Veranstaltungsberichte
Unter dem Titel „Südtirol – Eine Region in Europa“ nahmen 13 Teilnehmer vom 5. bis zum 10. Juni 2018 an einer Studienreise nach Südtirol teil. Organisiert und durchgeführt wurde die Studienreise vom Politischen Bildungsforum Brandenburg der Konrad-Adenauer-Stiftung. Der Schwerpunkt lag zum einen auf verschiedenen Vorträgen und Gesprächen zur Politik und dem Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen in Südtirol und zum anderen auf Stadtführungen und Besuchen einiger Highlights, um die Vielfalt einer eher unbekannten Region Europas kennenzulernen.
Von einer eher ärmeren Region – anfangs noch als Teil der gesamten Region Tirol – im Staatenverbund Österreich-Ungarn entwickelte sich Südtirol seit den 1970er-Jahren zu einer der wirtschaftlich stärksten Regionen in Italien und ganz Europa. Als Südtirol im Jahr 1918 Italien zugesprochen wurde, folgten jedoch erst Jahrzehnte der Unterdrückung und der Autonomiebestrebungen. Heute kann Südtirol wohl als eine der Regionen in Europa gesehen werden, die maßgeblich von der europäischen Integration profitiert und zugleich den Wert der Europäischen Union für Wirtschaft und gesellschaftlichen Zusammenhalt aufzeigt. Rund 525.000 Einwohner leben heute gemeinsam und friedlich in ihrer autonomen Region, obwohl sie verschiedenen Sprachgruppen angehören (62 % deutschsprachig, 24 % italienischsprachig, 4 % ladinische Bevölkerung und ca. 10 % andere Sprachgruppen).
Nach einer langen Anreise nach Goldrain im Vinschgau, warteten auf die Teilnehmer fünf Nächte im Bildungshaus Schloss Goldrain und ein vielfältiges Programm in den nachfolgenden Tagen.
Einer kurzen Einführung in die Geschichte und Politik Südtirols durch den Tagungsleiter folgten, nachmittags Einblicke in die Wirtschaft und in die tragische Geschichte Südtirols im Ersten Weltkrieg sowie in der darauffolgenden Zeit. Dr. Urban Perkmann, Direktor des Amtes für Studien der Handelskammer Bozen, präsentierte interessante und zugleich beeindruckende Daten zur Südtiroler Wirtschaft. Dass Südtirol nur eine Arbeitslosigkeit von rund 3 % besitzt und Migranten aktiver in den Arbeitsmarkt als Deutschland integriert, war ebenso interessant wie Zahlen zur Kaufkraft, dem (im Vergleich zu Deutschland) etwas niedrigeren Lohnniveau und dem Ausmaß der Bedeutung des Tourismus für die Wirtschaft der autonomen Region. Stolze sieben Millionen Touristen finden so jährlich den Weg nach Südtirol und verbringen dort mehr als 32 Millionen Übernachtungen.
Der Historiker Dr. Hannes Obermair beschäftigt sich mit dem Ende des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren und untersucht dabei einen eher vergessenen Teil der Kriegsgeschichte: den Alpenkrieg. Zahlreiche erfahrene Soldaten auf italienischer und deutscher Seite verloren ihr Leben in Höhen über 3.000 Meter. Die meisten von ihnen durch Kälte, Hunger und Lawinenabstürze. Neben den Folgen der Zuteilung Südtirols an Italien, dem zeitweisen Verbot der deutschen Sprache und dem – auch gewaltbereiten – Bestreben der Südtiroler Bevölkerung nach einem Status als autonome Region innerhalb Italiens, kam Dr. Obermair auch auf die heutige Erinnerungskultur Italiens in Bezug auf die Zeit des Faschismus zu sprechen. Bis heute zieren so Runen, Büsten und Zitate aus der Zeit Mussolinis einige Bauwerke in der Innenstadt Bozens, die erst in den letzten Jahren durch verschiedene Projekte eine Art Aufarbeitung erfahren konnten.
Die darauffolgenden Tage führten die Teilnehmer in die Kurstadt Meran und die Landeshauptstadt Bozen. Dort wurden u.a. der Botanische Garten, das Museums im Schloss Trauttmansdorff und die Innenstädte Merans und Bozens besichtigt. Einige Teilnehmer nutzten ebenfalls die Möglichkeit, über den „Sissi-Weg“ von den Gärten bis in das Zentrum Merans zu laufen und so auf den Spuren der damaligen österreichischen Kaiserin zu wandeln.
Der folgende Tag in Bozen begann mit einem Besuch im Archäologischen Museum. Die dort ausgestellte Eismumie „Ötzi“ erwies sich noch immer als Anziehungspunkt zahlreicher Touristen und Schulgruppen. Die Teilnehmer der Bildungsreise gewannen so einen Überblick über das Leben und den Tod Ötzis, der ca. 3300 v. Chr. lebte. Neben zahlreichen kleinen Höhepunkten der Reise stellte der Besuch im Landtag Südtirols zumindest den Höhepunkt des Tages in Bozen dar. Nach einem kleinen Einführungsfilm über das politische System Südtirols und die Funktionsweisen verschiedener Institutionen nahm sich das Präsidiumsmitglied des Südtiroler Landtags, Frau Maria Hochgruber Kuenzer (Südtiroler Volkspartei, SVP), die Zeit und erzählte von ihrer Arbeit im Parlament sowie dem Leben in der Landwirtschaft. Die Teilnehmer hatten im Anschluss genug Raum, um mit der Abgeordneten über Themen wie Grundsteuer oder Wirtschaft zu diskutieren.. Einer Stadtführung durch Bozen folgend, fand ein Gespräch beim Abendessen mit Josef Kusstatscher statt. Herr Kusstatscher, ehemaliger Abgeordneter im Südtiroler Landtag und im Europäischen Parlament, erzählte den Teilnehmern einleitend von der Interkulturalität und dem mehrsprachigen Zusammenleben in Südtirol. Darüber hinaus kamen kleine Anekdoten sowie Diskussionen zu Pestiziden, Migration und Politik nicht zu kurz. Es war ein gelungener Abschluss des Tages.
Am letzten Tag vor der Abreise stand eine leichte Wanderung auf dem Programm. Immerhin kommen jedes Jahr rund zwei Drittel aller Touristen zur Sommersaison in die autonome Region und ein Großteil verbindet einen Besuch in Südtirol mit einer Wanderung. Ziel war das Schloss Juval, das im Juli und August von Reinhold Messner bewohnt wird und in der übrigen Zeit als Museum den Besuchern offen steht. Den Abschluss bildete ein Vortrag zum Klimawandel in den Alpen.
Gut versorgt mit mannigfaltigen Eindrücken zur Politik, Geschichte und Wirtschaft Südtirols sowie dem gesellschaftlichen Zusammenleben verschiedener Sprachgruppen in Städten und Tälern, traten alle Teilnehmer der Studienreise Südtirol individuell ihre Heimreise an.