Veranstaltungsberichte
Zu Beginn führte Ralf Altenhof, Leiter der KAS Bremen, im Rahmen eines Impulsreferates in die Thematik ein. Unter anderem zählt hierzu eine Podiumsdiskussion mit dem ehemaligen Bayerischen Ministerpräsidenten Günther Beckstein im Dezember 2016 sowie die Veranstaltung der KAS mit dem international renommierten Stalinismus-Experten Prof. Jörg Baberowski im Oktober 2016, die auf Grund angekündigter Drohungen des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) der Uni Bremen, die Veranstaltung zu verhindern, in die Räume der KAS verlegt werden musste. „Die Streitkultur liegt im Argen, nicht nur in der Uni, aber auch in der Uni“, betonte Altenhof und „gefragt seien Argumente und keine Diffamierungen“.
Der AStA hatte Baberowski „Rassismus“, „Hetze“ und „gewaltverherrlichende Thesen“ vorgeworfen. Das Landgericht Köln entschied im März 2017 in seinem Urteil, dass all diese Aussagen dem Bremer AStA untersagt werden, weil er Baberowski „in rechtswidriger Weise falsch zitierte“. Durch das Weglassen einzelner Passagen seien die Äußerungen „aus dem Zusammenhang gerissen und damit insgesamt sinnentstellend wiedergegeben worden“. Allerdings darf dem Urteil zufolge Baberowskis Aussage, die Integration von Geflüchteten könne eine Bedrohung für „den sozialen Kitt, der unsere Gesellschaft einmal zusammengehalten hat“, darstellen, als rechtsradikal bezeichnet werden. Altenhof verwies darauf, dass der AStA zwar auf seiner Homepage darüber informiere, dass sie Widerspruch gegen die verhängte einstweilige Verfügung eingelegt hätten, doch der Ausgang des Verfahrens werde nicht verkündet. Die Homepage sei somit noch auf dem Stand vom 01. Februar 2017 - Transparenz sehe anders aus. Zu der Podiumsdiskussion über die Diskussionskultur in der Uni wurde der AStA dreimal von der KAS eingeladen, eine Reaktion blieb jedoch aus.
In Hinblick auf das Rektorat der Uni Bremen, begrüßte Altenhof die Feststellung des Rektors Bernd Scholz-Reiter als Reaktion auf Kritik seitens des AStA, dass die KAS und der RCDS mit ihren Veranstaltungen nicht die freiheitlich demokratische Grundordnung gefährden. Dennoch sei bis zum heutigen Tage keine öffentliche klare Zurückweisung durch das Rektorat über das Auftreten des AStA erfolgt. Das schade dem Ruf der Uni enorm – Leidtragende seien die Studierenden.
Moderator Jan-Philipp Hein eröffnete die Podiumsdiskussion mit der Frage, ob keine Streitkultur an der Uni existiere. Scholz-Reiter bezeichnete die Uni Bremen mit insgesamt 25.000 Studierenden und Mitarbeitern als eigene Kleinstadt, die ein Spiegelbild der Gesellschaft darstelle. Viele auch kontroverse Veranstaltungen hätten bisher ohne Sicherheitsschutz stattgefunden, solche Vorkommnisse seien relativ selten. Dass sich der AStA der heutigen Diskussion nicht gestellt habe, bedaure er jedoch. Bergmann bezeichnete den AStA als „Vorfilter“ und betonte, dass man nicht ohne Worte streiten könne. Ebenfalls müsse es auch an einer Universität möglich sein, sich in hochschulpolitischen Gruppen, die nicht „mainstream“ seien, zu engagieren, ohne bedroht zu werden. Der Aufruf in der AStA-Etage „Bildet euch, bildet andere, bildet aus“, bildlich ergänzt durch einen vermummten jungen Mann mit einer Hand zur Faust geballt und in der anderen ein Buch zum Werfen bereit, spreche nach Bergmann für sich.
Buchner sah das „latente Problem“ viel mehr darin, dass es politischen Hochschulgruppen neben denen im AStA nicht möglich sei, einen Wahlkampf auf dem Campus zu führen, ohne auf eine „eindimensionale Aggressivität“ zu stoßen und sprach von einer „Vernichtungs- und Zerstörungswut“ einzelner Gruppen. Verstärkt werde das Problem zusätzlich durch die Möglichkeiten der heutigen Online-Kommunikation. Dem stimmte Ohly zu und betonte, sogar sechsmal überlegt zu haben, sich hochschulpolitisch beim RCDS zu engagieren. Der RCDS sei ein eingetragener Verein und müsse die Möglichkeit haben, ohne Einschränkungen auch auf dem Campus aktiv zu sein. Wolf hingegen empfand Gesagtes als „arg dick aufgetragen“. Er selbst habe in 99% der Fälle andere Erfahrungen gemacht. Einen „Anstoß“ zum Engagement in der Hochschulpolitik möchte er seinen Studierenden dennoch geben.
Die finale Frage Heins, was gegen gegenwärtige Tendenzen zu tun sei, beantwortete Scholz-Reiter mit einer Aufforderung an die Studierendenschaft, sich mehr an den Hochschulwahlen zu beteiligen. Eine Wahlbeteiligung von nur 8-10% könne für keine großen Veränderungen in der AStA-Zusammensetzung sorgen. Er könne nicht in 20 000 Köpfe schauen und wenn niemand komme, um sich zu beschweren, könne auch nichts verändert werden. Auf die Wortmeldung aus dem Publikum eines RCDS-Mitglieds, dass sie an der Uni nach Bekanntgabe ihres hochschulpolitischen Engagements beim RCDS als Nazi beschimpft werde und was sie denn tun könne, entgegnete Scholz-Reiter die Möglichkeit einer Strafanzeige. Diese Aussage sorgte nicht nur für Unbehagen im Publikum. Auch nach Bergmann sei es Aufgabe eines Rektors, mit frühzeitigen Maßnahmen für das Wohl und den Schutz der Studierendenschaft an einer Universität zu sorgen.
„Hier geht es um die Freiheit, hier geht es um die Demokratie“, betonte Altenhof abschließend. Viele Beispiele für den Stand der Diskussionskultur an der Uni Bremen seien genannt worden, sodass jeder sein eigenes Urteil bilden könne. Seine zwei Hoffnungen seien, dass zukünftige Veranstaltungen der KAS und anderer zu kontroversen Themen auch ohne Sicherheitspersonal in der Universität Bremen stattfinden werden und dass sich möglichst viele Studierende an kommenden Wahlen beteiligen und demokratische Gruppen wählen.
Inzwischen hat Jörg Baberowski die Unterlassungsanträge gegen den AStA der Uni Bremen vor dem OLG Köln zurückgezogen. Im politischen Meinungskampf, so ein Gerichtssprecher, seien selbst „extreme Meinungsäußerungen“ hinzunehmen, „auch wenn die Meinung anderen als ‚falsch‘ oder ‚ungerecht‘ erscheine“.