REP) zu erstellen im Rahmen der Bedeutung der „Macht vom Volke“, also in Berücksichtigung der vom Volke in Wahlen übertragenen Macht und die daraus resultierende Verantwortung.
    2. b) Aufbau einer interkulturellen Abteilung für Fragen der Demokratie und staatsanwaltlichen Prüfung auf lokalem und regionalem Niveau.
    3. c) Der Senat berät sich über die Frage, ob es rechtens ist, dass ein Kandidat des Wahltribunals vom Präsidenten ernannt und sechs durch die Legislativversammlung bestimmt werden.
    4. d) Das Projekt des Gesetzes über das Plurinationale Wahlorgan würde die spezifisch kommunitären sowie die herkömmlichen demokratischen Strukturen effektiv inkludieren.
    5. e) Das Gesetzesvorhaben würde die Kandidaten für die Wahltribunale besser einstufen, weil momentan eher die akademische Bildung sowie die Nichteinmischung politischer Pasrteien berücksichtig wird.
    6. f) Bereits geplante Termine für die Erneuerung der Identitäts-Registers, für die Neuerung der Wahlbehörden sowie für die Bildung einer interinstitutionellen Institution um die genannten Prozesse voranzutreiben.
Hiernach erklärte Elizabeth Reyes von der Nationalabteilung folgende Punkte:

    1. a) Die Wichtigkeit des Gesetzesvorhabens OEP ist besonders hinsichtlich der Veränderungen der Sicherheit der Wahl gegeben, um die Wahlbetruge zu vermeiden, die sich in der Vergangenheit ereignet haben.
    2. b) Die Aufstellung der Kandidaten sollte nicht durch soziale Organisationen, sondern vielmehr durch Selbstbewerbung geschehen.
    3. c) Die Bemühungen der Dezentralisation innerhalb des Gesetzesvorhabens sind unzureichend.
    4. d) Prinzipien der repräsentativen Demokratie stärker berücksichtigen, damit auch die indigenen Landbewohner hinreichend repräsentiert werden.
Den Höhepunkt des ersten Teils der Veranstaltung stellte eine Fragerunde dar. Die Teilnehmer informierten sich über die Möglichkeiten, das Zivilregister zuverlässig zu gestalten, über die übermäßige Einmischung der Regierun in diesem Bereich, die Formalia der Wahl der Tribunal-Mitglieder, sowie über einige Technika des Wahlsystems. Nach einer Pause schloss sich die Debatte über das Gesetz über das Wahlsystem (REP) an.

ZWEITER TEIL: GESETZ ÜBER DAS WAHLSYSTEM

Marcelo Varnoux, Präsident der ABCP war der erste, der das Gesetz REP kommentierte:

  1. 2. Das plurinationale Wahlsystem (REP)
a) Wiederaufnahme des Repräsentationsprinzips

Die Wurzel der hervorgerufenen Probleme bezüglich des Wahlsystems in den departamentalen Parlamenten sind verschiedene Defizite im Gesetz 4021, das im letzten Jahr erlassen wurde. Die ABCP schlägt vor, dem Repräsentationsprinzip vermehrte Beachtung zu schenken, welches das Wahlgesetz durch entsprechende Mechanismen dazu bringen würde, eine gerechte Repräsentation des Volkes hervorzubringen; Sodass weder eine Überrepräsentation der Mehrheit, noch einzelner Regionen, noch der ländlichen Regionen gegenüber den städtischen existieren könnte. Dieses Prinzip jedoch findet sich nicht in der Planung der Nationalen Wahlkommission.

b) Reduktion der Sanktionen für die Nichtwahrnahme des Wahlrechts

Die bolivianische Verfassung sieht vor, dass die Wahl frei und verpflichtend ist, während Artikel 26, II dieserBestimmung widerspricht, indem er für kommunitär gehandhabte Demokratieausübung eigene (irgendwelche) Wahlmechanismen und –vorschriften vorsieht. Die Nationale Wahlkommission schlägt in ihrem Entwurf Sanktionen für die Nichtwahrnahme des Wahlrechts vor, sowie für Verletzungen von Grundrechten. Artikel 112, II des Entwurfes der Nationalen Wahlkommission besagt daher, dass der Nachweis über den Gebrauch des Wahlrechts innerhalb von 90 Tagen bei der entsprechenden Behörde erbracht werden muss. Falls dies nicht der Fall ist werden demjenigen a) der Zugang zu öffentlichen Ämtern verwehrt; b) der Lohn- und Bezügeerhalt aus öffentlichen Anstellungen nicht gewährt; c) die Möglichkeit genommen, Banküberweisungen zu tätigen; d) sowie die Nichtgewährung von Pass-Ausstellungen.

Die ABCP stellt der Wahlverpflichtung zwar nichts entgegen, doch setzt sich sie für eine erhebliche Minimierung der Sanktionen ein, denn während des fünftägigen Wahlzeitraumes können Wähler und Wählerinnen ohne Bescheinigung über die Geltendmachung ihres Wahlrechts weder Amtsgänge noch Bankaktionen ausführen.

c) Wiederherstellung der transparenten Finanzierung politischer Parteien durch öffentliche Gelder

Das CNE-Gesetz sieht vor, dass die Wahlbehörde die Wahlpropaganda für öffentliche Fragen und Referenden in Radio und Fernsehen verwaltet. Momentan existiert eine gravierende Schieflage, da die Bürokratie über bedeutende Mittel verfügt, die sie in Wahlkampagnen investieren und so indirekt ihre favorisierten Kandidaten bevorteilen kann. In diesem Sinne schlägt die ABCP vor, die Finanzierung von Parteien durch öffentliche Gelder wiederherzustellen. Die Wahlbehörde würde dann folgende Aufgaben haben:

  1. a) Zuteilung fester Zeiten in Radio und Fernsehen für politische Organisationen jeglicher Art.
  2. b) Zuteilung einer weiteren Sendezeit für politische Organisationen jeglicher Art, die eine Wahl auf nationaler, departamentaler oder kommunaler Ebene gewonnen hat, jedoch unter Einhaltung des Prinzips der Proportionalität.
Im Anschluss bekräftigte Lic. Fernando Arteaga, Generalsekretär des Plenums der Nationalen Wahlkommission, dass dem Gesetz eine angemessene Nachsorge zukommt, besonders den Elementen der Regionalisierung der Wahlkontrolle sowie der Vergrößerung des Kompetenzbereiches der repräsentativen Wahlgerichtsbarkeit. Des Weiteren warb er für den inkludierende Charakter des Gesetzesvorhabens und bemerkte, dass das Gesetz überfällige gesetzliche Lücken fülle.

Senator Moldonado würdigte die Bemühungen der Nationalen Wahlkommission in den beiden vorangegangenen Wahlakten.

Zum Schluss referierte die Abgeordnete Reyes kurz darüber, dass es immer noch keine Gewähr für repräsentative Strukturen gäbe, solange das Mehrheitsprinzip dominiere. Jimena Costa sprach noch einmal die Fortschritte des Wahlsystems an und stimmte darin überein, dass die jetzige Dominanz des Mehrheitsprinzips eine Schlüsselgruppe von Personenen bevorteile.

Nach einigen klärenden Fragen und Erklärungen sorgte ein Vino de Honor für einen runden Abschluss der Veranstaltung.

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