Fachkonferenz
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Bericht zur Europakonferenz:
Zum bevorstehenden Frühjahrsgipfel der EU, der sich mit der Halbzeitbewertung der Lissabon-Strategie beschäftigen wird, hatten Konrad-Adenauer-Stiftung, Hanns-Seidel-Stiftung, SME UNION, Zentralverband des Deutschen Handwerks und UEAPME eine Fachkonferenz mit mehr als 250 internationalen Experten organisiert.
Begrüßung: durch Herrn Christoph Kannengießer, Stellv. Generalsekretär der Konrad-Adenauer-Stiftung
Hanns-Eberhard SCHLEYER, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen
Handwerks (ZDH) hatte eine klare Botschaft für die Staats- und Regierungschefs, die sich
beim Frühjahrsgipfel mit der neuen Lissabonstrategie auseinander setzen: „Nur wenn Sie auf
Handwerk und kleine und mittlere Unternehmen setzen, kann Lissabon zum Erfolg werden.“
Schleyer begrüßte den Ansatz der Europäischen Kommission und betonte, dass es darauf
ankäme, in einer Partnerschaft mit den Mitgliedstaaten konkrete Aktionen zur Unterstützung
von KMU vorzusehen. Grundsätzlich müsste die Steuern- und Abgabenlast gerade für die
beschäftigungsintensiven kleinen und mittleren Betriebe gesenkt und die Strukturreformen
beherzt angegangen werden. Es müsse wieder mehr Nachfrage entstehen.
Unterstützungsmaßnahmen von den Mitgliedstaaten wie seitens der EU seien nötig zur
Verbesserung der Finanzierung der Betriebe, zur Förderung des Wissens- und
Technologietransfers (z.B. durch ein benutzer- statt bürokratieorientiertes 7.
Forschungsrahmen-Programm), eine stärkere Fokussierung auf den Ausbau in der
Bildungspolitik, die Erleichterung bei der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung,
flankiert von einer mittelstandsfreundlichen Gesetzesfolgenabschätzung. Das Handwerk
bringt sich seit langem aktiv in allen Bereichen mit konkreten Vorschlägen ein. Schleyer
sagte, Lissabon müsse zum Erfolg werden.
Die erste Diskussionsrunde behandelte das Thema "Regionale und soziale Aspekte der
Wettbewerbsfähigkeit von KMU" und wurde moderiert von David GOW, dem Europa-Redakteur
der Zeitung "The Guardian". Er betonte in seiner Einführung den günstigen
Zeitpunkt der Konferenz im Hinblick auf den in der kommenden Woche stattfindenden
Frühjahrsgipfel und die dafür geplante Verabschiedung der überarbeiteten Lissabonstrategie.
Vladimir SPIDLA, Kommissar für Beschäftigung, Soziales und Chancengleichheit, betonte
zunächst die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen Kommission und Mitgliedstaaten
und wies darauf hin, dass auf beiden Ebenen Beiträge zum Gelingen der Lissabon-Agenda
erbracht werden müssten. Die Mitgliedstaaten sollten nationale Ziele für die
Beschäftigungsquoten für 2008 und 2010 vorgeben. Er sprach sich für eine
wachstumsorientierte Mittelstandspolitik aus, die u.a. eine Unternehmensförderung in allen
Unternehmenszyklen, einen verbesserten Zugang von Betrieben zu
Finanzierungsmöglichkeiten und ein benutzerfreundliches Forschungsrahmenprogramm
beinhalte. Mit Blick auf die demographische Alterung in Europa wies er auf den hohen
Stellenwert des lebenslangen Lernens und die Notwendigkeit von verbesserten
Arbeitsbedingungen für ältere Arbeitnehmer hin. Schließlich betonte er den
Unternehmergeist und das Wettbewerbspotential der kleinen und mittleren Unternehmen und
ihre Rolle als "Motor für mehr und bessere Arbeitsplätze".
Graham MEADOWS, Generaldirektor der GD Regionalpolitik, sprach sich für ein
nachhaltiges und marktgestütztes Wachstum aus. Ziel der Kohäsionspolitik sei es nicht,
ineffiziente Unternehmen zu schützen, sondern die Marktbedingungen zu verbessern und
marktgerechte Lösungen zu finden. Im Rahmen dieser Politik seien, trotz eines gewissen
Grades an Regulierungen, viele Vereinfachungen nötig. Hinsichtlich der zur Verfügung
stehenden Mittel betonte er, dass zwar der größte Teil für die neuen Mitgliedstaaten
aufgewendet werde, aber dennoch ein bedeutender Anteil auf die gesamte EU entfalle. Das
"Fördermenü" müsse für alle Regionen gelten, unabhängig von ihrer Bedürftigkeit. Wichtig
sei bei der Verteilung der Mittel, dass dies nicht "überall ein bisschen" geschehe, sondern
große Bereiche gezielt gefördert werden. Hierbei müsse die Entwicklung des Humankapitals
mit den Investitionen in physisches Kapital gleich laufen. Die Kommission setze sich vor
allem für zwei Ziele ein: Zum einen für die Schaffung von Grundlagen für das Wachstum und
zum anderen für die Steigerung von Wettbewerbsfähigkeit.
Alexander RADWAN, Mitglied des Europäischen Parlaments, Koordinator der EVP-ED-Fraktion
im Ausschuss für Wirtschaft und Währung und Vorsitzender des SME-Circle,
begann seinen Redebeitrag mit der Hoffnung, in einigen Jahren nicht sagen zu müssen: "We
had a dream" – wir wollten wettbewerbsfähigste Region der Welt werden, aber es hat nicht
hingehauen". Um dem entgegenzuwirken, machte er deutlich, dass den Menschen mitgeteilt
werden müsse, was Europa - und vor allem die Europäische Kommission - konkret tun kann
und was nur von den Mitgliedstaaten geleistet werden kann. Bei den europäischen Bürgern
bestünde ein eklatantes Akzeptanzproblem. Er mahnte daher, ihre Solidarität nicht einseitig
auszunutzen. Außerdem müssten die Mitgliedstaaten "ihre Hausaufgaben machen" und sich
an den europäischen Vorhaben beteiligen, anstatt aus wahlkampftaktischen Gründen gegen
sie zu wirken. Schließlich forderte er die Kommission auf, sich nicht von den Regierungs-Chefs
einschüchtern zu lassen, sondern – wenn nötig – der Konfrontation nicht aus dem
Weg zu gehen.
Anschließend leitete Moderator David GOW zur Diskussion über und gab zunächst Paul RECKINGER, Präsident der UEAPME, die Möglichkeit, sich zu dem zuvor Gesagten zu
äußern. Dieser betonte, dass in den Mitgliedstaaten der politische Wille bestehe, die
Lissabon-Agenda umzusetzen. Er forderte dazu auf, dem europäischen Volk klarzumachen,
dass Europa wettbewerbsfähiger werden müsse.
Im weiteren Verlauf der Diskussion mit dem Publikum wurde deutlich, dass den Bürgern
noch nicht hinreichend dargelegt worden sei, wofür die Lissabon-Strategie genau stehe. So
sei bei dem von Jacques Delors eingebrachten Begriff "Binnenmarkt" jedem bekannt
gewesen, was gemeint war, bei der Lissabon-Agenda dagegen müsste noch mehr betont
werden, dass es sich hierbei nicht nur um eine Stadt in Portugal, sondern vor allem um die
Wettbewerbsfähigkeit Europas und damit mehr Wohlstand und Arbeitsplätze handele.
Weiterhin sei die enge Zusammenarbeit zwischen Kommission, Parlament und Rat (sowie
der verstärkte Dialog mit den Mitgliedstaaten) unentbehrlich, um die Lissabon-Agenda zum
Erfolg zu führen. Das Sozialmodell müsse umstrukturiert und modernisiert, aber dennoch
beibehalten werden. Schließlich müssten die Bürger an die Wettbewerbsfähigkeit Europas
glauben und positiv "ins Rennen gehen".
Die Moderation der zweiten Diskussionsrunde übernahm Peter JUNGEN, Co-Präsident
der SME UNION, zum Thema "Berufliche Bildung und Innovation – Schlüsselfaktor
Mittelstand". In seiner Einführungsrede verglich er die derzeitige Situation in Europa mit den
USA, dabei hinke Europa 20 Jahre hinterher. Dies sei hauptsächlich auf unterschiedliche
Innovationsgeschwindigkeiten zurückzuführen, die wiederum das Produktivitätswachstum
bestimmen und letztendlich die Schaffung von Arbeitsplätzen.
Dr. Rudolf STROHMEIER, Kabinettschef von EU-Kommissarin Viviane Reding, wies der
Kommunikations- und Informationstechnologie eine Schlüsselrolle zu für Bildung und
Innovation und damit für mehr Wettbewerbsfähigkeit. Dieser Bereich leiste den größten
Einzelbeitrag zum Produktivitätswachstum und sei noch im Wachsen begriffen. Als
aussagekräftige, wichtige Beispiele nannte er Internet-Telefonie, digitales Fernsehen und
Breitbandnutzung. Das Ziel, die Forschungsausgaben zu erhöhen, müsse weiter verfolgt
werden und er bedauerte, dass die Beteiligung der kleinen und mittelständischen
Unternehmen (KMU) am 6. Forschungsrahmenprogramm (FRP) gesunken sei.
Ján FIGEL, Kommissar für allgemeine und berufliche Bildung, Kultur und Multilingualismus,
rief zum Bekenntnis mehr "Europäertum" auf und forderte hierfür eine kohärentere,
vertrauenswürdigere Politik. Eine intensivere Kooperation für mehr Forschung, Entwicklung
und Ausbildung sei vonnöten. Im Bereich der Forschung an Universitäten arbeite er bereits
mit Kommissar Janez Potocznik zusammen. Figel plädierte für mehr Exzellenz und erklärte,
den Fokus auf die Menschen zu richten und in der Bevölkerung den Willen zum Lernen zu
stärken. Neben der Grundausbildung müssten die Werte und der Geist des
Unternehmertums wie etwa Verantwortung übermittelt werden. Im Rahmen der
Lissabonstrategie und vor allem vor dem Hintergrund hoher Arbeitslosenquoten werde
Bildung immer wichtiger. Figel lobte, dass gerade in KMU das Bewusstsein für eine
Entwicklung von Kompetenzen im Unternehmen vorhanden sei, da diese viel in Fortbildung
investierten. Obwohl KMU klein seien, böten sie ein hohes Potential um die
Wettbewerbsfähigkeit Europas zu steigern und seien entscheidend für Europas Zukunft.
Hanns-Eberhard SCHLEYER, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen
Handwerks (ZDH) und Mitglied des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses,
stellte die Situation des Handwerks in Deutschland und dessen Bedeutung für die
europäische Wirtschaft dar. Aus- und Weiterbildung im Handwerk sei gerade für die
Lissabon-Strategie von zentraler Bedeutung. Lissabon könne nur zum Erfolg werden, wenn
zukünftig mehr in Aus- und Weiterbildung investiert würde. Vor dem Hintergrund der
zunehmenden Internationalisierung der Arbeitswelt sei eine angepasste Bildungspolitik nötig.
Schleyer unterstützt daher ausdrücklich die Schaffung eines europäischen Bildungsraums,
um die Fähigkeiten und Kenntnisse der Arbeitnehmer sichtbarer zu machen und die Mobilität
zu fördern. Das Berufsziel des Unternehmers müsse ausgebaut werden, hierbei betonte er
die zentrale Bedeutung, die dem Meistertitel zukomme. Eine weitere Schlüsselrolle komme
der Innovationsfähigkeit von KMU zu. Hier müssten stärkere Anreizmechanismen geschaffen
werden, um die Umsetzung guter Ideen in am Markt nachgefragte Produkte und Leistungen
zu verbessern. Dies würde für mehr Wettbewerbsfähigkeit im Betrieb und damit in Europa
sorgen. Als einen Lösungsansatz nannte Schleyer die vom ZDH entwickelten
Innovationsagenten in KMU. Für die Innovationsförderung sei wichtig, dass sie alle
Aktivitäten im Unternehmen berücksichtige.
Thomas MANN, Mitglied des Europäischen Parlaments, führte zunächst die Wichtigkeit von
anwendbarem Wissen aus und forderte in diesem Zusammenhang eine weniger theoretische
Ausbildung. Es sei Praxiserfahrung nötig, um zu lernen, was Unternehmertum fordere. Mann
stellte den Zusammenhang zwischen Herausforderung und Förderung heraus. Er begrüßte
die Erhöhung des Bildungsbudgets und stellte die Frage, warum erfolgreiche Programme wie
SOKRATES gestrichen worden seien.
Als letzter Redner der 2. Diskussionsrunde schlug Dr. Paul RÜBIG, Mitglied des
Europäischen Parlaments und Präsident von SME Global, zur Lösung der Frage, wie ein
europäisches Unternehmertum geschaffen werden könne, die Einführung einer
europäischen Körperschaftssteuer vor. Mit der Rechtsform eines europäischen
Unternehmerstatuts könne diese automatisch in EU-Eigenmittel fließen, die z.B. zur
Förderung in der Aus- und Weiterbildung genutzt werden könnte. Er bewertete die finanzielle
Vorausschau für 2007-13 positiv, da der Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung bei
den Zuwachsraten (Mittelausstattung) an erster Stelle steht.
Mit der Frage, was die Politik tun könne, um die Ausbildung zu Unternehmern zu verbessern,
leitete Peter JUNGEN zur Diskussion über.
Ján FIGEL verwies auf die Notwendigkeit zur Schaffung eines Regelwerks zur
gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen, da nur wenige Berufe gegenseitig
anerkannt würden. Thomas MANN forderte ein praxisorientiertes Lernen und damit eine
Möglichkeit für Unternehmer, sich darzustellen. Dr. Paul RÜBIG wies auf die Notwendigkeit
hin, die Betriebsübergabe gerade bei Familienbetrieben professioneller zu gestalten sowie
Wissen besser zu kommunizieren. Die Risikosituation bei der Übergabe müsse unterstützt
werden. Dr. Rudolf STROHMEIER betonte, dass das Positive am Unternehmertum
herausgestellt werden müsse und die Chancen, die sich dadurch böten.
Im Anschluss an die Diskussion leitete Peter JUNGEN über zum Thema "Der Mittelstand als
Erfolgsgarant für die Wettbewerbsfähigkeit Europas". Die Ausbildung zum Unternehmer sei
Schlüsselthema.
Die Abschlussrede hielt Dr. Horst REICHENBACH, Generaldirektor der GD Unternehmen
und Industrie. Er verwies dabei auf die besondere Rolle, die dem Mittelstand bei der
Schaffung von Arbeitsplätzen zukomme und forderte erneut ein gemeinsames Handeln
sowohl auf EU-Ebene als auch auf Seiten der Mitgliedstaaten für mehr Wettbewerbsfähigkeit
im Rahmen der Lissabon-Strategie. Reichenbach stellte in Aussicht, dass mit der neuen
KMU-Beauftragten eine Aufstockung des Personals der GD Unternehmen im Bereich der
Mittelstandspolitik vorgesehen sei. Als zentrale Bereiche für Mittelstandspolitik nannte er
bessere Rahmenbedingungen, Steuerfragen, aktive Innovationspolitik für KMU, günstigere
Bedingungen für Unternehmensgründungen sowie die Aus- und Fortbildung. Reichenbach
hob die Bedeutung des Zugangs zu Innovationen für KMU hervor und wies auf das
Lissabon-Ziel hin, die privaten Ausgaben für Forschung zu erhöhen.
Christoph KANNENGIESSER, stellvertretender Generalsekretär der Konrad Adenauer
Stiftung (KAS), sprach das Schlusswort. Er dankte den Diskussionsteilnehmern und regte
an, dass die nicht zu Ende geführten Fragen zur Mittelstandspolitik auf einer weiteren
Konferenz erörtert werden könnten.