Veranstaltungsberichte
Auf der Veranstaltung zur Buchpräsentation sprach die Repräsentantin der Konrad Adenauer Stiftung, Susanne Käss, die Willkommensworte und eröffnete so das Event. Sie betonte das Interesse der Leser an dem Thema, welches bereits in einer erweiterten dritten Edition publiziert wird. Die erste Veröffentlichung war 2004. Sie unterstrich weiterhin, dass die Probleme des Landes nicht nur wirtschaftlicher Natur sind sondern verschiedene Facetten haben. Es war vor allem der Prozess der Demokratie, der das, was von Laserna heute "ch'enko" genannt wird, verursacht hat. Ch'enko bedeutet Durcheinander oder ungeordnete Überschneidung von Objekten und Prozessen.
Anschliessend kam der Autor selbst zu Wort. Roberto Laserna erläuterte die Veränderungen und Neuheiten der aktuellen Version. Er bezog sich dabei vor allem auf das letzte Kapitel und wies darauf hin, dass er 2004 die Probleme der wirtschaftlichen Ungleichheit nur erahnen konnte. Jetzt, 2011, kann klarer gesagt werden, dass die heterogene Wirtschaft, der ch'enko, neben einigen Vorteilen vor allem bockierende Elemente aufweist und die Demokratie instabiler und schwächer gemacht hat. In diesem Post Skriptum befasst sich Laserna vor allem mit der Konstitutionalisierung des ch'enko durch die Festschrift der Pluralen Wirtschaft in der neuen Verfassung. Weiterhin bedankte sich Laserna für die Teilnahme an der Veranstaltung und die Kritik der Kommentatoren, Gabriel Loza und Fernando Untoja, die im Folgenden ihre Ideen und Anmerkungen vorstellten.
Gabriel Loza kommentierte als Erster das Buch und stellte dabei die Typologie der bolivienischen Wirtschaft, die Laserna aufgestellt hat, heraus. Er macht dabei eine Dreiteilung in die Wirtschaft auf natürlicher Basis, die familiäre Wirtschaft und die merkantile Wirtschaft, wobei mit erster die bäuerliche Landwirtschaft gemeint ist, mit zweiter der informelle Wirtschaft und unter letzter am ehesten eine Art von Kapitalismus verstanden werden kann. In Bolivien sind die ersten beiden Gruppen viel grösser als der letzte. Genau die Haushalte, die in die Marktwirtschaft integriert sind, sind jedoch auch diejenigen, die die höchsten Einkommen haben. Die Gruppen weisen eine grosse Heterogenität auf. Diese Heterogenität ergibt sich nur zu einem Teil aus der Technologie, zu einem anderen aber aus verschiedenen Rationaliäten und kulturellen Mustern, d.h. die Ziele der Wirtschaftseinheiten, ihre Kriterien für die Verteilung der Mittel und ihre Beziehung zum Markt sind für verschieden für die einzelnen Blöcke, aber auch innerhalb der Blöcke.
Die zentrale Frage in Bolivien ist: Wie kann die Armut überwunden werden? Eine Methode ist eine tiefgehendere Integration der bolivianischen Wirtschaft in den Markt, um eine Produktionssteigerung und technologischen Fortschritt zu erlangen. Gerade der Wunsch vieler Personen in der familiären Wirtschaft tätig zu werden, zeigt jedoch, dass dieses Modell für sie gescheitert ist. Eine andere Idee ist der Wirtschaftspluralismus, der die Heterogenität ansich zum Modell hat. Noch ist jedoch nicht absehbar, wie sich dieses Modell entwicklen wird und wie sich die verschiedenen Formen der Wirtschaft darin artikulieren werden. Besonders die Rolle des Staates ist bedeutend. Jedoch war es seiner Meinung nach gerade dieser, der das Land in der Periode von 1985 bis 2005 in den ch'enko geführt hat, da keine angemessene Verteilung des Wirtschafsprodukts unter den verschiedenen Sektoren der Bevölkerung stattfand.
Der zweite Referent, Fernando Untoja, legte den Schwerpunkt auf den Aspekt der Institutionen und argumentierte von einem neoinstitutionalistischen Standpunkt aus. Er erklärte, dass in der Entwicklung die Rolle der Institutionen ausschlaggebend ist, weil ihr Funktionieren die Gründe für Fortschritt und Stagnation erklärt. Er führte weiter aus, dass die Institutionen in Boliviein einen feudal-kapitalistischen Charakter besässen, der sich in der besagten Dreiteilung der Wirtschaft äussert. Deshalb blockieren sie sich und den wirtschaftlichen Aufschwung. Er kritisierte, dass sich so eine Mentalität des Wartens auf staatliche Unterstützung, statt der des Homo Economicus entwickelt hat. Diese Situation endet für ihn entweder in der Kolision der drei Strukturen und ihrer Institutionen oder in der Übereinanderlagerung derselben. Er wie zuvor Lazo wiess darauf hin, dass verschiedene Modelle in Bolivien nicht funktioniert haben. Er erwähnte aber auch, dass der Pluralismus keine einfach Lösung des Problemes ist, da dazu eine adäquate Politik gemacht werden muss und nicht einzelne Regeln und Politiken, wie dies aktuell der Fall ist. Untoja warnte weiterhin, sich nicht von der Modernität des Themas des Pluralismus täuschen zu lassen und eine einfache Dichotomie vom harmonischen Pluralismus und dem Raubtier-Kapitalismus aufzustellen.
Dem ch'enko mangelt es laut ihm an institutioneller Rationalität. Es existiert keine allgemeingültige Referenz - auch die Verfassung ist nicht für die gesamte Bevölkerung repräsentativ. Deshalb richten sich die Menschen nach verschiedenen Autoritäten. In dieser Situation versucht der Staat einerseits zu homogenisieren und andererseits die Heterogenität für bestimmte politische Projekte zu nähren. Was fehlt ist jedoch eine zentrale Institution, so Untoja, die die Wirtschaft antreibt und die Tauschbeziehungen angleicht. Eine derartige Institution muss seiner Meinung nach aus sozialen Kämpfen zwischen "Feinden", einem "New Deal" gleich erwachsen. Für ihn war dies 2005 nicht der Fall.
Napoleón Pacheco, Geschäftsführer der Fundación Milenio, übergab abschiessend dem Publikum für Fragen und Kommentare das Wort. Roberto Laserna, der darauf antwortete, dankte weiter für die Teilnahme und schloss die Debatte.
Die Veranstaltung endete mit der Buchübergabe und einem Empfang.