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Henning Bess analysiert in seinem Vortrag die Bedeutung der maritimen Sicherheit im 21. Jahrhundert für eine Handelsnation wie Deutschland und die Desiderate in diesem bis heute "stiefmütterlich behandelten" Bereich der Sicherheitspolitik:
"Immerhin ein Viertel der in Deutschland benötigten Waren kommen über die deutschen Seehäfen an Nord- und Ostsee ins Land. (...) Wertmäßig belief sich 2011 der Anteil des seewärtigen Außenhandels auf 437,2 Mrd. EUR oder 22,2% des deutschen Außenhandelswertes." Zudem: "Vier Fünftel der europäischen Öl- und Erdgasproduktion stammen aus der Nordsee, dem Mittelmeer und der Adria, tausende Kilometer Leitung dieser lebensnotwendigen Energieversorgung für Europa und für Deutschland liegen am Meeresboden. Der Ausbau der Windkraftfelder in Küstennähe schreitet stetig voran. Die Europäische Union und damit auch Deutschland wären von Störungen dieser Lebensadern auf See unmittelbar betroffen."
Bess kommt zu der Schlussfolgerung, dass die globalen Herausforderungen allesamt direkt oder indirekt mit maritimer Sicherheit zu tun hätten. Diametral entgegengesetzt zur Bedeutung der See-Sicherheit sei hingegen das Interesse an diesem Bereich. Maritime Fragen genössen "weder in Deutschland noch in Europa besondere Aufmerksamkeit", es herrsche "ein mangelndes maritimes Bewusstsein". In Deutschland fehle bisher jedes Anzeichen, der hohen Bedeutung maritimer Belange für die Außen- und Sicherheitspolitik durch die Herausgabe einer maritimen Strategie Rechnung zu tragen, so Bess. Zwar sei ein maritimes Sicherheitszentrum geschaffen worden, welches die Arbeit aller zuständigen Behörden koordinieren soll. Die einzelnen Behörden verlören allerdings keineswegs ihre je eigenen Zuständigkeiten. Für Bess ist das ein "Kompromiss, der auf dem Papier schön aussehen mag, aber in der Praxis nicht die erforderliche Führungskompetenz hat." Nicht einmal eine nationale Küstenwache gebe es in Deutschland, sondern nur einen „Koordinierungsverbund Küstenwache“.
Es gäbe also einiges zu tun, so das Fazit des Admirals a.D. Letztlich sei maritime Sicherheit ein Prozess und Ergebnis von Good Governance. Deutschland müsse nicht nur wegen seiner Abhängigkeit von der See auf sicherheitspolitischem, ökonomischen und wissenschaftlichen Sektor alle Schritte unternehmen, damit Risiken nicht zu Bedrohungen würden. Was die Handlungsfelder der Zukunft angeht, macht Bess in seinem Vortrag einige Vorschläge.
Die Problemlösung im militärischen Bereich der maritimen Sicherheit sieht er etwa "in einem weit greifenden Zusammenschluss der Aufgaben, an deren Ende eine gemeinsame European Navy und eine gemeinsame Europäische Armee stehen." Warum betrieben die Europäer, so fragt Bess, nicht längst gemeinsam einen europäischen Flugzeugträger, denn einen solchen könne sich inzwischen keine europäische Marine mehr allein leisten.
Der gesamte Vortrag ist in der PDF-Datei nachzulesen.