Veranstaltungsberichte
Ziel des ersten Tages des Seminars war die konzeptionelle Definierung verschiedener politischer Systeme wie Kapitalismus, Liberalismus, Autoritarismus und Demokratie sowie deren Geschichte und Entwicklung in Lateinamerika und Bolivien.
Der Dozent begann die Sitzung mit einer Präsentation der Weltgeschichte und der Geschichte von Lateinamerika ab 1960, indem er die wichtigsten historischen Meilensteine in jedem Jahrzehnt bis 2010 vostellte. In diesem Zusammenhang zeigte er auch auf, wie sich Lateinamerika seit seiner Modernizierung an den USA und Europa als Model orientiert hat.
Als nächstes verglich er diese Eigenschaften Lateinamerikas mit der historischen Entwicklung Boliviens, angefangen bei der nationalen Revolution von 1952, weiterführend mit den Militärdikaturen Boliviens, der Guerrilla von Che, die Wiedergewinnung der Demokratie, die folgenden Regierungen, der Gesetzesverordnung „Decreto Supremo 21060“ bis hin zu der heutigen sozialen und wirtschaftlichen Transformation des Landes.
Mit der Beteiligung der Studenten konnten Themen wie die Rolle des Staates in der Wirtschaft und in den folgenden verschiedenen politischen Systemen vertieft werden: im revolutionären Nationalismus; im Neoliberalismus und Plurinationalen Staat; die Exklusion/Integration der indigenen Bevölkerung und dessen Rolle in der nationalen Politik; die autoritären Mittel, auf die demokratische Regierungen zurück gegriffen haben (Verfolgung der Opposition, Unterdrückung, etc.) sowie Diktaturen und somit auch die Präsenz von Gewalt in der nationalen Geschichte.
In diesem Zusammenhang wurden Konzepte wie Demokratie, Diktatur, Autoritarismus sowie die der Modernizierung, der Entwicklung und der Globalisierung geklärt.
Später wurde die Thematik des Indianismus und des Indigenismus analysiert, indem deren prinzipielle Politik und die Unterschiede zwischen den zwei Perpektiven bearbeitet wurde. Der Dozent präsentierte die verschiedenen Grundgedanken dieser zwei Tendenzen sowie konkrete Daten, um die Gegenüberstellung der beiden Theorien und die Situation des Indios in anderen lateinamerikanischen Ländern wie Peru, Ekuador und Mexiko, zu vereinfachen.
Diese Analysen konzentrierten sich auf vier verschiedene politische Systeme:
1)Das Weltsystem, im Bezug auf den globalen Kapitalismus
2)Das System der Indio, mit der Revolution der Indios in Lateinamerika angeführt von Fausto Reinaga
3)Die multikulturelle Gesellschaft, hervorgehend aus einer einbeziehenden Demokratie
4)Das sozialistische System im 20. Jahrhundert und der „Sozialismus des 21. Jahrhunderts” vonrangetrieben von Hugo Chávez.
Der zweite Tag konzentrierte sich auf die Veränderungen des bolivianischen Staates in den letzten zehn Jahren, wobei besonders Nachdruck auf die eingeführten Reformen seit 2006 gelegt wurde. So wurde das Konzept „staatliche Reformen“ erläutert und mögliche rechtliche, wirtschaftliche, soziale, institutionelle und/oder symbolische Folgen diskutiert.
Indem die ´Matriz de Vester¨, eine bestimmte Methode zur Problemlösung, mit Hilfe der Studenten angewandt wurde, konnten die kritischen Faktoren, die Grund für die vorher beschrieben Veränderungen waren, identifiziert werden. Diese Faktoren sind unter anderem: die fehlende Autorität des Staates, der Patrimonalismo, der Mangel an institutioneller Kapazität, das Fehlen einer strategischen Implementierung der Wirtschaftspolitik für die Produktion, keine neuen Initiativen, wenig Informationen über Politik und die Aktionen der Regierung; fehlende qualifizierte Arbeitskräfte in der Administration des Staates und eine funktionäre Instabilität. Im weiteren Verlauf wurden diese Faktoren in Relation zueinander gestellt und einem hohen, mittleren oder niedrigen Einfluss-Grad zu geordnet. Auf diese Weise konnten zum Beispiel die Faktoren mit dem größten Einfluss festgestellt werden: die mangelnde Autorität des Staates und das Fehlen wirtschaftlicher Strategien.
Danach wurde das Konzept des “Plurinationalen Staates” analysiert; zuerst bevor der “Republik” und dann zu Zeiten der konstitutionellen Reform in 1994/5, in der sich Bolivien zum ersten Mal als ein plurinationales Land definierte. Diese beiden Epochen und die entsprechend unterschiedlichen Perspektiven wurden mit Hilfe von Theorien miteinander verglichen.
Am Nachmittag wurden wirtschftliche Themen, angeknüpft an die verschiedenen besprochenen politischen Visionen, behandelt: wirtschaftliches Wachstum, Armut, globale wirtschaftlliche Beziehungen, internationale wirtschaftliche Organe, etc.. Ein viel disskutierter Punkt war die Rolle der Frau in den heutigen wirtschaftlchen Strukturen und im sozialen Wandel.
Der Dozent präsentierte eine Vielzahl an Daten, um auf das niedrige wirtschaftliche Wachstum in Bolivien seit 1960 aufmerksam zu machen und einen Vergleich mit anderen Ländern in Lateinamerika, Afrika und Asien zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang wurden die verschiedenen Arten der Wirtschaftspolitik der nationalen Regierungen der vergangenen Jahre, die es alle nicht schaften die große Armut und die fehlende Produktivität des Landes zu überwinden, vorgestellt. Als aktuelles Beispiel wurde das 21 „gasolina“ vom Dezember 2010 untersucht.
Am dritten Tag arbeiteten die Studenten mit drei essenziellen Konzepten:
1)Utopie: die ersten Entwicklungen (Tomás Moro); die marxistische Opposition des Konzeptes und seine heutige Bedeutung; Totalitarismus vs. Utopie
2)Führung: Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen einem Füherer/Leiter und einem Machthaber; Arten der Führung: messianisch („gran hombre“) oder durch Beziehungen; Führungseigenschaften: Autorität, Werte, Überzeugungskunst, Kreativität, etc.
3)Technische Globalisierung: Medien wie das Internet profitieren vom neuen Wissen und der neuen Technologie; neue Eliten, die die sich der Technologie und dem Wissen annehmen, stellen sich der Aufgabe der lokalen Medien
Anschließend wurde die nationale Konjunktur besprochen. Der Dozent skizzierte, ausgehend von den Fragen der Teilnehmer, eine Übersicht der wichtigsten sozial-politischen Ereignisse von Januar bis Juni dieses Jahres. Dabei setzte er diese Ereignisse immer in Zusammenhang mit der Konjunktur Boliviens oder stellte sie als eine Äusserung der strukturellen Aspekte des Landes dar. Die Verhaftung des Gral de la Policía Sanabria wurde als anschauliches Beispiel für die Präsenz des Drogenhandels in der Realität Boliviens gewählt, in Erinnerung an die Implikationen der Regierungen von Banzer, García Meza, Jaime Paz, Gonzalo Sánchez und deren Politik im Bezug auf den Drogenhandel.