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Länderberichte

Gute Nachrichten aus Mostar

von Sven Petke, Ivana Marić
Nach 12 Jahren ohne Kommunalwahlen in Mostar nahmen 52.865 Wählerinnen und Wähler ihr Wahlrecht wahr. Die Wahlbeteiligung der Wahlen am 20. Dezember 2020 lag damit bei 55 %. Mit der Wahl von Bürgermeister Dr. Mario Kordić durch den Stadtrat ist die Stadtspitze von Mostar vollständig. Tatsache ist, dass die Wahlen erst nach starkem Druck der internationalen Gemeinschaft und Gerichtsentscheidungen möglich wurden.

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Bei den Wahlen zum Stadtrat gewann die Kroatische Demokratische Union (HDZ BiH) von Bosnien und Herzegowina 13 Sitze; die Koalition für Mostar - Partei für Demokratische Aktion (SDA), Bündnis für eine bessere Zukunft (SBB) von Bosnien und Herzegowina, Demokratische Front (DF), Partei für Bosnien und Herzegowina (Stranka za BiH), Patriotische Partei für Bosnien und Herzegowina (BPS) – gewann zusammen 11 Sitze; der BH-Block - Sozialdemokratische Partei (SDP) von Bosnien und Herzegowina, Naša Stranka (NS) - sechs Sitze; die Kroatische Republikanische Partei (HRS) - drei Sitze; die Erste Mostar-Partei (PMP) und die Liste „Bleib hier - gemeinsam für unsere Stadt Mostar” - jeweils einen Sitz.

Geheime Abstimmung zur Wahl des Bürgermeisters

Insbesondere die Wahl eines der 35 Ratsmitglieder zum Bürgermeister erforderte in den ersten beiden Wahlgängen mehr als die Hälfte der Stimmen.

Im ersten Wahlgang traten vier Bewerber an. Kordić (HDZ BiH) erhielt 14, Zlatko Guzin (SDA) 12 und Irma Baralija (BH-Block) zwei Stimmen. Arman Zalihić (BH-Block) erhielt keine Stimme, drei Stimmen waren ungültig. In der zweiten Runde erhielt Kordić 17 Stimmen und Guzin 14 Stimmen. Drei Stadträte enthielten sich, ein Wahlzettel wurde nicht ausgefüllt.

Die Wahl des Bürgermeisters musste in geheimer Abstimmung erfolgen. Ein erster Wahldurchgang wurde jedoch in offener Abstimmung durchgeführt. Daraufhin hob der Hohe Vertreter in Bosnien und Herzegowina (OHR), Valentin Inzko, am 8. Februar 2021 den Wahlvorgang im Rahmen seiner Befugnisse auf. Das Statut der Stadt Mostar schreibt eine geheime Abstimmung zur Wahl des Bürgermeisters vor.

Drei rotierende Bürgermeister

Zu Beginn der zweiten Wahlrunde der Stadtratssitzung unterbreitete der BH-Block den Vorschlag, einen „rotierenden Bürgermeister“ in Mostar zu wählen. Der Vorschlag sah vor, dass insgesamt drei Bürgermeister für jeweils 16 Monate das Amt ausüben. Auf der Sitzung wurde kein Beschluss zu dem Vorschlag getroffen.

Die SDP des BH-Blocks hatte die Idee eines „rotierenden Bürgermeisters“, bei dem Kandidaten der HDZ, der Koalition für Mostar und des BH-Blocks als Bürgermeister sich (analog zum dreiköpfigen gesamtstaatlichen Staatspräsidium) abwechseln würden. Der Vorschlag wurde zunächst von der SDA – bzw. der von ihr geführten Koalition für Mostar – angenommen, während Naša Stranka sich zurückzog, weil klar war, dass ihre Kandidatin Irma Baralija bereits in der ersten Wahlrunde „ausgestiegen“ war. Der „rotierende Bürgermeister“ war jedoch ein neuer Grund für die Unterbrechung der Sitzung und eine Reaktion der internationalen Gemeinschaft.

In der dritten und letzten Runde konnten die Stadträte dann entweder den bosnischen Kroaten Kordić (HDZ BiH) oder den Bosniaken Guzin (Koalition für Mostar) wählen. In der dritten Runde erforderte die Wahl des Bürgermeisters lediglich eine einfache Mehrheit der gültigen Stimmen. Kordić erhielt im entscheidenden Wahlgang 17 Stimmen, Guzin 16 Stimmen, zwei Stimmen waren ungültig.

Damit wurde der Bürgermeisterkandidat der HDZ BiH, Dr. Mario Kordić, mit einer Mehrheit von einer Stimme zum Bürgermeister von Mostar gewählt. Sein Vorgänger Ljubo Bešlić hatte das Amt damit 16 Jahre ausgeübt und ist der bislang am längsten amtierende Bürgermeister in der Geschichte der Stadt.

Bürgermeister Kordić ist derzeit Direktor des Gesundheitszentrums in Mostar. Darüber hinaus ist er Assistenzprofessor an der Medizinischen Fakultät der Universität Mostar.

„Die Position des Bürgermeisters in Mostar ist tatsächlich die erste unter Gleichen, eine große Ehre und Verantwortung für mich. Ich kann versprechen, Wissen, Kapazität und Energie zum Wohle der Stadt zu investieren. Ich hoffe, wir können mit der Stadt angeben, die wir haben. Das Potenzial ist riesig und wir drehen die Segel gegen den Wind und erreichen die Umgebung, die vor uns liegt. Lassen sie uns gemeinsam eine schöne Geschichte schaffen, die heute beginnt“, sagte Bürgermeister Kordić nach seiner Wahl.

Salem Marić (SDA) wurde zum Präsidenten des Stadtrats von Mostar gewählt, Ivan Zelenika (HDZ BiH) und Velibor Milivojević (Bleib hier - gemeinsam für unsere Stadt Mostar) sind Stellvertreter.
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Politische Auseinandersetzungen

Während Mostar nach 12 Jahren durch den Druck der internationalen Gemeinschaft und Entscheidungen von Gerichten eine demokratische Stadtspitze erhielt, wurde die bekannte politische Auseinandersetzung fortgesetzt. Nach der Wahl des Bürgermeisters veröffentlichten die Parteien Erklärungen: Die bosniakische SDA warf Stadträten der Naša Stranka vor, einen Kroaten zum Bürgermeister gewählt zu haben, Boško Ćavar und Irma Baralija kritisierten den serbischen Stadtrat Velibor Milivojević, weil er „auf der Seite“ der HDZ BiH war. Der BH-Block antwortete, dass SDA und HDZ BiH sich in der Vergangenheit immer geeinigt hätten.
 
Die Reaktionen zeigen, dass es im Rathaus von Mostar nicht zu viel Frieden geben wird. Es zeigte sich, dass die SDP, die zusammen mit Naša Stranka den BH-Block bildet, auf der Seite der Koalition für Mostar steht, die von der stärksten bosniakischen Partei, der SDA, geführt wird.

Nach Sarajevo dürfte Mostar die international bekannteste Stadt Bosnien und Herzegowinas sein. Die UNESCO erklärte 2005 das Wahrzeichen Mostars, die Alte Brücke und die Altstadt zum Weltkulturerbe. Die Einwohner der Stadt erwarten von ihren gewählten Vertretern Antworten auf die Probleme der Stadt: die Arbeitslosigkeit, die Abfallentsorgung, der Einwohnerrückgang, die wirtschaftlichen Folgen der Maßnahmen gegen COVID-19. Mit der Insolvenz und Schließung des Aluminiumproduzenten Aluminij verlor die Stadt ein traditionsreiches Industrieunternehmen. Mit einer jährlichen Produktionskapazität von mehr als 130.000 Tonnen war Aluminij d.d. Mostar einer der größten Exporteure des Landes. Durch die Schließung wurden mindestens 200 Arbeitsplätze verloren. Die Herausforderungen sind also groß.

 

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Sven Petke

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