Vortrag
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Vortrag
Zu Beginn ihrer Rede beschrieb die Kommissarin die Lage in Europa mit einem Zitat Konrad Adenauers. Diese sei „ernst, aber nicht hoffnungslos“. Die Analyse der Referenden in den Niederlanden und Frankreich gebe trotz allem Anlass zur Hoffnung. Es habe sich gezeigt, dass weder Niederländer noch Franzosen gegen Europa gestimmt hätten. Das „Non“ und das „Nee“ seien geprägt gewesen von Zukunftsangst, Wut auf die eigene Regierung und dem Gefühl der Ungewissheit. Es sei ein Nein zur derzeitigen Lage gewesen.
Reding sah mehrere Ursachen für diesen Unmut. Sie kritisierte zum einen deutlich die nationalen Regierungen. Die unbequemen Auswirkungen vieler, von den Staats- und Regierungschefs selbst getroffenen Entscheidungen, würden in der Öffentlichkeit als Zuständigkeit Brüssels verkauft. Als Beispiele nannte sie die Diskussion um Feinstaub und auch Beitrittsverhandlungen mit der Türkei.
Dabei wolle sie die Kommission jedoch nicht aus ihrer Verantwortung entlassen. Allerdings sei diese, wie sie unterstrich, kein Ratssekretariat und kein Befehlsempfänger des Rates. Die Kommission müsse den Mut haben, den Menschen die Wahrheit zu sagen. Die Bürger erwarteten, dass man eine Meinung habe und diese auch vertrete. Es sei jedoch völlig falsch gewesen, die Erweiterung durchzuführen und als einzige Information für die Bürger ein Volklorefest zu veranstalten. Es gebe in Europa, auch in ihrem traditionell pro-europäischem Heimatland Luxemburg, viele mit der Erweiterung verbundene Ängste.
Eine weitere Ursache für den Unmut der Bürger, sei die Vermittlung Europas. Dabei müsse besonders beachtet werden, dass die Argumente der Vergangenheit bei der jüngeren Generation nicht mehr griffen. Diese habe eine völlig andere Lebens- und auch Geschichtserfahrung. „Frieden“ in Europa werde daher auch anders als bisher assoziiert. Hier müssten die Politiker umdenken.
Dieses Umdenken, so fügte Reding hinzu, müsse sich auch in einem neuen, basisnäheren Kontakt mit den Bürgern ausdrücken. Die Arbeit eines Politikers sei eben nicht damit getan, einen Artikel lediglich in den, von höheren Bildungsschichten genutzten Zeitungen, zu veröffentlichen.
Europa, so fuhr die Kommissarin fort, werde heute auch im Zusammenhang mit Themen wie Wachstum, Arbeitsplätzen und Globalisierung bewertet. Analysiere man das französische Votum, so habe sich gezeigt, dass die primäre Ursache mit „Nein“ zu stimmen, sich aus der Sorge um den Arbeitsplatz gespeist habe. Gleichzeitig sei ein vorrangiger Grund mit „Ja“ zu stimmen, der Glaube gewesen, dass nur ein europäischer Zusammenhalt vor dem Hintergrund der Globalisierung Arbeitsplätze schaffen könne.
Sie forderte daher eine grundlegende Initiative zur wirtschaftlichen Entwicklung und sprach sich mit Hinblick auf die finanzielle Vorausschau dafür aus, zukunftsträchtige Zweige zu fördern. In diesem Punkt müsse sie Tony Blair Recht geben.
Allerdings wolle sie keine blinde Landwirtschaftsschelte betreiben. Es sei vielmehr eine Frage, wie das Geld verteilt werde. Dabei kritisierte Reding die übermäßige Bevorteilung von Großbetrieben in der geltenden Regelung. Auch müsse darüber nachgedacht werden, mehr Geld in die zweite Säule, die Förderung des ländlichen Raumes, zu verschieben. Es müsse Manövriermasse für den Bereich der Forschung und Entwicklung geschaffen werden.
Sie begrüßte die Entscheidung der Staats- und Regierungschefs, die Ratifizierung der EU-Verfassung fortzuführen. Luxemburg, das am 10.Juli eine Referendum zum Europäischen Verfassungsvertrag abhalten wird, habe das Recht, wie auch die Niederlande und Frankreich gehört zu werden.
Reding erklärte weiter, jede Krise berge auch eine Chance. Um sie zu überwinden bedürfe es standfester Politiker, die vor Ort mit den Bürgern diskutierten und unangenehme Fragen beantworteten. Dazu sei keine neue Kommunikationsstrategie nötig. Des weiteren dürfe Politik nicht ohne Vision sein. Helmut Kohl habe dies einmal in einer Rede auf den Punkt gebracht, indem er erklärte, die viel verspotteten Visionäre seien die wahren Realisten gewesen. Politiker müssten also, so Reding, zum einen Realisten sein, die konsensfähige Vorschläge unterbreiten und zum anderen Visionäre, die sich dafür einsetzten, dass diese Vorschläge nicht zu kleinmütig seien. Es sei Aufgabe der Politiker, der nächsten Generation etwas Handfestes zu hinterlassen.
Abschließend forderte Reding nun in der Europäischen Union einen Dialog der Zivilgesellschaften anzuregen, der sowohl den privaten und religiösen als auch kulturellen Bereich umfasse.