Veranstaltungsberichte
Am 11. September fand im Sheraton Hotel Balkan in Sofia anlässlich der zehnjährigen Mitgliedschaft Bulgariens in der Europäischen Union und der bevorstehenden bulgarischen EU-Ratspräsidentschaft eine Vortrags- und Diskussionsveranstaltung statt.Referenten waren die Ministerin für den bulgarischen EU-Ratsvorsitz, Liljana Pawlowa sowie Dr. Ole Schröder MdB, Parlamentarischer Staatsekretär beim Bundesminister des Innern. Der Geschäftsträger der Deutschen Botschaft in Sofia York Schuegraf sprach ein Grußwort.
Unter den über 220 Teilnehmern waren u.a. der Leiter der Vertretung der EU-Kommission in Bulgarien, Ognjan Slatew, der GERB-Fraktionsvorsitzende Zwetan Zwetanow, die Sofioter Oberbürgermeisterin Jordanka Fandakowa, zahlreiche Abgeordnete, Botschafter, Politiker, Vertreter der Partnerorganisationen der KAS in Bulgarien und der Medien.
Folgende Länder waren durch ihre Botschafter bzw. Geschäftsträger vertreten: Finnland (Paavi Blinilika), Griechenland (Grigorios Vassiloconstandakis), Irland (Michael Forbes), Israel (Ierit Lillian), Kosovo (Spend Kallaba), Kroatien (Lajerke Alaibek), Niederlande (Pieter van Vliet, Chargé d’Affaires) Polen (Kjistov Kraevski), Rumänien (Ion Galea), Serbien (Vladimir Curgus), Venezuela (Juan Miguel Diaz), Zypern (Stavros Augustidis).
Weiterhin waren folgende Botschaften vertreten, z.T. durch die stellvertretende Leitung: Aserbaidschan, Albanien, Dänemark, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, Korea, Marokko, Österreich, Pakistan, Schweiz, Spanien, Tschechische Republik, Ungarn, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten von Amerika.
Die folgenden weiteren Mitglieder der Nationalversammlung waren anwesend:
Ani Aleksandrowa, Ewgenia Angelowa, Hristo Gadzhev, Dzema Grozdanowa, Jordanka Fikirlijska, Maria Iliewa, Stanislaw Iwanow, Konstantin Popow, Radostin Tanew, Anton Todorow.
Ebenfalls anwesend waren Wirtschaftsminister a.D. Boshidar Lukarski, Außenminister a.D. Solomon Passi und Wirtschafts- und Energieminister Trajtscho Trajkow.
Die Veranstaltung wurde vom Leiter der KAS Sofia, Thorsten Geißler, eröffnet. In seinen einleitenden Worten stellte er die beiden Hauptthemen vor: der zehnte Jahrestag der bulgarischen EU-Mitgliedschaft und die Vorbereitungen auf den bulgarischen EU-Ratsvorsitz ab dem 1. Januar 2018.
Seiner Meinung nach war es trotz mancher Bedenken seinerzeit ein vollkommen richtiger Schritt, Bulgarien und Rumänien 2007 in die EU aufzunehmen. Die zehnjährige Mitgliedschaft des Landes in der Union sei aus seiner Sicht eine Erfolgsgeschichte, auch was die wirtschaftliche Entwicklung angehe. In dieser Zeit sei das Bruttoinlandsprodukt des Landes von 56 auf 88 Milliarden Lewa gewachsen. Das Land habe ausgezeichnete makroökonomische Daten: Das Wirtschaftswachstum zähle zu den höchsten innerhalb der EU, die Staatsverschuldung sei beneidenswert gering und die Arbeitslosenquote unter EU-Durchschnitt. Die Infrastruktur sei in beeindruckender Weise ausgebaut worden, Auslandsinvestitionen seien angezogen und Arbeitsplätze gerade auch im High Tech Sektor geschaffen worden.
Geißler gab seiner Zuversicht Ausdruck, dass das Land diesen Kurs fortsetzen und die gewiss nicht geringen Herausforderungen, vor denen das Land noch stehe, meistern wird.
Das Land spiele innerhalb der EU eine konstruktive Rolle und habe sich als glaubwürdiger Partner erwiesen. Bulgarien und Deutschland hätten enge und zutiefst freundschaftliche Beziehungen. Die KAS sei geehrt und dankbar, dass der Vorsitzende der KAS und ehemalige Präsident des Europäischen Parlaments, Dr. Hans-Gert Pöttering, in ein hochrangiges sechsköpfiges Beratergremium für die bulgarische EU-Ratspräsidentschaft berufen worden sei.
In seinem Grußwort betonte York Schuegraf, Geschäftsträger der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Bulgarien, dass der bulgarische EU-Ratsvorsitz eine Chance für Bulgarien und Europa sei. Er biete eine günstige Gelegenheit, Europa mit den bedeutenden bulgarischen kulturellen Traditionen bekannt zu machen.
Die EU sei vor allem eine Wertegemeinschaft, innerhalb der Union komme Deutschland als wirtschaftsstärkstem und bevölkerungsreichstem Mitgliedsstaat eine besondere Verantwortung zu. In letzter Zeit sei in vielen Ländern der EU aus einer Reihe von Gründen ein Rückgang des Vertrauens in die Politik zu verzeichnen. Dieser Tendenz müsse entgegengewirkt werden, was nur über gemeinsame Anstrengungen aller EU-Mitgliedstaaten möglich sei. In diesem Prozess müsse aber auch jedes Land an sich arbeiten.
Der sogenannte Kooperations- und Verifikationsmechanismus (CVM), dem Bulgarien und Rumänien nach der Aufnahme in die EU unterliegen, sei ein gutes Instrument, um Fortschritte in beiden Ländern bei der Korruptionsbekämpfung und der Etablierung des Rechtsstaates zu erzielen. Bulgarien habe inzwischen stark von seiner Mitgliedschaft in der EU profitiert und sich insgesamt positiv entwickelt, und die Union erfreue sich im Gegenzug hoher Zustimmungswerte unter den Bulgaren. Das schließe aber die Notwendigkeit weiterer Reformschritte nicht aus.
Das Referat von Ministerin Liljana Pawlowa trug die Überschrift „Der bulgarische Vorsitz des Rates der EU 2018 – Prioritäten und Herausforderungen“.
Bulgarien habe sich in den letzten 10 Jahren erfolgreich in die EU integriert. Beispiele dafür seien die politische Stabilität, das Wirtschaftswachstum und die Übernahme des gemeinschaftlichen Besitzstandes. Die bulgarischen Bürger würden die positiven Seiten der EU-Mitgliedschaft unmittelbar spüren: Freizügigkeit und Arbeitnehmerfreizügigkeit, Verbraucherschutz, Verbesserung der Infrastruktur.
Pawlowa hob den Slogan des bulgarischen EU-Ratsvorsitzes „Einigkeit macht stark“ heraus, der der Aufschrift an der Fassade der bulgarischen Nationalversammlung entlehnt ist und ihrer Meinung nach sehr gut zu Europa passe. Die Schlüsselbotschaften des bulgarischen Ratsvorsitzes seien „Konsens, Konkurrenzfähigkeit und Kohäsion“.
Die Agenda der EU-Trio-Präsidentschaft Estland-Bulgarien-Österreich sei in fünf prioritäre Bereiche untergliedert:
•Eine Union für Arbeitsplätze, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit
•Eine Union, die jeden ihrer Bürger befähigt und schützt
•Auf dem Weg zu einer Energieunion mit einer zukunftsorientierten Klimapolitik
•Eine Union der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts
•Die Union als starker globaler Akteur
Nach ihren Worten falle der bulgarische EU-Vorsitz in eine schwierige Phase für die Union. Zum einen müssten die Verhandlungen über den Austritt Großbritanniens aus der Union fortgeführt werden. Zum anderen müsse die Union eine ausgeglichene Politik anstreben, die auf Wirtschaftswachstum und die Gewährleistung der Sicherheit der Bürger gerichtet sei. Ein besonderes Augenmerk des bulgarischen Ratsvorsitzes würde der Westbalkan darstellen, dem eine europäische Perspektive eröffnet werden müsse.
In der Zeit von September bis November würden eine Reihe öffentlicher Diskussionen im Parlament stattfinden, so dass Ende November ein endgültiges Programm des bulgarischen EU-Vorsitzes präsentiert werden könne. Inzwischen laufe auch eine Kampagne für die Gewinnung von jungen Bulgaren als freiwillige Helfer während des EU-Ratsvorsitztes.
Das Referat von Ole Schröder war „Bulgarien – 10 Jahre Mitglied der EU – besondere Herausforderungen der EU-Ratspräsidentschaft 2018“ betitelt.
Bulgarien habe sich zu einer stabilen und lebendigen Demokratie entwickelt und verzeichne einen soliden Wirtschaftsaufschwung. Die bulgarische EU-Ratspräsidentschaft falle in eine stürmische Zeit. Schröder verwies auf die Herausforderungen durch die Migrationskrise, den Brexit, die anhaltende terroristische Bedrohung und die wirtschaftlichen Ungleichgewichte in der Union. Es gelte, diese Schwierigkeiten zu meistern, wenn der Fortbestand der EU gesichert werden solle.
Deutschland und Bulgarien stünden seit langem in einem engen partnerschaftlichen Verhältnis, die Beziehungen würden sich während der bulgarischen Ratspräsidentschaft intensivieren.
Schröder kam eingehend auf die Migrationskrise und die Wege zu ihrer Überwindung zu sprechen. Als EU-Außengrenze habe Bulgarien hier eine besondere Rolle und Verantwortung. Deutschland unterstütze Bulgarien auf dem Weg zur Schengenvollanwendung. Das sei jedoch mit Fortschritten im Bereich des Kooperations- und Verifikationsmechanismus (CVM) verknüpft. Zwar gebe es positive Entwicklungen in Bulgarien bei der Korruptionsbekämpfung, aber weiterhin auch Defizite und die Justizreform müsse fortgeführt werden.
Er betonte die Bedeutung der Freizügigkeit innerhalb der EU, doch sei es nach seinen Worten insbesondere seit dem EU-Beitritt Bulgariens und Rumäniens infolge Zuzugs in das deutsche Sozialsystem auch zum Missbrauch dieser Freiheit gekommen.
Ziel der europäischen Sicherheitspolitik müsse sein, die Bürger vor dem internationalen Terrorismus, aber auch vor der Organisierten Kriminalität, der Cyberkriminalität sowie vor Desinformationskampagnen zu schützen. Auch in diesem Bereich gebe es eine enge Kooperation zwischen Bulgarien und Deutschland.
Schröder schloss seine Ausführungen mit einem Adenauer-Zitat: „Die Einheit Europas war ein Traum von Wenigen. Sie wurde eine Hoffnung für Viele. Sie ist heute eine Notwendigkeit für uns alle. Sie ist notwendig für unsere Sicherheit, für unsere Freiheit, für unser Dasein als Nation und als geistig schöpferische Völkergemeinschaft.“
In der anschließenden Diskussion meldete sich zunächst der ehemalige bulgarische Außenminister und Partner der KAS, Solomon Passi, zu Wort, der das verschlechterte europäisch-amerikanische Verhältnis ansprach und die Frage an Ministerin Pawlowa richtete, ob Bulgarien während seiner EU-Ratspräsidentschaft eine Verbesserung anstreben werde.
Der Theologe Boshidar Andonow kam auf die Ökumene zu sprechen. Seiner Meinung nach müsse es in Europa zu einem verstärkten Austausch der Konfessionen kommen.
Der GERB-Fraktionsvorsitzende Zwetan Zwetanow interessierte sich dafür, ob sich Deutschland mit der bulgarischen Priorität der Heranführung des Westbalkans an Europa engagieren würde.
Die Vorsitzende des Forums „Bulgarin“, eine Partnerorganisation der KAS, Ewa Sokolowa, erinnerte daran, dass die Voraussetzungen für die bulgarischen EU-Beitritt während der Regierungszeit der Vereinten Demokratischen Kräfte 1997-2001 geschaffen wurden.
Die Medien berichteten umfangreich über die Veranstaltung. Eine Auswahl von Links:
Bulgarisches Nationalfernsehen
Artikel über die Veranstaltung brachten auch die Printausgaben der Tageszeitungen 24 Stunden und Standard.