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Eine gelungene Umkehr in die Zukunft

30 Jahre Deutsche Einheit - Ein Rückblick von Lothar de Maizière

Bericht vom Brandenburger Forum der Konrad-Adenauer-Stiftung am 14. Oktober 2020 in Potsdam.

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Wenn Lothar de Maizière, der einzige frei gewählte und zugleich letzte Ministerpräsident der DDR, heute auf die Jahre 1989/90 und die Deutsche Wiedervereinigung zurückblickt, scheint er mit sich im Reinen zu sein. In Potsdam zog er am 14. Oktober 2020 auf einem Brandenburger Forum der Konrad-Adenauer-Stiftung eine Bilanz und erinnerte sich an die revolutionären Vorgänge vor gut 30 Jahren.

Als neuem Vorsitzenden der CDU-Ost sei es ihm 1989/90 vor allem darum gegangen, dass sich die Partei nach den Jahrzehnten im „Demokratischen Block“ unter der Diktatur der Sozialistischen Einheitspartei wieder selbst findet. Damals prägte er das Wort von der „Umkehr in die Zukunft“, das biblisch inspiriert gewesen sei vom Begriff der „metanoia“, wie er erläuterte, einer Umkehr im Denken, einer Sinnesänderung, die im Religiösen nach Buße und Vergebung eine neuen Zukunft eröffnet. De Maizière erzählte, er sei 1956 bereits mit 16 Jahren in die CDU eingetreten, um dem Druck seines Klassenlehrers auszuweichen, dem kommunistischen Jugendverband der „Freien Deutschen Jugend“ (FDJ) beizutreten. Seine Mutter habe ihm damals klar bedeutet, als FDJler brauche er sich zu Hause nicht mehr blicken zu lassen. In der CDU habe er nie eine Funktion gehabt bis der „Wind der Veränderung“ ihn Anfang November 1989 vom einfachen Mitglied gleich zum Vorsitzenden gemacht habe.

 

Der 9. November 1989 das eigentliche Ende der DDR

Wie auch der Brandenburger Schriftsteller Günter de Bruyn sei er der Meinung gewesen, die DDR habe mit dem Mauerfall am 9. November 1989 eigentlich ihr Ende gefunden. Wenn die Tore eines Gefängnisses geöffnet würden, gebe es das Gefängnis eben nicht mehr. Dies hätten aber beileibe nicht alle so gesehen. Denn ebenso wie die Sozialisten hätten auch viele Oppositionelle das Ziel einer neuen „DDR“ vor Augen gehabt. Aber letztlich seien die Bürger auf der Straße mit ihrem Ruf „Wir sind ein Volk!“ durchgedrungen. Das Ziel einer schnellen Einheit habe schließlich auch zum Sieg der CDU bei den Volkskammerwahlen am 18 März 1990 geführt, die mit 93 Prozent eine nie dagewesene Wahlbeteiligung hatten. Ziel der neuen Regierung unter seiner Führung sei es dann gewesen, sich möglichst bald selbst überflüssig zu machen – eine eigentlich ganz unpolitische Haltung. Doch bis dahin war einiges politisch zu bewältigen. Fünf Punkte hob Lothar de Maizière dabei besonders hervor:

  1. Die Rückkehr zur kommunalen Selbstverwaltung mit den Kommunalwahlen am 6. Mai 1990, die die bürgerliche Selbstverantwortung beförderte.
  2. Die Wiedererrichtung der Länder, die für einen Beitritt nach dem alten Artikel 23 des Grundgesetzes unabdingbar und auch historisch-kulturell von Bedeutung war.
  3. Die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion unter der Bedingung: „Kommt die DM nicht zu uns, dann kommen wir zur DM.“
  4. Die Ausnahmen bei der Übernahme des westdeutschen Bundesrechts, z.B. beim Umgang mit den Enteignungen auf dem Gebiet der DDR, der Anerkennung von Ausbildungen und vielem mehr, wobei sehr schwierige Abwägungen zu treffen waren.
  5. Der 2 + 4 Vertrag mit den Siegermächten, der am 12. September 1990 in Moskau unterzeichnet wurde, aber nur gegen erhebliche Bedenken aus Großbritannien und Frankreich zustande gekommen war, die durch Helmut Kohl mit Hinweis auf die Einbindung des wiedervereinigten Deutschlands in eine sich weiter vertiefende Europäische Union ausgeräumt worden seien. Gorbatschow hätte damals jedoch die schwerste Entscheidung zu treffen gehabt. Bei der Unterzeichnung dieses Vertrages sei ihm erstmals das Wort der Gnade als Geschenk in seiner vollen Bedeutung bewusst geworden, so Lothar de Maizière.

 

Die Einigungsverträge haben sich bewährt

Rückblickend hielt der Ministerpräsident a.D. fest hätten sich die damals in sehr kurzer Zeit erarbeiteten Verträge insgesamt bewährt. Manchmal sei es hart her gegangen bei den Verhandlungen und natürlich seien Kompromisse zu schließen gewesen, bei denen sich insbesondere Wolfang Schäuble konstruktiv hervorgetan hätte. Die objektiven Schwierigkeiten der Vereinigung wie der Umbruch von heute auf morgen, die wirtschaftliche Transformation verbunden mit hohen Arbeitslosenzahlen usw. hätten damit jedoch nicht vermieden werden können.

Heute hätten wir diese Schwierigkeiten Gott sei Dank im Wesentlichen überwunden. Und wenn man die wirtschaftliche Transformation etwa mit anderen Ostblock-Staaten wie Russland und der Ukraine vergliche, in denen sich in der Folge Oligarchen breit gemacht haben, sei dies in Deutschland jedenfalls anders und besser gelaufen. Allerdings bedauert Lothar de Maizière die Ermordung des ersten Treuhandchefs Detlev Rohwedder am 1. April 1991, der einen mehr strukturpolitischen Ansatz bei der Privatisierung verfolgt habe, während seine Nachfolgerin Birgit Breuel diese mehr unter fiskalpolitischen Prämissen betrieben habe.

Auf jeden Fall hätte man im Osten Deutschlands heute eine moderne Infrastruktur, um die andere den Osten Deutschland durchaus beneideten. Zudem seien viele historische Städte kurz vor Toresschluss noch gerettet worden und erstrahlten heute im neuen Glanz.

Warum wir uns heute immer noch in manchen Dingen so schwer im Miteinander von Ost und West tun, ist für Lothar de Maizière einerseits eine Frage von regionalen Prägungen und Mentalitäten, aber auch eine Frage eines teilweise immer noch vorhandenen Rückstands oder eines Gefühls, weiterhin zurückgesetzt zu sein, im Osten gegenüber dem Westen. Irgendwann werde es aber kein „Ossi“ und „Wessi“ mehr geben, schaute Lothar de Maizière optimistisch in die Zukunft.

Die Arbeit an der Einheit Deutschlands hatte für Lothar de Maizière aber auch persönlich ihren Preis. 759 Kabinettsvorlagen seien damals in kurzer Zeit zu bearbeiten gewesen, gearbeitet worden sei oft von früh morgens bis tief in die Nacht. Am Ende, am 3. Oktober 1990, sei er selbst von 67 auf 51 Kilo abgemagert und nur noch „Knochen und Pelle“ gewesen, erzählte er. Danach habe er ein Dreivierteljahr nachts noch oft für sich weiter verhandelt am Einigungsvertrag und kritische Punkte wie zum Beispiel die Rentenfrage hin und her gewälzt.

Aber er sei immer dankbar gewesen für die Deutsche Wiedervereinigung. Gerade die kulturelle Zusammengehörigkeit sei die Grundlage für die Einheit gewesen. Kritikern halte er entgegen, zunächst einmal auf das zu schauen, was wir alles geschafft hätten in diesem Prozess. Dann könne man auch über die Unzulänglichkeiten und Probleme sprechen.

 

Ein Vater der Deutschen Einheit

In zwei weiteren Beiträgen ehrten Prof. Dr. Hans Joachim Meyer und der Vorsitzende der Seniorenunion Brandenburgs, Ingo Hansen, Lothar de Maizière als einen Vater der Deutschen Einheit. Meyer, der Minister für Bildung und Wissenschaft in der Regierung de Maizière und danach zwölf Jahre Kultusminister in Sachsen war, beschrieb die schwierige Situation, in der damals verhandelt wurde, ohne dass man gegenseitig all zu viel Ahnung vom Leben im Osten oder Westen gehabt hätte. Er kritisierte dabei eine Attitüde im Westen, die darauf zielte, der sogenanten „Laienspielschar“ im Osten das Heft aus der Hand zu nehmen, um den Osten dann in Ordnung zu bringen. Dem habe sich Lothar de Maizière geschickt widersetzt und selbst die Dinge vorangetrieben. Den lesens- und bedenkenswerten Beitrag von Prof. Meyer veröffentlichen wir separat auf unserer Internetseite. Ingo Hansen überreichte Lothar de Maizière zum Abschluss der Veranstaltung die Ehrenurkunde der Seniorenunion Brandenburg für Verdienste um die Deutsche Einheit verbunden mit einer Ehrennadel.

 

Lebensdaten von Lothar de Maizière

 

  • Geboren 1940 als waschechter Berliner Hugenotte am Südrand des Harzes in Nordhausen, aber aufgewachsen in Berlin.
  • Seit 1956 Mitglied der CDU-Ost ohne weitere Funktionen bis 1989.
  • 1958 Abitur am "Grauen Kloster" in Ost-Berlin, dem ältesten Gymnasium Berlins.
  • 1959-65 Studium Viola/Bratsche an der Hochschule Hanns Eisler in Berlin-Ost.
  • Bis 1975 an mehreren Orchestern als Bratschist tätig. Parallel seit 1969 Studium der Rechtswissenschaften an der Humbodt-Universität Berlin, da ihn eine Nervenentzündung im Arm als Musiker behinderte.
  • Seit 1975 Tätigkeit als Rechtsanwalt, vor allem auch in der Vertretung von jugendlichen Wehrdienstverweigerern in der DDR.
  • 1986-90 Vizepräses der Synode der Evangelischen Kirche in der DDR.
  • 10. November 1989 - 1. Oktober 1990 Vorsitzender der CDU-Ost.
  • 18. November 1989 EIntrittt in die Regierung Modrow als Stellv. Ministerpräsident und Minister für Kirchenfragen.
  • 5. Dezember Austritt der CDU-Ost aus dem sogenannten "Demokratischen Block".
  • 18. März 1990 freie Volkskammerwahlen; die CDU siegt mit 40,8 Prozent mit ihrem Spitzenkandidaten Lothar de Maizière.
  • 12. April 1990 Wahl zum Ministerpräsidenten der DDR, von August an zugleich auch Außenminister.
  • Von Oktober 1990 bis zu seinem Rücktritt am 6. September 1991 Erster Stellvertretender Vorsitzender der gesamtdeutschen CDU und zugleich Landesvorsitzender der CDU in Brandenburg.
  • Oktober 1990 bis 15. Oktober 1991 Mitglied des Deutschen Bundestages.
  • 3. Oktober bis 19. Dezember 1990 Bundesminister für besondere Aufgaben.
  • Seit 1996 mit eigener Anwaltskanzlei in Berlin vertreten.
  • Unter anderem Mitbegründer und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft, einem überparteilichen Bürgerverein zur Förderung politischer, kultureller und sozialer Beziehungen in Deutschland und Europa.

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Kontakt

Stephan Georg Raabe

Stefan Georg Raabe

Leiter des Auslandsbüros Bosnien und Herzegowina in Sarajevo

Stephan.Raabe@kas.de +387 33 215 240
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