Veranstaltungsberichte
Zum Einstieg in den Abend referierte Prof. Dr. Wolfgang Rudzio über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Volksparteien. In seinem Impulsreferat stellte er die Parteiensysteme der Weimarer Republik („Klientelpolitik“) und der Bundesrepublik gegenüber und wies den Volksparteien CDU und SPD als zuverlässigen Mehrheitsbeschaffern eine zentrale Bedeutung für die deutsche Demokratie zu. Anhand von Statistiken arbeitete er heraus, dass die Volksparteien nach wie vor den Kern ihrer Wählerschaft ansprechen, räumte aber auch ein, dass „zahlreiche Stellungen geräumt“ werden würden. Dennoch fiel seine Prognose positiv aus: Die Volksparteien hätten zwar an Gewicht verloren, aber gute Chancen, sich wieder zu erholen.
In der darauf folgenden Diskussionsrunde, moderiert durch Frank-Matthias Wacket, konstatierte Ingo Schierenbeck, Hauptgeschäftsführer der Arbeitnehmerkammer Bremen, eine „Krise des politischen Systems“. Mit Verweis auf die Finanzkrise stellte er die Frage: „Wer regiert dieses Land? Die Politik oder andere?“ Claudius Kaminiarz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen in Bremerhaven, pflichtete Prof. Rudzios Ausführungen zur Auflösung der etablierten Milieus bei und stellte es als großen Fortschritt dar, „dass wir eine Gesellschaft von Gleichen werden.“
Thorsten Raschen, Mitglied der CDU-Stadtverordnetenfraktion Bremerhaven, hingegen warnte vor uneingelösten Wahlversprechen. Regierungen, die ihre Positionen nach der Wahl aufgeben, würden das Vertrauen in die Politik zerstören. Die Arbeit der großen Koalition in Bremerhaven bewertete er positiv, beklagte jedoch die Vielzahl der in der Stadtverordnetenversammlung vertretenen Parteien, die an Weimarer Verhältnisse erinnern würde.
Rolf Wilhelm, ehemaliger Sprecher der Stadtteilkonferenz Leherheide, mahnte mehr „Verlässlichkeit und Ehrlichkeit“ in der Politik an. Die Politik müsse mehr Problemslösungskompetenz haben, die von den Bürgern wahrgenommen werden kann. Kaminiarz rief dazu auf, den Menschen wieder zu vermitteln, dass Politik mehr ist als Selbstzweck und forderte mehr Bürgerbeteiligung.
Aus dem Publikum wurde vor allem die mangelnde Erreichbarkeit der Politik beklagt. Am Ende einigte man sich in der Diskussionsrunde auf die Notwendigkeit einer größeren Bürgerbeteiligung. Einer Jamaika-Koalition als Lösung der Probleme wurde von Seiten des Publikums eine Absage erteilt.