Veranstaltungsberichte
Europa braucht eine starke und moderne Industrie – daran besteht kein Zweifel. Daher muss nicht nur das 20%-Klimaziel, sondern auch das 20%-Industrieziel forciert werden. Der Ankündigung der Europäischen Institutionen, den Anteil der Industrie an der gesamtwirtschaftlichen EU-Wertschöpfung auf 20 % steigern zu wollen, müssen deshalb Taten folgen. Die Frage, wie die europäische Industriepolitik in der Gesetzgebung stärker kohärent werden kann, um Investitionstätigkeit, Innovationsfähigkeit und Beschäftigungssicherung auch zukünftig gewährleisten zu können, wurde im Rahmen eines Frühstücksworkshops in einer Expertenrunde thematisiert.
Zu der Veranstaltung mit dem Titel: „EU-ETS-Reform auf dem Prüfstand – wie können Europas industrielle Zukunft und die Vorreiterrolle beim Klimaschutz gestärkt werden?“ luden der BDI und das Europabüro der Konrad-Adenauer-Stiftung ein. Sprecher waren Herr Herbert Reul, Mitglied des Europäischen Parlaments im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie und Herr Björn Baum, Geschäftsführer Technik/CTO der Fels Werke Goslar.
Zur Diskussion stand, wie das Wachstum weiterhin gefördert werden könne, um internationale Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten und Unternehmen effektiv und nachhaltig vor Carbon Leakage geschützt werden können.
Björn Baum führte zunächst in die energiepolitischen und praktischen Spezifika der Kalkindustrie ein. Er machte vor allem die Problematik beim bisherigen System zur Verteilung bzw. Finanzierung von Emissionen deutlich. Auch wurde die Wertschöpfungskette und die damit verbundene
Einpreisung verschiedener Energiefaktoren herausgestellt.
Herbert Reul sagte, dass verschiedene geplante Maßnahmen eine potenziell höhere Belastung bedeuten könnten. Das Problem sei aber nicht der Emissionshandel selbst. Schließlich sei heute die Notwendigkeit erkannt worden, sowohl Klimaschutz als auch die Interessen der Industrie in ausgewogenem Maße zusammenzubringen. Jedoch sei dies zunehmend komplexer. Es sei darüber hinaus auch problematisch, dass es zu wenig koordinierte Zusammenarbeit in diesem Bereich gäbe. Dementsprechend plädierte Herr Reul für einen holistischen Ansatz, da die alternativen Lösungen dazu weder öko-logischer, noch gerechter seien. Man müsse das Potenzial der verfügbaren Zertifikate erhöhen, um die Wende zu erreichen. Im Zweifel müsse der Staat auch eine gewisse Zeit lang auf Steuereinnahmen verzichten, um so langfristig nachhaltigere Ziele erreichen zu können. Auch in der Frage, ob man den Zufluss erhöhen solle, müsse man sich der möglichen Konsequenzen genau bewusst sein und dies differenziert analysieren. Eine stärkere Differenzierung bürge auch die Gefahr, dass verstärkte Trickserei auftrete. Schließlich zog Reul das Fazit, dass die Industrieunternehmen sich nicht gegen-seitig lahmlegen, sondern gemeinsam Druck auf die Politik ausüben und somit das Potenzial ihres Wirkungsbereichs erhöhen sollten. Dabei ermahnte er sich nicht in Kleinigkeiten zu verlieren und eine breite Debatte zu führen.
In der anschließenden Debatte wurde dazu angeregt, auch die Bundesregierung in die Debatte mit einzubeziehen, damit der Druck für eine entsprechende Positionierung auf europäischer Ebene erhöht wird.
Des Weiteren wurde kritisiert, dass der aktuelle Vorschlag des zuständigen Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie von Frederick Federley (ALDE/SE) nicht industriefreundlich genug sei. Dies bezog sich etwa auf den Wegfall des Aspektes der qualitativen Beurteilung. Es seien keine Wachstumssignale vernommen worden und der Vorschlag sei insgesamt widersprüchlich. Herbert Reul entgegnete allerdings, dass angesichts der komplexen Materie und Interessenlage eine politische Wende nur unter großem Druck geschehen könnte und rief die Teilnehmer der Veranstaltung mit Nachdruck dazu auf, koordiniert und mit klarer Stimme auf politischer Ebene für ihre Interessen einzutreten. Kritische Punkte sollten offen angesprochen und in den Gesamtkontext gesetzt werden. Abschließend wurde konstatiert, dass kein Interesse daran bestehe, die Industrie aus Europa zu vertreiben.