Veranstaltungsberichte
Soziale Marktwirtschaft
Im Rahmen des Programms zur Qualifikation von Jugendlichen der Fundación Nueva Democracia (FND = Stiftung Neue Demokratie) fand mit Unterstützung der KAS ein Workshop zum Thema soziale Marktwirtschaft statt, in dem die technischen und theoretischen Aspekte des deutschen Modells vorgestellt wurden, ebenso wie die Anwendbarkeit auf den bolivianischen Fall. Weiterhin wurde den Teilnehmern ein mit dem Thema zusammenhängendes Buch übergeben, das den Titel „Una mirada a la Teoría a los Modelos Económicos y la Economia Social de Mercado (ESM)“ (= Ein Blick auf die Theorie der Wirtschaftsmodelle und die soziale Marktwirtschaft) trägt und von der KAS 2011 veröffentlicht wurde.
Die Leiterin des Auslandsbüros der KAS Bolivien, Frau Susanne Käss, und der Koordinator der KAS, Dr. Ivan Velasquez, referierten über die Thematik. Susanne Käss präsentierte die theoretischen Aspekte und sprach über die deutsche Erfahrung und den Erfolg des deutschen Modells der sozialen Marktwirtschaft. Dr. Velasquez stellte das Buch vor und hob einige Aspekte der sozialen Marktwirtschaft hervor, die für den bolovianischen Fall anwendbar wären.
Die Stärkung der Demokratie und des Rechtsstaates sind die traditionellen Arbeitssfelder, in denen die Konrad Adenauer Stiftung in Bolivien und Lateinamerika aktiv ist. Ein Groβteil der bolivianischen Bürger ist der Meinung, dass die Demokratie das beste politische System ist, obwohl man in manchen Ländern der Region leider einen Rückschritt des demokratischen Bereichs beobachten kann. Trotz alldem existiert, wenn man den Hintergrund der aktuellen Finanz- und internationalen Wirtschaftskrise betrachtet, die reale Gefahr, dass wichtige Teile der Bevölkerung – und hier vor allem in den Sektoren, die am meisten von Armut und Ungleichheit der Möglichkeiten betroffen sind - die Demokratie nicht mehr mit einer Verbesserung ihrer individuellen Situation in Verbindung setzen. Stattdessen steigt die Präferenz für andere ökonomische und politische Modelle.
Deswegen liegt es im Interesse des Auslandsbüros Bolivien der Konrad Adenauer Stiftung, die wirtschaftlichen, sozialen und nationalpolitischen Probleme vom Postulat der sozialen Marktwirtschaft zu analysieren und zu überdenken. So sollen grundlegende Lösungen und Alternativen aufgeworfen werden, die es ermöglichen, die wirtschaftlichen und politischen Probleme, die die fast 30-jährige staatliche Demokratiepolitik in Bolivien mit sich gebracht hat, zu lösen.
Ohne Zweifel ist es wichtig, hervorzuheben, dass die liberale Demokratie besser als irgendeine andere Staatsform geeignet ist (inlusive Populismus und Autoritarismus), um strukturellen Problemen, wie dem Kampf gegen Armut und Ungleichheit entgegenzutreten und soziale Inklusion zu verwirklichen.
Die Konrad Adenauer Stiftung kann weder eine alleinige und ideale Lösung für diese Probleme bieten, noch kann sie wirtschaftliche Allheilmittel vorlegen. Sie kann jedoch ein ethisch-ökonomisches Modell aufzeigen, das die Bundesrepublik Deutschland angewandt hat und das ihr das höchste Niveau an Wohlstand, sozialer Gerechtigkeit und Freiheit in ihrer gesamten Geschichte gebracht hat. Das Modell der sozialen Marktwirtschaft schaffte auch die Bedingungen für die innere Befriedung einer Gesellschaft, die sich kaum zwanzig Jahre vorher, in Zeiten der Weimarer Republik, in einer tiefen Spaltung befand und keine andere Möglichkeit zur Überwindung der inneren Spannungen fand, als blinde Flucht in die nationalsozialistische Diktatur.
Ohne Zweifel kam das wirklich revolutionäre im wirtschaftlichen Bereich nach dem Zweiten Weltkrieg und der Erfolg lag in einer dritten Möglichkeit, zwischen den Formen der radikalen Marktliberalität und dem Sozialismus. Diese Möglichkeit war die der sozialen Marktwirtschaft, die auf Exzesse folgte, die von verschiedenen Regierungen im Namen einer radikalen Marktwirtschaft begangen wurden. Sie kann auch für Bolivien in Betracht gezogen werden.
Viele Forscher stimmen darüber ein, dass die soziale Marktwirtschaft keine einfache und direkte Fahrkarte aus der Krise ist, aber konkrete Erfahrungen bietet, die den Entscheidungsträgern der staatlichen Politik von Nutzen sein können.
Das deutsche Modell ist in der Lage, kreative Lösungen für die momentane Krise zu bieten, da es selbst aus einer Antwort auf ein Krisenszenario am Ende der 1940er Jahre entstanden ist. Das Konzept wurde von den Ökonomen Walter Eucken, Friedrich von Hayek und Wilhelm Röpke, Mitbegründer der sozialen Marktwirtschaft, entworfen, denen noch die Geiseln der Hyperinflation von 1922/23, der Börsenkollaps von 1929 und die exorbitanten Arbeitslosenquoten der 1930er Jahre sehr präsent waren.
Der deutsche Ökonom und Wirtschaftsminister Ludwig Erhard und der damalige Kanzler Konrad Adenauer waren die Schlüsselpersonen zur Implementation dieser wirtschaftlichen und sozialen Konzeption. Erhard resümierte die zentrale Idee der sozialen Marktwirtschaft in wenigen Worten: „Ich will mich aus eigener Kraft bewähren, ich will das Risiko meines Lebens selber tragen, ich will für mein Schicksal selbst verantwortlich sein. Sorge du, Staat, dafür, dass ich dazu in der Lage bin.“
Nach mehr als 60 Jahren Staatspolitik auf Grundlage des Modells der sozialen Marktwirtschaft, akzeptiert die groβe Mehrheit der deutschen Bevölkerung das System als wirtschaftliche Ordnung Deutschlands.
Die Faktoren, die im Besonderen zur Akzeptanz in der Bevölkerung beigetragen haben, waren die konsequente Anwendung dieses Ordnungskonzeptes und die guten wirtschaftlichen und sozialen Ergebnisse, die in der Anfangsphase in der Bundesrepublik Deutschland erreicht worden sind und auch heute noch profitiert man in Deutschland von den positiven Auswirkungen dieses interessanten Wirtschaftsmodells. Der Respekt für die Würde des Menschen, das Recht, sein Leben mit Verantwortung und abhängig von den persönlichen Parametern zu gestalten, hat sich im Fundament eines neuen Modells einer liberalen Wirtschaft mit sozialer Ausgewogenheit, jenseits bloβer Wirtschaftstheorie, verwirklicht.
Das Konzept der sozialen Marktwirtschaft zeigt ein Modell für eine Wirtschafts- aber darüber hinaus auch Sozialordnung, der die demokratische Organisation der politischen Freiheit zugrunde liegt und die die soziale Komponente und die Koordination der weitreichenden Sektoren des Wirtschaftssystems durch den Markt respektiert. Die soziale Marktwirtschaft vertraut dem Markt, aufgrund ihrer dezentralisierten Entscheidungen, die Lösung des Problems der Ressourcenverteilung an.
Schlieβlich endete die Veranstaltung mit Fragen und Kommentaren seitens des Publikums.