Veranstaltungsberichte
Am Freitag, den 22. Juni 2018, besuchte der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland, Avi Primor, während einer gemeinsamen Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, das Louise-Henriette-Gymnasium in Oranienburg. Anlässlich des Jahrestages der Staatsgründung Israels vor 70 Jahren nutzten rund 30 Schüler Innen aus den Klassenstufen 10 und 11 die Möglichkeit, dem ehemaligen Botschafter, ihre Fragen zu stellen und zu diskutieren. Organisiert und durchgeführt wurde die Veranstaltung von dem Politischen Bildungsforum Brandenburg der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) und der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG). Jochen Feilcke, Vorsitzender der DIG Berlin und Brandenburg, übernahm in der Diskussionsrunde, nach dem einleitenden Vortrag von Avi Primor, die Moderation. Der ehemalige Botschafter wirkte von 1993 bis 1999 in Deutschland und war, so Jochen Feilcke, jener israelische Botschafter, der den nachhaltigsten und positivsten Eindruck bei der deutschen Bevölkerung im Sinne der deutsch-israelischen Verständigung hinterlassen habe.
Das Grußwort hielt der Bürgermeister Oranienburgs, Alexander Laesicke, und überreichte Avi Primor am Ende der Veranstaltung zudem eines der letzten Exemplare seines Buches „Mein Weg nach Jerusalem - Mit dem Fahrrad nach Yad Vashem“, das nicht mehr im Handel erhältlich ist, mit einer persönlichen Widmung und dem festen Wunsch nach einer Städtepartnerschaft zwischen Oranienburg und einer israelischen Stadt.
Unter dem Titel der Veranstaltung „Israel – Land der Vielfalt, Land der Kontroversen“ begann Avi Primor seinen Vortrag damit, den Schülern die Entstehungsgeschichte des heutigen Staats Israel zu beschreiben. Primor begann mit dem Leben der Juden weit vor der Staatsgründung und führte aus, dass es zu dieser Zeit weder befestigte Straßen noch andere Infrastruktur gegeben habe. Der heute ca. 8,7 Millionen Einwohner umfassende Staat habe nach der Staatsgründung am 14. Mai 1948 nur rund 600.000 Bürger gezählt, so Primor. Die Anfangszeit des noch jungen Staats war jedoch prekär. Während Israel erst von den arabischen Nachbarländern militärisch angegriffen worden sei, sich aber siegreich verteidigen konnte, wären die übrigen Länder in der Welt in der folgenden Zeit nicht bereit gewesen, Israel als Staat anzuerkennen, um keine diplomatischen Verwerfungen mit Staaten der arabischen Welt zu riskieren. Die Welt habe einfach nicht geglaubt, dass ein Staat wie Israel so lange überleben könnte.
Erst die Gesten Konrad Adenauers zur Versöhnung dem israelischen Volk gegenüber hätten die Weichen für die heutige starke positive wirtschaftliche Entwicklung sowie für das gute deutsch-israelische Verhältnis gestellt. Dabei habe der deutsche Staat für die meisten Israelis nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs nicht mehr existiert und die israelischen Reisepässe hätten den Satz „Gültig für alle Länder der Erde, mit Ausnahme Deutschland “ enthalten. Zu groß war das Ausmaß an Flucht, Vertreibung und Mord in den Jahren des Kriegs. Das von Ben Gurion mit Konrad Adenauer beschlossene Abkommen zur Wiedergutmachung habe die ersten deutschen Maschinen nach Israel gebracht und einen Austausch von Technikern zwischen beiden Ländern eingeleitet. Obwohl aus Reaktion darauf das israelische Parlament von Israelis, bis heute zum einzigen Mal, mit Steinen beworfen worden sei, seien in der Folge aus Leistungen zur Wiedergutmachung zwischen Deutschen und israelischen Bürgern persönliche Bindungen und Freundschaften zwischen beiden Ländern entstanden. Bis heute importiere Israel fortlaufend Maschinen und Technik aus Deutschland. Primor betonte weiterhin, dass Deutschland, nach der Schutzmacht USA, der wichtigste Partner Israels in der Welt sei. Standen zur Zeit Ben Gurions einer Annäherung Israels an Deutschland nur 20 % positiv gegenüber, seien es heute über 80 %.
Anschließend und in Bezug auf den Nahostkonflikt äußerte sich Avi Primor zwiespältig. Israel befinde sich seit 70 Jahren im Krieg mit einigen Nachbarstaaten, habe aber das Land aufgebaut und entwickelt. Niemand könne erwarten, dass Israelis oder Palästinenser ihr Land aufgeben. Schwierig sei die Lage auch deshalb, weil die Araber den Teilungsplan der Vereinten Nationen nicht vollends akzeptiert hätten. Dies wirke sich bis heute negativ aus. Eine Zweistaatenlösung sei nötig. Israel habe in der jüngeren Vergangenheit fast alles erreicht, nur einen dauerhaften Frieden mit den Nachbarn herzustellen, das sei bisher nicht gelungen. Der ehemalige Botschafter zitierte in dem Zusammenhang Napoleon: Man könne zwar ein Land mit Bajonetten aufbauen, aber man könne nicht auf Bajonetten sitzen. Und der Staat Israel sitze bereits seit 70 Jahren auf eben diesen Waffen.
In der anschließenden Diskussion zeigten sich die Schüler besonders interessiert an dem schwelenden Konflikt zwischen Israel und Palästina sowie an einer möglichen Zweistaatenlösung und vor allem daran, wie diese aussehen könnte.
Bezogen auf eine Zweistaatenlösung sprach sich Avi Primor für einen palästinensischen Staat und für eine Teilung Jerusalems, jedoch als weiterhin offene Stadt, aus. Als möglicher Vermittler seien lediglich die USA in der Lage, eine politische Lösung durchzusetzen. Weder Deutschland noch die Europäische Union betrachtete Primor als gute Wahl. Israel sei so stark von den USA abhängig, dass sich Israel fügen würde, wenn die USA einen Frieden erzwingen würden,. Vor allem aber habe Donald Trump anders als seine Vorgänger das Bestreben, den Konflikt um Palästina und Israel lösen zu wollen. Trump wolle schließlich den Nobelpreis, scherzte Primor. Tatsächlich wisse jedoch niemand, welche Pläne die USA unter Donald Trump verfolgen würden.
Die Hoffnung einiger Schüler, eine neue, linkere Regierung könnte stärker als bisher auf eine Zweistaatenlösung hinwirken, dämpfte Primor. Zwar hätten sich auch in Israel die Mehrheiten bei den vergangenen Wahlen verschoben, allerdings würden seit den 70er-Jahren stets rechte oder religiös-konservative Parteien die Mehrheiten stellen. Der ehemalige Botschafter fügte jedoch hinzu, dass sich die Parteien in außenpolitischen Fragen kaum bis gar nicht unterscheiden würden, unabhängig von ihrer parteipolitischen Zuordnung.
Auf die abschließende Frage eines Schülers, welches Erlebnis in seinem Leben den ehemaligen Botschafter am meisten geprägt, beeindruckt oder ergriffen hätte, antwortete Primor, dieses Erlebnis sei für ihn der Tag der Gründung Israels gewesen. Seit diesem Tag seien Juden nicht länger nur Teil eines anderen Staats und teilweise Menschen zweiter Klasse, sie hätten seit dem 14. Mai 1948 die Möglichkeit, in gleicher Würde und Selbstbestimmung wie alle anderen Völker auf dieser Erde in ihrem souveränen Staat zu leben. Schlussendlich hoffe Avi Primor nur auf eine Lösung im Nahostkonflikt sowie auf Frieden, da man auf Bajonetten nicht sitzen könne.