Insgesamt zeigt die Studie, dass die Menschen aus der bürgerlichen Mitte Europas geschlossener sind, als man erwarten würde. 70 Prozent der Befragten sehen sich als Europäer, haben ein eher positives Bild von der EU und stellen größtenteils die gleichen Erwartungen an sie: ein aktives und effizientes Europa, das mehr Verantwortung übernimmt für die drängenden Fragen unserer Zeit, beim Klimaschutz, der Migration, in der Wirtschafts-, Außen- und Sicherheitspolitik.
66 Prozent der Europäerinnen und Europäer der bürgerlichen Mitte wünschen sich eine international stärkere und geschlossenere EU. Dazu gehört neben einer stärkeren gemeinsamen Stimme in der Sicherheits- und Außenpolitik ebenso eine stärkere Unabhängigkeit von anderen Weltmächten (64 Prozent). Den größten Handlungsdruck sehen die Befragten im Kampf gegen den Klimawandel. Für 67 Prozent stellt er, gemeinsam mit dem Umweltschutz, das wichtigste Handlungsfeld dar.
Aus deutscher Sicht überraschte die Studie mit einigen Ergebnissen: Deutschland ist das einzige Land, in dem eine skeptische Haltung gegenüber Europa überwiegt (57 Prozent versus 33). Vor allem in Hinblick auf den Umgang mit der Pandemie, aber auch in der Wirtschaftspolitik stellt die bürgerliche Mitte Deutschlands der Europäischen Union ein deutlich schlechteres Zeugnis aus als die Befragten in den meisten anderen Mitgliedstaaten.
Prof. Norbert Lammert, Vorsitzender der KAS und ehemaliger Bundestagspräsident, sieht deshalb in der Vermittlung von EU-politischen Inhalten noch Nachholbedarf: „Europa muss eine einheitlichere politische Agenda schaffen, seine Entscheidungsträger die Gemeinsamkeiten zwischen den Menschen in fast allen Teilen Europas betonen. Viele Bürgerinnen und Bürger haben das Gefühl, dass sie Werte nicht mit anderen Europäern teilen, obwohl sie dies tatsächlich tun. Die Hervorhebung eines gemeinsamen Ansatzes für die wichtigsten Herausforderungen unserer Zeit kann helfen, die Einheit – sowohl unter den bürgerlichen Wählern als auch ihren Parteien – zu fördern und die Verbundenheit der Bürgerinnen und Bürger mit die EU weiter zu verbessern.“
Über die Studie:
Seit Mai 2021 setzt die Europäische Union mit der „Konferenz zur Zukunft Europas“ ein beispiellos komplexes, demokratisches Experiment um: eine ‚Bottom-up‘-Debatte über europäische Reformen, bei der Bürgerinnen und Bürger der EU zu Wort kommen, sich aktiv mit einbringen können und ihrerseits Erwartungen an die EU formulieren. In diesem Zusammenhang hat die KAS Ende 2021 eine Umfrage in 12 EU-Mitgliedstaaten durchgeführt. Ziel des Projekts war es herauszufinden, welche gemeinsamen Wertvorstellungen, Ansichten und Erwartungen es an die europäische Integration bei dieser Zielgruppe gibt.