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In seinem Impulsreferat gab Georg Milbradt einen allgemeinen Überblick über die bundesdeutsche Finanzpolitik und kam dabei u. a. auf die Entwicklung der öffentlichen Gesamtschulden zu sprechen: So sei der Wiederaufbau seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 bis 1970 ohne Schulden bezahlt worden. Ab 1971 sei dann jedoch der Fehler begangen worden, die staatlichen Sozialausgaben in die Höhe zu treiben, sodass die Schuldenquote auf etwa 40 % des jährlichen Bruttoinlandproduktes (BIP) gestiegen sei. Infolge der Deutschen Einheit habe sich dieser Wert noch einmal um 20 % erhöht und heute betrage die Schuldenquote – nach einer weiteren Verschuldung – annähernd 80 %. Als eine mögliche Gegenmaßnahme führte Milbradt das „Schweizer Modell“ ins Feld. Hierbei handelt es sich um ein System, in dem jeder der 26 Kantone einem eigenen Finanz-Rating unterliegt, weil die einzelnen Gliedstaaten untereinander nicht für sich haften. „In Deutschland kann jedes Bundesland beliebig viele Kredite aufnehmen, da es wegen der gegenseitigen Haftung automatisch mit ‚triple A‘ (höchste Kreditwürdigkeit, Anm. d. Verf.) bewertet wird“, kritisierte Georg Milbradt.
In der von Christoph Sodemann (Chefredakteur von center.tv) moderierten Podiumsdiskussion spielte die von der Föderalismuskommission II Anfang 2009 beschlossene „Schuldenbremse“ eine zentrale Rolle. Diese sieht u. a. vor, dass auf Bundesebene eine strukturelle Verschuldung von nur noch 0,35 % des BIP zulässig ist und die Haushalte der Länder ab 2020 vollkommen ohne Einnahmen aus Krediten auskommen müssen. Die „ärmeren“ Bundesländer erhalten zwecks Erfüllbarkeit dieses Vorhabens bis 2019 Konsolidierungshilfen, die sich in Bremen auf jährlich 300 Millionen Euro belaufen. Wolfgang Schrörs sieht mehrere Einsparmöglichkeiten, die von der rot-grünen Koalition jedoch allesamt abgelehnt worden seien: „Bremen hat eine Schuldenlast von über 17 Milliarden Euro. Dem Gesamtetat von jährlich vier Milliarden Euro stehen lediglich drei Milliarden Euro Einnahmen entgegen. Daher müssen wir die Personalausgaben von derzeit 40 % drastisch senken.“ Finanzsenatorin Karoline Linnert indes verteidigte ihre Politik: „Wir wollen eine generationengerechte Politik betreiben, ohne dabei die Einhaltung möglichst einheitlicher Sozialstandards aus den Augen zu verlieren.“ Überdies würden bis zum Jahre 2014 950 Stellen im öffentlichen Dienst abgebaut, weshalb sie ergänzte: „Verschwendung lasse ich mir nicht vorwerfen.“
Auf das Podiumsgespräch folgte ein lebendiger Austausch mit dem Publikum, das konstruktive und äußerst kritische Fragen stellte. Thematisiert wurde u. a. das Strukturproblem in Bremen. So gebe es infolge des Wohnortprinzips eine ungerechte Finanzverteilung; rund 90.000 niedersächsische Berufspendler arbeiteten in Bremen. Das Problem sei hierbei, dass seit Ende der 1960er Jahre die Einkom-mensteuer nicht mehr am Arbeits-, sondern am Wohnort bezogen würde. Wolfgang Schrörs hingegen distanzierte sich von der rot-grünen Haltung, sich immer nur auf den „bösen Bund“ zu beziehen: „Dieser Senat muss endlich sparen und dies nicht über die Bürgerschaftswahl am 22. Mai 2011 hinauszögern!“ Georg Milbradt antwortete auf die Frage, was angesichts einer Staatsverschuldung von etwa 1,7 Billionen Euro denn nun konkret zu tun sei: „Wir befinden uns auf einem guten Weg mit der Schuldenbremse, sofern sie wirklich eingehalten wird.“ Abgerundet wurde der Abend durch einen kleinen Empfang im Industrie-Club, bei dem das Thema der Veranstaltung weiterhin lebhaft diskutiert wurde.