Keynote – „Security Challenges in an Unraveling World“ / Referenten: José Múcio Monteiro (Verteidigungsminister Brasiliens), Juan Battaleme (Staatssekretär für internationale Verteidigungsangelegenheiten Argentiniens), Cosmin Dobran (Direktor für Frieden, Zusammenarbeit und Krisenmanagement des Auswärtigen Dienstes der Europäischen Union), Moderation: Márcia Loureiro (Staatssekretärin für brasilianische Auslandsgemeinden und konsularische und juristische Angelegenheiten im brasilianischen Außenministerium)
Gerade die Debatte über internationale Kriminalität ist unerlässlich für das lateinamerikanische Sicherheitsverständnis und wurde ausdrücklich vom Minister Múcio in seiner Eingangsrede eingefordert. Indem auf den vier Panels jeweils eine multilaterale, transnationale, globale und internationale Perspektive von Sicherheit diskutiert wurde, kam das Auslandsbüro Brasilien der Konrad-Adenauer-Stiftung beiden Regionen entgegen – und brachte sie so als transatlantischer Vermittler zusammen. Bereits auf dem Eröffnungspanel waren drei Teilnehmer aus der Gruppe der 20 vertreten, die in rund eineinhalb Monaten ihr Gipfeltreffen in Rio de Janeiro abhalten wird. Auf Betreiben des brasilianischen Präsidenten Lula da Silva soll das Zusammentreffen der Staatschefs aus den bedeutendsten Schwellen- und Industrieländern ausdrücklich nicht dazu genutzt werden, um die sich beständig verschlechternde sicherheitspolitische Lage zu thematisieren. Die Internationale Sicherheitskonferenz Forte bot daher eine willkommene Plattform, um im Fahrwasser der G20-Treffen den so dringend benötigten sicherheits- und verteidigungspolitischen Austausch zu fördern.
PANEL 1 – „Forging new paths for Multilateralism“ / Referenten: Melina Risso (Direktorin des Iguarapé-Instituts), João Gomes Cravinho (Außenminister Portugals a.D.), Jonatan Vseviov (Generalsekretär des Außenministeriums Estlands), Moderation: Henning Speck (außen- und sicherheitspolitischer Berater der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion)
Bereits der Rückblick auf mehr als zwei Jahrzehnte Forte veranschaulicht die Erosion der weltweiten Sicherheitsarchitektur, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg herausgebildet hatte und den Kalten Krieg überdauerte. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine brachte längst für überholt geglaubte Materialschlachten und Grabenkriege zurück nach Europa. Auch der Nahostkonflikt flammt trotz der Abraham Accords wieder auf. Das erste Panel ging der Frage nach, ob die in der Nachkriegszeit geschaffenen multilateralen Institutionen überhaupt noch zeitgemäß sind. Während Risso und Cravinho hervorhoben, dass die von den Bretton Woods-Institutionen geprägten Handels- und Wirtschaftsregime gerade wirtschaftlich schwächere Länder außer Acht ließen, verwies Vseviov auf die Ohnmacht des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, der vom Aggressor Russland nach Belieben blockiert werden könne.
PANEL 2 – „Organized Crime and Democracy: the global Scale of the parallel State“ / Referenten: Samira Bueno (Direktorin des Brasilianischen Forums für innere Sicherheit, Alberto Lara (General und Vizeminister für Sicherheit und Verteidigung Kolumbiens a.D.), Moderation: Fernando Azevedo e Silva (brasilianischer Verteidigungsminister a.D.)
Beide Experten beleuchteten die von außen kaum zu durchdringende Problematik der organisierten Kriminalität aus einer lateinamerikanischen Perspektive heraus. Damit entbehrte das vom ehemaligen brasilianischen Verteidigungsminister Fernando Azevedo e Silva moderierte Panel zwar einer dezidiert europäischen Sichtweise, sowohl Bueno als auch Lara wiesen jedoch folgerichtig darauf hin, dass Verbrechen keine Grenzen kenne. Ob als Finanzierungsquelle für den internationalen Terrorismus, als Auslöser für Migrationsströme, Verursacher für Verbrechen an der Umwelt oder Bedrohung der inneren Sicherheit – es mangelt nicht an Gesprächsbedarf.
PANEL 3 – „Climate meets Security: local threats, global impact“ / Speakers: Fabricio Cabrera Ortiz (kolumbianischer General, Stratege und Berater), Kgaugelo Mkumbeni (Forscherin am südafrikanischen Think Tank ISS), Moderation: Feliciano Guimarães (akad. Direktor des institutionellen Partners der KAS Brasilien CEBRI)
Unbegrenzt und immer bedrohlicher erweisen sich die an Geschwindigkeit gewinnenden Veränderungen des Weltklimas. Wenige Monate nach den verheerenden Überschwemmungen im südbrasilianischen Bundesstaat Rio Grande do Sul verknüpfte das dritte Panel den Problemkomplex Klima und Sicherheit. Jenseits der Verwüstungen, der wirtschaftlichen Schäden und der Versorgungsengpässen erodiert die Sicherheitslage im Zuge von Naturkatastrophen. Durch den rasanten Klimawandel drohen sowohl inner- als auch zwischenstaatliche Verwerfungen.
PANEL 4 – „On the Horizon: Understanding Escalating Geopolitical Tensions“ / Referenten: Catarina dos Santos-Wintz (MdB der CDU/CSU-Fraktion), Barbora Maronkova (NATO), Ronaldo Carmona (Dozent an der Obersten Kriegsschule Brasiliens), Moderation: Oliver Stuenkel (Professor, Kolumnist und Autor)
Im abschließenden vierten Panel kehrte die Diskussion zu den aktuellen geopolitischen Herausforderungen zurück. Trotz der zahlreichen Kongruenzen zwischen Brasilien und Lateinamerika auf der einen sowie Deutschland und Europa auf der anderen Seite konnte das Podium außenpolitische Divergenzen nicht verbergen. Während Carmona gegenüber dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine Verständnis zeigte und dies mit einer angeblichen Expansion der NATO rechtfertigte, verwies Maronkova auf den Verteidigungscharakter des Bündnisses. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Catarina dos Santos-Wintz konnte in der Paneldiskussion einen Trumpf ziehen, da die gebürtige Portugiesin keinen Übersetzer benötigte. Obwohl in der Sache gestritten wurde, endete das Panel einvernehmlich, indem man darin übereinstimmte, nicht übereinzustimmen.
Auch in Lateinamerika, das bislang abseits der heißesten Brandherde lag, wächst der Bedarf an einem ausgefeilten Austausch über die „harten“ sicherheits- und verteidigungspolitischen Fragen unserer Zeit. Die „Globalisierung der Unsicherheit“ weckt in der Region nun auch jenseits der Expertenkreise das Interesse, Erklärungen für die immer komplexer werdenden Zusammenhänge zu finden.
Ziel der Konferenz ist es jedoch, den Dialog zwischen Europa und Lateinamerika, insbesondere zwischen Deutschland und Brasilien, zu intensivieren. Ein Blick auf die jüngsten Verstimmungen unterstreicht die Bedeutung eines ausgiebigen Austauschs in den „anderen“ transatlantischen Beziehungen.
Begann die Sicherheitskonferenz Forte noch als exklusive Zusammenkunft einiger Fachleute hinter den dicken Mauern der Küstenbefestigungsanlage Forte de Copacabana, öffnete sich in den letzten Jahren der Teilnehmerkreis. Die diesjährige Sicherheitskonferenz wurde von Hunderten von Zuschauern zu Hause per Livestream oder vor Ort im spektakulären Museu do Amanhã in Rio de Janeiro verfolgt. Unter den geladenen Gästen waren mehr als 13 Nationalitäten aus vier Kontinenten vertreten.
Maximilian Benjamin Hedrich, seit Dezember 2023 Leiter des Auslandsbüros Brasilien der KAS, zog ein positives Fazit über seine erste Forte Sicherheitskonferenz, mahnte gleichzeitig jedoch größere Anstrengungen, insbesondere der Europäer, an. Die Partnerschaft mit Brasilien sei zwar im gegenseitigen Interesse, bedürfe aber eines intensiveren Austauschs, um den Gesprächspartnern tatsächlich auf Augenhöhe begegnen zu können.