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Veranstaltungsberichte

„Wie war Hitler möglich?“

Für die Beantwortung der Fragestellung „Wie war Hitler möglich?“ bediente sich Dr. Hans-Ulrich Thamer, Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster, in der Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung vor 150 Gästen eines multikausalen Erklärungsansatzes. „Alle Einzelerklärungen reichen nicht aus, sondern sind erst im Bündel tragfähig“, betonte der Referent.

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Der Hauptkurator der Ausstellung „Hitler und die Deutschen – Volksgemeinschaft und Verbrechen“ des Deutschen Historischen Museums in Berlin unterschied in seinem Vortrag zwischen zwei Zeiträumen: Den Weg zu Hitlers „Machtergreifung“ 1919 bis 1933 – die Thamer als „Machtübertragung“ bezeichnete – gegenüber dem Zeitraum zwischen 1933 und dem Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939. Hierbei stellte er die Wechselbeziehung einer ganzen Kette von Faktoren in den Vordergrund – angefangen bei der Dauerkrise der Weimarer Republik bis hin zu der erfolgreichen Wahlkampfmaschinerie der NSDAP mit modernster Technik.

Zunächst räumte Thamer mit dem monokausalen Erklärungsansatz älterer Geschichtsforschung auf, Hitler habe die deutsche Bevölkerung allein mit seinem unwiderstehlichen Charisma zu blenden und zu begeistern vermocht. „Hitler alleine war ein ‚Nobody’“, zitierte er den Publizisten und Hitler-Biographen Joachim Fest. Stattdessen habe er die „wirren Zeiten voller Krisen, Ängste und Katastrophen“ für sich zu nutzen gewusst, in denen verschiedene Wünsche und Erwartungen der Bevölkerung auf Hitler als Erlöserfigur projiziert worden seien. Die Nationalsozialisten hätten durch die von ihnen immerzu propagierte Volksgemeinschaft – ein sehr diffuser Begriff, in den jeder Deutsche seine persönlichen Hoffnungen habe setzen können – sowie ihren mit Gewaltbereitschaft gepaarten Aktivismus die damalige Mentalität getroffen. Nicht besondere Charaktereigenschaften Hitlers, sondern die Befindlichkeiten der Deutschen erklärten daher seinen ungewöhnlich schnellen politischen Aufstieg, unterstrich Thamer. Die „Militarisierung der Straße“ durch SA und SS habe zwar eine Rolle gespielt, doch Hitlers Herrschaft sei mehr durch Faszination und Verführung als durch Gewalt ermöglicht worden.

Obwohl zeitgenössische Stimmen wie Otto Braun den als Schmach empfundenen Versailler Vertrag sowie die bolschewistische Bedrohung aus dem Osten als Gründe für Hitlers Erfolg anführten, trugen diese laut Thamer zwar dazu bei, genügten aber nicht. Ebenso wenig seien die Weltwirtschaftskrise von 1929 oder die Propaganda der NSDAP als Erklärungen ausreichend. Dass trotz der ungeheuerlichen Herausforderungen für viele europäische Gesellschaften nur in Deutschland dieser „totalitäre Sonderweg“ eingeschlagen worden sei, liege an der „fatalen Bündelung“ all dieser Umstände, in denen die Bevölkerung sich in Mythen flüchtete, anstatt demokratische Wege zu finden.

Der NSDAP sei es zunächst gelungen, Protestwähler aller Gesellschaftsschichten zu mobilisieren, habe diese aber nicht langfristig binden können. Laut Thamer bestand damals daher die Möglichkeit, dass die NSDAP sich „totwählt“, aber die alten Machteliten hätten den „katastrophalen Fehler“ begangen, Hitler entgegenzukommen in dem Glauben, die NSDAP sei schon geschwächt und lasse sich ausnutzen. Stattdessen konnte diese durch eine zunehmende Massenmobilisierung von unten die Verhältnisse umkehren, wie Thamer erläuterte, und leitete in ihrem Machthunger einen „Prozess ohne Ende“ ein. Zusammen mit einer nach 1933 „permanenten Radikalisierung der Basis mit immer neuen Zielen“ und der Auflösung aller institutionellen Schranken im Staat sei eine Umkehr daher unmöglich gewesen.

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