Veranstaltungsberichte
Zweiter Gesprächskreis: Ex-Minister für Indigene Fragen und Ursprüngliche Völker berichtet von seinem politischen Werdegang und der aktuellen politischen Lage Boliviens(25. Juli)
Im Rahmen des zweiten Moduls des zweiten Niveaus des Programmes zur Indigenen Politischen Partizipation (PPI) der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) fand das Arbeitsessen im Hotel Alcalá statt. Präsent war u.a. Ricardo Calla Ortega, Anthropologe und Soziologe, der Minister für Indigene Fragen und Ursprüngliche Völker gewesen ist und heute Koordinator für Master-Programme der sozialwissenschaftlichen lateinamerikanischen Fakultät (FLASCO) und Rektor der Universität de la Cordillera in La Paz ist. Darüber hinaus ist er in der Forschung aktiv z.B. in Fragen der Entwicklung indigener Völker in Lateinamerika, ländlicher und sozialer Entwicklung in der andinen Region sowie über die Entwicklung der Demokratie und der politischen Systeme Boliviens. Seine Schwerpunkte hierbei sind Konjunkturanalyse, Institutionalisierung und staatliche Dezentralisierung sowie soziale Bewegungen. Nicht zuletzt fungiert er als Berater verschiedener internationaler Organisationen sowie als Dozent bolivianischer, lateinamerikanischer und europäischer Universitäten.
Der besondere Gast erzählte den Teilnehmern, dass er in Ánimas geboren wurde, ein Minenzentrum im Süden Boliviens. Beeinflusst wurde er seit seiner Kindheit durch das politische Geschehen hinsichtlich der Minen beeinflusst sowie durch das Massaker der Minenarbeiter, dass sich unter der Präsidentschaft von General Barrientos im Jahre 1967 ereignete. Die 70er und 80er Jahre waren für Ortega geprägt von intensiven politischen Geschehnissen, humanen Erfahrungen sowie wichtigen Persönlichkeiten. In diesen Jahren der Diktatur schwor Ortega von einem linksgerichteten Standpunkt aus, sich für die Wiedereinführung der Demokratie einzusetzen. Ideologisch ist er linksgerichteter Demokrat zu nennen, weil er seit jeher für die soziale Gerechtigkeit und für die Demokratie gekämpft hat und keinen Gegensatz darin sieht, für die Rechte der Armen, die soziale Gerechtigkeit, letztlich für Basisgerechtigkeit zu kämpfen und gleichzeitig überzeugter Demokrat zu sein. Allerdings gab er den Studenten zu verstehen, dass nicht seine Biografie der eigentlich Schauplatz sei, sonder vielmehr die besorgniserregende Analyse dessen, was aktuell in Bolivien geschieht.
Ortega bemerkte, dass es zwei Arten der Linken gäbe: die autoritäre und die demokratische. Diejenige, die gerade Bolivien beherrsche sei die erstgenannte. Ungeachtet der guten Kenntnisse über die Regierungsarbeit und der Nähe zum aktuellen Präsidenten glaubt Ortega nicht, dass sich die aktuelle Regierung in den Kanon der Demokratie eingliedert, sondern dass sie sie vielmehr desinstitutionalisiert - eine Tatsache, die unbedingt geändert werden müsse. Darüber hinaus erklärte er, dass es keinen bolivianischen Rechtsstaat gebe und dass die Macht des Wahlaktes und der Gerichtsbarkeit im Begriff sind, vom Staat übernommen zu werden. Daher plädierte er dafür, dass jeder Bolivianer seine Verantwortung in die Hand nehme und den Wahlakt als Ausdrucksmittel nutze. Als Erfolg der aktuellen Regierung vermerkte Ortega die beträchtliche Stärkung der indigenen Sektoren der bolivianischen Gesellschaft.
Die Teilnehmer stellten viele Fragen bezüglich der aktuellen politischen Lage Boliviens und fragten gezielt nach der Meinung des Ex-Ministers, sodass sich eine vertraute Stimmung entwickelte. Zum Schluss bedankten sich die Anwesenden für die fundierte Reflexion der aktuellen politischen Lage Boliviens sowie für die aufrichtige Art und Weise, wie Ortega sie darbot.