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Veranstaltungsberichte

Online-Kaufrecht - Mehr grenzüberschreitender Handel, besserer Verbraucherschutz?

von Kai Zenner

Veranstaltung mit Prof. Dr. Patrick Sensburg (MdB)

Die Europäische Kommission hat am 09. Dezember 2015 zwei Richtlinienvorschläge zu vertragsrechtlichen Regelungen für den Bereich des Onlinehandels vorgelegt: Einen Vorschlag für den Online-Handel mit Waren und einen Vorschlag über die Bereitstellung digitaler Inhalte. Ziel ist, durch einfachere und moderne Regeln für grenzüberschreitende Online-Käufe und Käufe digitaler Produkte mehr Unternehmen dazu zu bewegen, ihre Produkte in anderen Mitgliedstaaten online anzubieten, und das Vertrauen der Verbraucher in den grenzüberschreitenden elektronischen Handel zu stärken.

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Online-Kaufrecht – mehr grenzüberschreitender Handel, besserer Verbraucherschutz?

07. April 2016| 19.00 – 21.00 Uhr | Vertretung des Landes Hessen bei der EU

In Zusammenarbeit mit der Vertretung des Landes Hessen bei der Europäischen Union veranstaltete das Europabüro der Konrad-Adenauer-Stiftung am 07. April 2016 eine Diskussionsver-anstaltung zum Thema „Online-Kaufrecht - Mehr grenzüberschreitender Handel, besserer Verbraucherschutz?“. Für den von Silke Wettach (EU-Korrespondentin der Wirtschafts-woche) moderierten Austausch konnten drei ausgezeichnete Experten gewonnen werden: Herr Prof. Dr. Patrick Sensburg, MdB (Vorsitzender des Unterausschusses Europarecht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags), Frau Renate Nikolay, Kabinettschefin von EU-Justiz-kommissarin Vĕra Jourová sowie Herr Prof. Dr. Felix Maultzsch, LL.M. (NYU), der an der Goethe-Universität Frankfurt am Main tätig ist.

Die Europäische Kommission hat am 09. Dezember 2015 zwei Richtlinienvorschläge zur vertragsrechtlichen Regelung im Bereich des Onlinehandels vorgelegt. Der Vorschlag der Kommission beinhaltet zwei wesentliche Schwerpunktthemen und deren vertragsrechtliche Aspekte: die Handhabung von digitalen Inhalten und den Online-Handel. Letzteres bezieht sich zudem auch auf andere Formen des Fernabsatzes von Waren. Frau Nikolay erläuterte gleich zu Beginn die Wichtigkeit einer Balance zwischen Ver-braucherschutz und der Förderung des Handels im Binnenmarkt. Die Richtlinie habe diesbezüglich eine doppelte Zielsetzung. Zusätzlich wies sie darauf hin, dass es gelte, die europäische Gesetzgebung in diesem Bereich anzupassen, die Lücken, die von Verbrauchern und Vertretern der Wirtschaft wahrgenommen werden, zu füllen und zeitgleich Innovation zu unterstützen.

Frau Wettach leitete die Podiumsdiskussion mit der Feststellung ein, dass das Online-Kaufrecht bisher ein Thema gewesen sei, das wenig mediale Aufmerksamkeit erhalten habe. Dabei sei dies ein Bereich, mit dem der Verbraucher im unmittelbaren Kontakt steht und der sein Leben täglich beeinflusst. Kaum ein anderer Bereich unterläge einem derart rasanten und stetigen Wandel und Innovationsprozess wie die digitale Agenda.

Richtlinie zu digitalen Inhalten

In Bezug auf die Richtlinie zu digitalen Inhalten wies Frau Wettach darauf hin, dass diese vorrangig den Verbrauchern nutze. Im weiteren Verlauf des Gesprächs sprach Herr Prof. Maultzsch von einer Differenzierung bezüglich der Themenschwerpunkte des neuen Vorschlags und nannte insbesondere die Richtlinien zu digitalen Inhalten als einen positiven Fortschritt, welcher ein bishe-riges Vakuum fülle und einen klaren Rechtsrahmen schaffen werde. Im Hinblick auf die Absichten der Europäischen Kommission ergänzte Frau Nikolay, dass der Verbraucher im Bereich digitale Inhalte und Datenhandel einen vermehrten Schutz benötige. Diesbe-züglich läge auch der Fokus der Kommission und des Rats vermehrt auf den vertragsrechtlichen Aspekten zu digitalen Inhalten.

Die Pläne der Kommission tangieren unterschiedliche Bereiche des Datenschutzes. Frau Nikolay hob die innovative Ausrichtung der Richtlinie hervor, die unter anderem auf das aktuelle Thema „bezahlen mit Daten“ eingehe. Herr Prof. Sensburg nannte die Einbeziehung dieses Themenkomplexes einen sinnvollen Schritt. Er merkte an, dass der Wert von gesammelten Daten nicht feststehe und von den Verbrauchern oftmals nicht wahrgenommen werde. Auch Herr Prof. Maultzsch verwies auf offene Fragen im Bereich Rückgaberecht von personenbezogenen Daten. Momentan ist weder das Rückgaberecht, noch die Verjährung von Daten einheitlich in Europa geregelt. Frau Nikolay bestätigte diese Aussage und ergänzte, dass auch in Zukunft diese Regelungen den Nationalstaaten überlassen werden solle. Auf die Nachfrage aus dem Pub-likum zu Einzellösungen der Gewährleistung von digitalen Daten antwortete Frau Nikolay, dass bei Daten kein klassischer Fall von „wearing and tearing“ im Hinblick auf Abnutzung vorliege und daher eine Gewähr-leistungsfrist nicht notwendig sei.

Online-Handel

Im Hinblick auf die neuen Risiken im Be-reich des Online-Handels äußerte Frau Nikolay, dass es eines stärkeren Schutzes von Rechten benötige. Dies sei insbesondere aufgrund der enormen Rechtszersplitterung erforderlich. Sie betonte, dass die Kommission mit ihrem neuen Vorschlag keine bestehenden und funktionierenden Traditionen in der nationalen Gesetzgebung abschaffen, sondern nur den grenzüberschreitenden Handel stärken wolle. Besonders kleinere Unternehmen könnten davon profitieren, dass der Online-Verkauf ins Ausland vereinfacht werde. Schließlich müssten diese bisher einen verhältnismäßig größeren Aufwand betreiben, um die jeweilige Gesetzeslage ausreichend zu analysieren. Mithilfe der neuen Maßnahmen solle der grenzüber-schreitende Handel also insgesamt vereinfacht und ein unternehmerfreundliches Umfeld geschaffen werden.

Bezüglich des Verhältnisses zwischen Online- und Offline-Handel betonte Frau Nikolay, dass die neue Richtlinie problemorientiert wirken solle. Im Online-Handel seien die Kunden schutzbedürftiger und besäßen zurzeit keinen ausreichende Absicherung. Eine zeitnahe Umsetzung der Richtlinie sei daher notwendig. Dem aktuellen Vorschlag der Kommission zur neuen Richtlinie werde nun noch ein intensiver Prozess der Evaluierung und Anpassung mit ausgewählten Experten folgen.

Herr Prof. Sensburg entgegnete, dass man von Seiten des Bundestages ein großes Interesse an möglichen rechtlichen Neuerungen habe und sich daher wünsche würde, stärker in die europäische Rechtssetzung einbezogen zu werden. Gleichzeitig plädierte er für die Wahrung der nationalen Kompetenzen im Kaufrecht. Eine rechtliche Voll-harmonisierung lehnte er daher ab. Eine optionale Lösung sah er ebenfalls als problematisch an, da dies neue Unsicherheiten in Bezug auf Verbraucherrechte hervorrufen könne. Verkäufer und Kunden wüssten in diesem Fall nicht, an welche Bestimmung sie sich halten sollten. Auch müsse man sich über die langfristigen Perspektiven klarwer-den, die der Trend zum Online-Handel birgt. Herr Prof. Sensburg fragte, ob eine daraus resultierende Schwächung des Offline-Handels gewünscht sei.

Herr Prof. Maultzsch stellte fest, dass grundsätzlich Skepsis vor einem weiteren Regime mit Regelungsanspruch bestehe. Er empfahl eine angebotsorientierte Gestaltung von Innovationen. Den Rechtsschutz für die Verbraucher durch den neuen Vorschlag stufte er grundsätzlich als relativ gut ein. Schließlich könne sich der Verbraucher mindestens auf den im jeweiligen Heimatstaat gebotenen Standard als rechtlichem Mindestmaß beziehen. Von einer Standardisierung könnten alle Verbraucher profitieren, insbesondere aber die Verbraucher aus kleineren Mitgliedsstaaten der EU. Ihnen böte eine Standardisierung besondere Chancen, da nicht jeder nationale Markt eine derart große Produktpalette abdecke wie der deutsche. Man dürfe daher nicht vergessen, auch die Blickwinkel anderer Mitgliedstaaten einzunehmen und nicht nur den Deutschlands.

Kritisch sah er die Beschränkung des Vorhabens auf den Fernabsatz sowie eine mögliche Vollharmonisierung des Kaufrechts. Beide Punkte könnten für den Verbraucher negative Folgen haben, wenn nicht mehr die Möglichkeit besteht, mithilfe nationaler Rechtsordnungen einen höheren Standard zu erwirken. Bisher gab es länderspezifische Rechtsstandards, welche nunmehr an die Vorgaben der geplanten Richtlinie angepasst werden müssten. Eine Änderung könnte daher auch zum Nachteil der Verbraucher einiger Mitgliedsstaaten führen. Auch könne die geplante Richtlinie möglicherweise zum Förderinstrument des Online-Handels werden. Prof. Maultzsch wies ferner darauf hin, dass bei bestimmten Branchen und Produktarten die Haltbarkeitsgarantien zum Knackpunkt werden könnten. Strittig sei grundsätzlich auch, welche Auswirkungen die neuen Pläne auf Haftung, Gewährleistung und Schutzrecht hätten. Zudem variiere das Risiko, das Hersteller und Verkäufer tragen würden, je nach Branche.

Frau Nikolay sagte zusammenfassend, dass es sich bei dem Online-Kaufrecht angesichts der Schnelllebigkeit dieses Bereichs um einen äußerst spannenden Bereich der Politik handle. Die Gesetzgeber seien aufgefordert, Lösungen für die Zukunft zu finden, obwohl diese ungewiss sei. Angesichts der enormen Veränderungen des Marktes seien funktionierende Lösungen für problematische Bereiche jedoch erst recht gefragt. Auch sie wünschte sich eine ergebnisorientierte, gemeinsame Arbeit, um bestmögliche Ergebnisse erzielen zu können.

Fazit

Der neue Vorschlag der Kommission wird noch immer bedingt als Fortsetzung des Verordnungsentwurfs aus 2011 zu einem Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht wahrgenommen. Herr Prof. Sensburg äußerte die Sorge, dass die neuen Pläne zum Online-Warenhandel und Fernabsatz als ein „Entré“ zur Vollharmonisierung des kompletten Kaufrechts genutzt werden könnten. Als Repräsentant des Deutschen Bundestages wünschte er sich einen stärkeren Dialog zwischen nationalen Parlamenten und europäischer Ebene. Hinsichtlich dieser Bedenken betonte Frau Nikolay die radikale An-dersartigkeit der neuen Pläne und verwies darauf, dass die Europäische Kommission Richtlinien und keine Verordnungen mache, welche auf eine europäische Lösung abzielten. Die von Herr Prof. Sensburg geforderte Miteinbeziehung von Sichtweisen außerhalb der Kommission würde laut Frau Nikolay bereits stattfinde. Sie unterstrich ausdrücklich die konstruktive und kooperative Grundhaltung der beteiligten Gesprächspartner.

Das Kabinett von Kommissarin Jourová sei bestrebt, mittelfristig ein kohärentes System für den Online- und Offline-Handel zu schaffen und somit auch der Rechtszersplitterung entgegenzuwirken. Abschließend erklärte Frau Nikolay, dass der digitale Binnenmarkt als großes Ziel nur unter der Prämisse eines politischen Kompromiss entstehen könne. Herr Prof. Maultzsch und Herr Prof. Sensburg fügten hinzu, dass die Klarheit und Präzisierung der Rechtslage im digitalen Binnenmarkt ein elementarer Teil der Verwirklichung seien. Herr Prof. Sensburg betonte zudem, dass ein effektiver neuer Ansatz – in Unterschied zum Kom-missionvorschlag aus dem Jahr 2011 - die Chance biete, den Online-Handel sowohl für den Verbraucher als auch für die Wirtschaft entscheidend zu erleichtern.

XENIA STOLL

JESSICA KLASSEN

KAI ZENNER

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