Wasserstoff ist der Energieträger der Stunde. An den Börsen ist ein wahrer Hype um Unternehmen entstanden, die Wasserstoff als Alternative zu herkömmlichen Antrieben anpreisen. Und die Bundesregierung hat sogar eine nationale Wasserstoffstrategie ausgearbeitet. Ein Ziel: Wasserstoff als Kraftstoff im Verkehr zu etablieren. Genau das ist schon jetzt Realität auf den Straßen der rheinischen Stadt Hürth – dort fährt Europas größte wasserstoffbetriebene Busflotte im Nahverkehr.
Vorangetrieben hat das Stefan Welsch, der Chef der Stadtwerke Hürth. In Folge 34 unserer digitalen Veranstaltungsreihe #KASkonkret sprachen wir mit ihm über das Potenzial dieses Energieträgers. „Unsere Busse sind mit der modernsten Technik unterwegs, sie fahren umweltfreundlich und es gibt keinen Gestank mehr“, berichtete der 55-Jährige. Die wasserstoffbetriebene Nahverkehrsflotte sei wesentlich leiser als früher, das sei vor allem in dicht besiedelten Gebieten und an „eine wahre Wohltat“. Die Bürgerinnen und Bürger seien begeistert.
Wer mit Wasserstoff fahren will, muss erst einmal viel investieren
„Emissionsfrei und klimaneutral unterwegs“: So wirbt der Regionalverkehr Köln, zu dem die Stadt Hürth gehört, für die neue Transport-Technologie. Umweltfreundlich können die Fahrzeuge jedoch nur fahren, weil der Wasserstoff nicht wie so häufig mithilfe von Erdgas hergestellt wird, sondern als Nebenprodukt abfällt – und zwar in den Chemiefabriken, die praktischerweise direkt am Hürther Stadtrand liegen.
Auf eine Frage aus dem per Facebook zugeschalteten Publikum nach den dahinter liegenden Prozessen erklärte Stefan Welsch: „Das ist im Prinzip eine Abspaltung bei einer chemischen Reaktion, bei der am Ende aus Chlor Wasserstoff entsteht. Dieser wird dann abgefangen und entsprechend verarbeitet.“
Insofern hat die rheinische Stadt natürlich einen großen Standortvorteil, um den Kraftstoff sauber und günstig zu bekommen. Nicht so günstig dagegen ist es, Busse zu kaufen und Tankstellen aufzubauen: Mittlerweile wurden elf der 20 Busse von Diesel auf Wasserstoff umgestellt. Die ersten Exemplare kosteten weit über eine Million Euro, berichtete der Stadtwerke-Chef. Zum Vergleich: ein neuer Diesel-Bus kostet knapp 200.000 Euro.
„Städte sind die Schrittmacher für die Wasserstoffstrategie“
„Die Preise sind aber gesunken“, sagte Welsch, „mittlerweile liegen sie bei 600.000 Euro“. Die Hälfte davon schießen das Land, der Bund und die EU über Fördermittel bei. Zusätzlich musste die Stadt Hürth aber auch in eine Tankstelle investieren, die ebenfalls einen Preis im siebenstelligen Bereich hatte. Im kommenden Jahr soll eine zweite aufgebaut werden. „Das kostet alles viel Geld, aber es lohnt sich auch“, sagte Stefan Welsch.
Martin Reuber, Referent für Europa- und Bildungspolitik im Bonner Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung, betonte, welch große Signalwirkung solche Investitionen haben: Für die Umsetzung der Wasserstoffstrategie des Bundes seien Städte die „Schrittmacher“. Einer weitsichtigen Politik in der Millionenstadt Köln und den benachbarten Landkreisen sei es gemeinsam mit Wirtschaft und Forschung gelungen, aus der Vision eine Realität zu machen.
Mit Blick in die Zukunft schätzt Stefan Welsch, dass „mindestens 20 bis 30 Prozent aller Busse in der Region Köln in den nächsten Jahren mit Wasserstoff fahren werden“. Die Kommunen hätten bereits ihre Bestellungen abgegeben, dann kämen auch mehr Tankstellen und dann wiederum mehr Busse. Eine Aufwärtsspirale.
Der Stadtwerke-Chef zeigte sich im Laufe des 30-minütigen Gesprächs sichtlich begeistert von den Möglichkeiten der neuen Technologie. Gleichzeitig wies er aber auch daraufhin, dass die Umstellung von Diesel auf Wasserstoff gewisse Nachteile mit sich bringt – vor allem wegen der Tankstellen. Aktuell müsse jede Kommune selbst für die Infrastruktur sorgen, da keine gemeinsame Strategie von der Politik vorgegeben werde. „Und weil sich bei den Bussen die Technik ständig modernisiert, müssen wir auch die Tankstellen häufiger anpassen“, schilderte Welsch. Weil es nicht so viele Anbieter für Wasserstoff-Tankstellen gebe, sei die Wartung im Vergleich zu herkömmlichen Treibstoffen relativ teuer.
„Deutschland braucht ein zentrales Wasserstoff-Kompetenzzentrum“
Am Ende des Live-Gesprächs ging es dann noch konkret um die nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat im Juni 2020 gefordert, dass Deutschland bei der Technologie weltweit führend werden soll. Was würde Stefan Welsch tun, wenn er für einen Tag politischer Entscheider wäre?
„Das Einfachste wäre eine Vorgabe an die Städte, wie viele Wasserstoff-Fahrzeuge sie betreiben sollen“, sagte der Energieexperte. „Aber Zwänge helfen meistens nicht weiter. Stattdessen würde ich mich freuen, wenn die Politik die Technologie noch wesentlich mehr fördern würde. Konkret bräuchte es mehr Geld für die Forschung und für den Aufbau eines deutschlandweiten Kompetenzzentrums, das die Strategie zentral umsetzt.“
Es war ein lehrreiches Gespräch mit vielen praktischen Einblicken aus einer Stadt, die einfach mal gemacht hat – und damit zum Pionier in ganz Europa geworden ist. Nächste Woche geht es bei #KASkonkret wie immer am Dienstag um 18 Uhr weiter, dann spricht Moderatorin Susanna Zdrzalek mit dem Gründer Manouchehr Shamsrizi über Gaming und Außenpolitik. Bis dann, wir sehen uns!