Veranstaltungsberichte
130 Zuhörer waren gekommen, um Joachim Gauck zu hören; nicht jeder fand einen Sitzplatz im Bildungswerk Bremen. Gauck kam, um den „Wessis“ die Welt der Ostdeutschen zu verdeutlichen, ohne (N)Ostalgie. Anhand prägnanter Beispiele aus dem Alltag versuchte der evangelische Pfarrer aus Mecklenburg dafür zu sensibilisieren, „wie es wirklich war“. Damals, als Witze über Honecker einen noch in das Gefängnis bringen konnten und „der schlimmste Feind des Sozialismus der Otto-Katalog war“.
Die Verführbarkeit des Menschen
In der DDR gab es zwar vier Parteien, verdeutlichte Gauck, aber nur eine hatte was zu sagen: die SED. Für viele DDR-Bürger war der berufliche Aufstieg damit verbunden, ob sie Mitglied in „der Partei“ waren. „Was hätten Sie gemacht?“, fragte Gauck die Zuhörer und verdeutlichte das Spiel des „Gebens und Nehmens“, wie es in der DDR gespielt wurde. So offenbarte er die Verführbarkeit des Menschen in einer Diktatur.
Gauck, der von 1990 bis 2000 Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR war und seit 2003 Vorsitzender des Vereins „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ ist, differenzierte zwei Arten von Nostalgie: eine politische und eine unpolitische.
Zur politischen Nostalgie zählte Gauck, dass über Fakten der Unterdrückung in der DDR hinweggesehen wurde. Als Beispiel nannte er die Partei „Die Linke“, in der er eine Ansammlung „roter Reaktionäre“ sieht. Eine andere Form der Nostalgie, welche für Gauck vielleicht sogar die Schlimmere darstellt, ist der Glaube, dass dort, wo man jahrelang gelebt hat, doch nicht alles schlecht gewesen sein kann! Der ehemalige Bundesbeauftragte sah hier ein Indiz, dass die Aufarbeitung der Geschichte noch lange nicht abgeschlossen sei. „Sie ist ein mühsamer Prozess“, resümierte der Theologe. Zur Aufarbeitung gehört für Gauck, sowohl alle Fakten aufzunehmen und zu verarbeiten, als auch ein „karthasisches Element“, wo Scham und Reue zusammenkommen.
Joachim Gauck zeigte sich als entschiedener Befürworter der freiheitlichen Gesellschaft. „Wir sind die Subjekte, die Bürger. Es ist alles möglich!“