Veranstaltungsberichte
Dass Kinder nach wie vor die am häufigsten von Armut betroffene Altersgruppe sind, spiegelt sich insbesondere in Bremen wider: Laut Armuts- und Reichtumsbericht des Landes Bremen aus dem Jahr 2009 leben 30% der Kinder in der Stadt Bremen und 40% der Kinder in Bremerhaven in SGB2-Bedarfsgemeinschaften. Mit 16,6% ist der Anteil der Haushalte mit Kindern nicht-erwerbstätiger Eltern sogar am höchsten in der Bundesrepublik. Diese Zahlen beweisen daher ganz deutlich, dass Kinderarmut ein „beschämendes“ Problem in der Hansestadt ist. Wie sich Kinderarmut darstellt, verdeutlichte Dr. Richter-Kornweitz in ihrem Impulsreferat zu Beginn der Veranstaltung. Die Referentin betonte, dass Armut vor allem soziale Isolation bedeutet. „Man kann davon leben, aber nicht in dieser Gesellschaft“, zitierte Dr. Richter-Kornweitz eine alleinerziehende Mutter. Insbesondere die gesundheitlichen Folgen sind gravierend für arme Kinder, Karies und Fettleibigkeit sind nur zwei Beispiele, die verkürzte Lebenserwartung von acht Jahren bei Frauen und zehn Jahren bei Männern ein anderes. Diese gesundheitlichen Probleme sind ein Resultat mangelnder Ressourcen, welches sich durch weitere Lebensbereiche der betroffenen Kinder zieht. Ihnen mangelt es an Geld, an Kompetenzen und an Wissen, konkretisierte die Referentin das Problem. „Wir wissen, was wir tun müssen“, konstatierte Richter-Kornweitz zum Ende ihres Vortrags in Bezug auf einen von ihr mitentwickelten 10-Punkte Plan gegen Kinderarmut. Doch ob dieses „Rezept“ jeder Stadt gleich zu verschreiben sei, vermag auch die Referentin nicht zu bestätigen.
Die spezifischen bremischen Probleme wurden im Anschluss in der Podiumsdiskussion thematisiert. Auf die Frage, was die Bremer Politik tun könne, packte Elisabeth Motschmann, das Problem an der Wurzel: Kinderarmut sei gebunden an das fehlende Einkommen der Eltern, deshalb müssen als erster Schritt insbesondere Arbeitsplätze geschaffen werden, damit sich die finanzielle Situation der Familien verbessern könne, so Motschmann. Dabei differenzierte die Politikerin ganz klar: „wenn Kinder in Armut aufwachsen, heißt das nicht, dass sie dann ohne Liebe aufwachsen“. Peter Marquard vom Amt für soziale Dienste in Bremen hob in der Diskussion hervor, dass die Bekämpfung der Kinderarmut eine gesellschaftliche Verpflichtung sei und griff eine Position von Frau Dr. Richter-Kornweitz auf, dass nicht die individuelle Schuld der Betroffenen entscheidend sei. Neben der Forderung von eigenen Regelsätzen für Kinder ging der Vorstand des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Bremen, Wolfgang Luz, noch auf ein anderes Problem in der Stadt ein: die Segregation in den Bremer Stadtteilen. Laut Luz gehen in Schwachhausen rund 80% der Kinder auf ein Gymnasium, in Gröpelingen und Tenever sind es dagegen nur 20%. Darüber, dass dieser Unterschied zu groß sei, herrschte Einigkeit auf dem Podium. Frau Motschmann betonte in diesem Zusammenhang die Wichtigkeit einer guten Schulausbildung und bemängelte, dass die Schulabbrecherquote in Bremen ebenfalls viel zu hoch sei. In der Diskussion mit dem Publikum wurde verdeutlicht, dass das Problem der Kinderarmut über die parteipolitischen Interessen hinaus behandelt werden sollte. Nur mit allen Vertretern aus möglichste vielen Bereichen an einem Tisch könne man Lösungs- und Handlungsansätze finden, lautete der Tenor der Podiumsteilnehmer. Vielleicht ist dieses dann auch das passende Rezept für Bremen.