Länderberichte
Es handelt sich um über 30 000 Akten, die in das Archiv des Ausschusses in Bankja bei Sofia überführt werden müssen. Nach den Worten des Ministers habe es starken Widerstand gegen diese Maßnahme gegeben, doch sei es 26 Jahre nach der Wende höchste Zeit, die Geheimniskrämerei zu beenden. Bulgarien müsse dem Beispiel von Län-dern wie Polen, Tschechien und Deutschland folgen, die solche Archivbestände längst an die entsprechenden Archive übergeben hätten.
Nentschev bestätigte, dass es Meinungsverschiedenheiten mit dem bisherigen Chef des Dienstes gegeben habe. Jedoch sei nun mit Jordan Bakalov (54) ein neuer Direktor im Amt, der die Verantwortung für die Übergabe der Akten übernimmt. Bakalov ist ehemaliger Abgeordneter der Union Demokratischer Kräfte (SDS) und Interimsinnenminister 2014.
Der Vorsitzende der Stasi-Unterlagenbehörde, Evtim Kostadinov, sagte im Hinblick auf mögliche Gefährdungen aktiver Geheimdienstler oder Schädigung bulgarischer Interessen durch die Veröffentlichung von Akten, dass laut Gesetz der militärische Nachrichtendienst die Möglichkeit hat, Sperrungen zu beantragen.
Das bulgarische Stasi-Unterlagengesetz wurde 2006 angenommen und wird von Fachleuten -auch im Vergleich mit analogen Gesetzen in anderen Ländern des ehemaligen kommunistischen Machtbereichs - als sehr gelungen angesehen. Der für die Umsetzung des Gesetzes zuständige Ausschuss arbeitet professionell und unabhängig. Die technische Ausstattung und Struktur der vom Ausschuss verwalteten Archivbestände sind vorbildlich.
Im Gesetz von 2006 ist festgeschrieben, dass die Nachfolgedienste der ehemaligen kommunistischen Staatssicherheit die in ihrer Obhut befindlichen Unterlagen innerhalb von acht Monaten an den Ausschuss übergeben müssen. Insbesondere der militärische Nachrichtendienst hatte sich indes hartnäckig geweigert, dem konsequent nachzukommen. 2012 war dem Ausschuss ein Teil des Archivs übergeben worden. Es stellte sich aber heraus, dass 33 000 Akten fehlten, von denen angegeben wurde, dass es sich um Unterlagen über ausländische Bürger handele. Es wurde nicht sehr überzeugend argumentiert, dass ihre Übergabe bulgarische Agenten bedrohen könnte.
In Bulgarien waren in der Wendezeit 1989-90 erhebliche Archivbestände der Stasi vernichtet worden. Strafverfahren gegen verantwortliche Personen verliefen aber letztlich im Sand.
Der kommunistische bulgarische Nachrichtendienst „Aufklärungsverwaltung des General-stabs“ hat seinerzeit ebenso wie die anderen osteuropäischen militärischen Geheimdienste eng mit dem sowjetischen militärischen Dienst GRU kooperiert, der als aggressiver als der KGB galt. Ein Teil der Kader aus der Zeit vor 1989 sind offenbar auch heute im neuen Dienst des demokratischen Bulgarien tätig.
Lehrreich ist das polnische Beispiel. Der stellv. Verteidigungsminister in der Kaczynski-Regierung, Antoni Macierewicz (67), reformierte im Jahre 2006 den polnischen Militärischen Nachrichtendienst. Sein Bericht darüber ist hier einzusehen.
Daraus geht hervor, dass der Dienst auch nach 1989 mit dem russischen GRU verbunden.
Die Entscheidung des Ministers war längst überfällig und ist ein gutes Zeichen für Bulgarien, das immer noch ein Staat in der Transformation ist.