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Rechtliche Grundlagen politischer Praxis

Módulo 2

Vom 26. bis zum 28. April fand in Cochabamba das zweite Modul der von der Konrad-Adenauer-Stiftung organisierten Schulungen indigener Politik statt.Das durch den bekannten bolivianischen Politologen und Analysten Carlos Codero vorgetragene Thema trug den Titel „Rechtliche Grundlagen der politischen Praxis“.

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Bolivianisch politischer Kontext

Das Modul wurde mit der Präsentation des Dozenten und den Teilnehmern, welche über ihre Teilnahme am politischen Leben in ihren Kreisen berichteten, eröffnet. Herr Codero befasste sich mit einer Reflexion über die Bedeutung politischer Werte, Prinzipien und Ethik. Anschließend fasste er die globale Geschichte der Politik zusammen, wobei er auf die bolschewistische Revolution hinwies, die anstrebte, die Gesellschaft und deren Ideen, die die Welt und die Stärkung der Demokratie beeinflussten, zu reformieren.

In Bolivien wurde die Demokratie vor über 30 Jahren eingeführt.

Während dieser Zeit gab es mehrere Krisen, die mithilfe eines strukturellen Aspekts der Demokratie zu bewältigen versucht wurden: dem Aufruf nach Wahlen. Die Zunahme der Wahlbeteiligung in Bolivien seit 2002 ist deutlich erkennbar. Zum Beispiel gewann die regierende Partei, Movimiento al Socialismo (MAS), im Jahr 2005 die Wahl mit 58 Prozent und nur lediglich 1,5 Millionen Stimmen, während sie, im Vergleich zu 2005, im Jahr 2009 mit 64 Prozent und 2,9 Millionen Stimmen die Wahl für sich entschied.

In der letzten Zeit hob sich Bolivien als spezieller Fall hervor, denn trotz aller Schwierigkeiten entschied man sich hier für die Demokratie und nicht für die Revolution. Der Dozent wies darauf hin, dass die MAS einer der geschicktesten Schüler bezüglich der Demokratiehandhabung sei, da es ihr während ihrer Amtszeit gelang, Gebrauch von der Demokratie zu machen, um ihre Ziele zu erreichen.

Bei der Umwandlung der Gesellschaft zu einer Demokratie, wurden Wahlen in Anspruch genommen, um den Staat zu kontrollieren und ihn zu transformieren. Aus diesem Grund wird dieses Verfahren „Kulturelle demokratische Revolution“ genannt. Ein Beispiel dafür ist der Aufruf der MAS zu einer verfassungsgebenden Versammlung, deren Mitglieder durch eine Volksabstimmung gewählt wurden, um dadurch den Staat transformieren zu können. Daher ist die Schlussfolgerung: um die Gesellschaft verändern zu können, ist es notwendig den Staat zu transformieren und, um den Staat zu transformieren, müssen Gesetze modifiziert werden.

Für die verfassungsgebende Versammlung von 2006, hatte das Departement Santa Cruz 2,1 Millionen Einwohner (nach der Volkszählung 2001) und erhielt 45 Sitze. Oruro hatte eine halbe Million Einwohner und Potosí 600.000. Aus diesen Departements wurden 49 Mitglieder geschickt. In diesem Fall war die politische Darstellung ein wenig ungerecht. Trotzdem sprach man sich für ein Referendum aus, um die Verfassung zu genehmigen oder abzulehnen. Hierbei zeigt sich wieder von Neuem ein demokratisches Instrument.

Der multinationale Staat hat zu neuen politischen Praktiken geführt. Diese neuen politischen Praktiken, in einer wahrhaftigen demokratischen Art und Weise anzuwenden, bedeutet kollektives Lernen. Aber Bolivien ist auf dem richtigen Weg. Heutzutage wählt Bolivien 130 Abgeordnete, von denen 70 in Direktwahlkreisen gewählt werden, 53 über Listen gewählt werden und 7 indigene Abgeordnete sind. Außerdem wählt man 36 Senatoren und neun Gouverneure. Zurzeit existieren 339 Gemeinden/ Kommunen, deren Bürgermeister und Stadträte durch die Bürger gewählt werden. Eine Herausforderung für Bolivien bleiben die kürzlich eingeführten Autonomien. Aber letztendlich, wenn auch mit einigen Mängeln, hat die Demokratie in Bolivien gesiegt.

Demokratie

In Bolivien herrscht die Demokratie seit der Gründung der Republik (1825).

Die Einführung der Demokratie in Bolivien basiert auf zwei Versammlungen, der Legislativen und der Konstituierenden, die durch eine Volksabstimmung gewählt wurden. Von 1966 bis 1980 existierte in Bolivien keine Demokratie, sondern die Diktatur.

Der Vortragende erklärte, dass die Grundlagen der Demokratie, Pluralität und Freiheit seien. Wenn eine der beiden Variablen beeinflusst wird, wird das politische System autoritär. In dem Fall, dass beide Variablen weggelassen werden, handelt es sich um ein totalitäres System.

Die neue CPE

Verfassungen sind Zusammenfassungen von Normen, die Machtgrenzen festlegen.

Monarchien, die keine konstitutionellen Normen hatten, ermöglichten es den Monarchen, absolute Entscheidungen zu treffen.

Die bolivianische Staatsverfassung (CPE) von 1880 war 60 Jahre rechtskräftig. Die aktuelle Verfassung ersetzte die Verfassung von 1967, verkündet durch René Barrientos. Die Neuregelung der Verfassung von 2009 ist die Form, in der sie die konstituierende Versammlung und das Referendum einberuft. Sich der Konstitution zu fügen bedeutet, sich dem Gesetz zu fügen. Daher spricht man in der neuen Verfassung von einem einheitlichen Sozialstaat des plurinationalen Gemeinschaftrechts.. Jedoch legt die territoriale Organisation in der Praxis eine Hierarchie fest: ein kommunales Gesetz wendet sich nicht an die gleiche Anzahl von Einwohnern, wie ein departementales Gesetz. Im Falle der indigenen und der staatlichen Justiz, ist die indigene Justiz im Nachteil, weil die staatliche Justiz in der Praxis der indigenen überlegen ist, da die Mehrheit der Bevölkerung ihr unterliegt.

Politische Partizipation

Die Demokratie in der neuer Staatsverfassung wird als direkte, partizipative, repräsentative und gemeinschaftliche Demokratie definiert. Die direkte Demokratie bezieht sich auf die Möglichkeit der Durchführung von Referenden, Mandat-Widerruf, Konsultation, verfassungsgebende Versammlung, bürgerliche Gesetzesinitiative und Wahlrecht.

Das Referendum ist zum Beispiel in Artikel 12 des Gesetzes über das Wahlsystem geregelt; es ist bindend und kann durch Bürgerinitiative oder durch den Staat selbst einberufen werden. Ein Referendum kann nicht ausgeführt werden, wenn es Themen der Einheit und Integrität des nationalen Territoriums, Steuern, interne und externe Sicherheit, Organ- und Rahmengesetze, Einhaltung der Menschenrechte, Sitze der Regierungsorgane und der Überwachungs- und Verteidigungsinstitutionen des Staates und der Gesellschaft, Grundlagen und ausschließliche Zuständigkeiten des Staates (Artikel 14 des Gesetzes über das Wahlsystem), beinhaltet.

Das Wahlrecht, andererseits, lässt sich nicht immer anwenden. Man kann Gewerkschaften, Betriebsräte, usw. wählen, aber um das Wahlrecht anwenden zu können, muss man die folgenden vier Bedingungen berücksichtigen: 1.) Jeder hat das Recht zu wählen. 2.) Die Abstimmung erfolgt direkt, d.h. zwischen der Regierung und der Gemeinde existieren keine Vermittler. In Spanien, z.B, erfolgt die Abstimmung indirekt, da in diesem Fall der Wähler für das Abgeordnetenhaus stimmt und das Abgeordnetenhaus die Regierung wählt. Das Abgeordnetenhaus ist somit der Vermittler. 3.) Gleiches Stimmrecht: jeder Wähler steht für eine Stimme und jede Stimme hat den gleichen Wert. 4.) Die Wahl ist geheim.

Die Wahlergebnisse sind abhängig von dem angewendeten System (absolute oder einfache Mehrheit).

Bei dem System der einfachen Mehrheit, gewinnt die Partei, die mindestens eine Stimme mehr hat, als die Gegenpartei. Absolute Mehrheit bedeutet, dass man die Gesamtzahl aller Stimmen (100%) addieren und sie dann durch 2 teilen muss. Die Gewinnerpartei ist diejenige, die 50 Prozent der Stimmen plus eine zusätzliche erhält. In Bolivien wird das Prinzip der einfachen Mehrheit angewendet.

Doch im Fall der Präsidentschafts- und Vizepräsidentschaftswahlen, die in Artikel 166 der Verfassung und in Artikel 52, Absatz II, des Gesetzes über das Wahlsystem geregelt sind, wird eine Form der absoluten Mehrheit angewendet, die auf 40% herabgesetzt wird und ein Unterschied von 10% gegenüber dem Gegenkandidaten vorliegen muss. Wenn keine der Parteien den erforderlichen Prozentsatz erreichen, wird eine zweite Wahlrunde durchgeführt.

Hinsichtlich der indigenen Repräsentativität, befindet sich das Problem auf regionaler Ebene. Auf lokaler Ebene werden Stadträte mit Stimmenmehrheit gewählt. Auf regionaler Ebene, gibt es eine begrenzte Sitzanzahl für die indigene Bevölkerung, die allerdings nicht ausreichend ist, um alle Ethnien zu vertreten. Das Argument, um nicht mehr Sitze realisieren zu müssen und dadurch das System zu verbessern, sind unzureichende finanzielle Mittel, um die Gehälter der Beamten decken zu können.

Andererseits wurden die Departementsversammlungen eingeführt, um die Gleichstellung der Geschlechter und der ethnischen Minderheiten angemessen zu vertreten, so dass auf der departamentalen Ebene die ethnische Vertretung stärker betont werden sollte. Nach Ansicht von Experten, hat das Gesetz über das Wahlsystem einige Mängel.

Politische Akteure

Die Rolle der politischen Akteure ist die Gesetzgebung, Kontrolle und Aufsicht. Diese Funktionen treten in allen repräsentativen Ebenen auf (kommunal, departamental, und national).

Es existieren drei Arten politischer Vertretungen in Bolivien: die Parteien, die Bürgerinitiativen, und die indigenen Organisationen. 1999 erschienen zum ersten Mal das Parteiengesetz, das Gesetz über die Bürgerinitiativen und indigenen Völker und das Gesetz über die Gemeindeverwaltung, die bestimmte Vorgaben und Richtlinien für die Gründung und Entwicklung dieser Organisationen bereitstellten. Allerdings wurden diese Gesetze durch das Gesetz über das Wahlsystem in ihren endgültigen Bestimmungen aufgehoben. Das Parteiengesetz legte fest, dass eine politische Partei Kandidaten nominieren muss, wonach nicht klar war, wie sie im Fall der Bürgerinitiativen und indigenen Organisationen vorgehen sollten. Das neue Gesetz, das noch in der Gestaltung und Entwicklung ist, wird Gesetz über politische Organisationen heißen. Die größte Herausforderung zu diesem Gesetz, beinhaltet die Finanzierung der politischen Parteien und Organisationen.

Trotz der heutigen Existenz verschiedener politischer Organisationen, die, wie Cordero definiert, zu einer Bürgerdemokratie beitragen, bleibt Bolivien eine Parteiendemokratie. Dennoch sollte das Land in vollem Umfang eine Demokratie des Volkes sein, weil sich die Natur, zumindest die der indigenen Völker, nicht nach westlichen Formen der politischen Teilnahme richtet. Die politischen Parteien haben eine Reihe von Einschränkungen, die die Erstellung und Teilnahme erschweren. Auf kommunaler Ebene wäre ein System optimal, indem keine Ansprüche für Parteien existieren würden, sondern es die Möglichkeit gäbe, dass jeder Bürger eine Bürgerinitiative gründen kann, was ihm wiederum die Möglichkeit gäbe sich politisch zu beteiligen, ohne dabei vielfältige Einschränkungen auferlegt zu bekommen.

Ein weiterer politischer Akteur ist die Zivilgesellschaft, die ihr politisches Recht, mittels sozialer Kontrolle (Artikel 241 und 242 EPU) ausübt. In anderen Ländern wird diese Steuerung dem Amt für Rechnungsprüfung, den Bürgerbeauftragten, der Staatsanwaltschaft oder dem öffentlichen Dienst zugeordnet, weil diese Institutionen verantwortlich für die Durchsetzung der Zuständigkeiten der Staatsregierung bis hin zur Gesellschaft sind.

Dezentralisierung und Autonomie

Die größte politische Herausforderung für Bolivien ist das Thema betreffend der Autonomien, die auf vier Ebenen verteilt sind: die departamentalen, die regionalen, die kommunalen und die indigenen Autonomien. Die Verteilung der Kompetenzen ist in den Artikeln 297 bis 305 der Verfassung geregelt, diese können vereinend, exklusiv, geteilt und zusammenwirkend sein. Die zentralstaatliche Ebene verfügt über 22 vereinende, 38 exklusive, 7 geteilte und 16 zusammenwirkende Kompetenzen, während die autonome departamentale Regierung 36 exklusive Kompetenzen hat. Im Fall der kommunalen Regierung, verfügt diese über 43 exklusive Kompetenzen und die indigene Autonomie über 23 exklusive, 4 geteilte und 10 zusammenwirkende Kompetenzen.

Dies verdeutlicht, dass weiterhin eine Tendenz zum Zentralismus existiert.

Konversationsrunde

Während des Abendessens des Moduls am 26. April, fand eine Konversationsrunde mit dem ehemaligen Verfassungsrichter (2003-2006), José Antonio Rivera, statt. Die Konversationsrunde verfolgt die Absicht, den Teilnehmern des Kurses einen informellen Dialoge mit Persönlichkeiten der bolivianischen Politik und Gesellschaft zu ermöglichen, um die politische Ausführung in der Praxis wertschätzen zu können.

Dr. Rivera, Verfassungsrechtler, hatte vor seinem Wechsel in die Justiz (seit 1998), eine kurze politische Karriere in der Partei Movimiento Bolivia Libre (1993 – 1995). Anschließend war er Präsident der Anwaltskammer und derzeit lehrt er als Dozent an verschiedenen Universitäten und ist Autor zahlreicher Publikationen und Artikel.

Trotz der politischen Erfahrung Dr. Riveras, drehten sich die Fragen der Teilnehmer rund um die Erfahrung des Ehrengastes im Bezug auf das Rechtssystem. Bei der Frage nach der Unabhängigkeit der Justiz, sagte Dr. Rivera, dass diese von größter Bedeutung sei. In den vergangenen Jahren hat Bolivien eine Justizkrise durchlitten, was zu der Annahme geführt hatte, dass direkte Wahlen der obersten Richter durch das Volk eine Lösung bieten könnten. Für die Beamten der Justiz ist dies allerdings nicht wünschenswert, denn es erfordert eine politische Ausrichtung der Kandidaten.

Ein anderer Teilnehmer fragte, was Dr. Riveras Vorschlag wäre, in Bezug auf die derzeitige Justizkrise. Der Gast sagte, dass eine unzureichende, rechtliche territoriale Verteilung existiere und es notwendig sei, die Gerichte zu dezentralisieren und Wanderrichter einzuführen. Gerichte an einigen Orten sollten sonntags öffnen, da die Landbevölkerung von Montag bis Samstag arbeitet. Er erwähnte außerdem die unzureichende Ausbildung von Fachleuten, was einen Mangel an Ethik und Moral zur Folge hätte.

Weitere Fragen drehten sich um die Beschwerden des Mechanismus auf internationaler Ebene im Falle der Rechtsverletzungen der indigenen Bevölkerung, die Stellung der indigenen Justiz im bolivianischen Rechtssystem, sowie Boliviens Forderung nach einem Meerzugang vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag.

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