Zu der Podiumsdiskussion mit dem Titel Das Dilemma des Westens mit dem „Arabischen Frühling”: Bringt Demokratie „die Falschen“ an die Macht? hatten die Konrad-Adenauer-Stiftung und die Frankfurter Allgemeine Zeitung für den 25. November 2013 in die Bonner Bundeskunsthalle geladen.
In der Begrüßung brachte Dr. Gerhard Wahlers, Stellvertretender Generalsekretär der Konrad-Adenauer-Stiftung, das Debattenthema auf den Punkt: Es kann keine Demokratie ohne Demokraten geben – was ist, wenn die demokratisch Gewählten keine demokratische Agenda haben und sich nicht abwählen lassen? „Demokratie ist nicht nur der Wahlakt selbst, sondern auch der Schutz der Rechte von Minderheiten, Toleranz und Meinungsfreiheit“ betonte er.
Durch die Veranstaltung führte freundlich und souverän die Moderatorin Maria Grunwald, TV-Journalistin bei der Deutschen Welle. Das Publikum beteiligte sich nicht nur mit zahlreichen Fragen engagiert an der Diskussion, sondern auch mit einer zweimaligen TED-Abstimmung zu den drei Leitfragen. Wenn sich die Meinungen am Anfang und am Ende der Veranstaltung auch nicht wesentlich unterschieden, wurde dennoch deutlich, dass als Ergebnis der Diskussion viele anfänglich Unentschiedene sich eine eindeutige Meinung gebildet hatten.
Die lebhafte Diskussion mit dem Publikum wurde eingeleitet von drei ausgewiesenen Experten.
Dr. Rainer Hermann, langjähriger Korrespondent für die arabische Welt der Frankfurter Allgemeine Zeitung, wies daraufhin, dass Entwicklungen, für die Europa Jahrhunderte gebraucht habe – Religionsfreiheit, Religionsfrieden und die Entwicklung einer bürgerlichen Gesellschaft -, in der arabischen Welt gegenwärtig parallel und im Zeitraffer ablaufen. „Die arabische Welt befindet sich gerade in ihrem Dreißigjährigen Krieg.“ Er mahnte zu mehr Geduld.
Dr. Hardy Ostry, Leiter des Büros Konrad-Adenauer-Stiftung in Tunis, erinnerte daran, dass der Beweis, dass durch freie Wahlen an die Macht gekommene islamistische Parteien sich auch wieder abwählen ließen, noch nicht erbracht sei. Das Verhalten neuer Machthaber sei oft noch durch eine Revanchehaltung gegenüber den alten Machtstrukturen geprägt und nicht auf den Aufbau neuer Strukturen und auf Versöhnung ausgerichtet. Unabhängig davon sei es wichtig, säkulare Kräfte in der arabischen Welt nicht zu marginalisieren und den eigenen westlichen demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien treu zu bleiben. Dabei verschieben sich die Referenzregionen: Die Eliten in der arabischen Welt blicken nicht mehr vorrangig auf den Westen, sondern Europa steht zunehmend in Konkurrenz mit anderen, zum Teil sehr finanzstarken Akteuren, wie z.B. Qatar.
Prof. Dr. Thomas Demmelhuber, Juniorprofessor für Politikwissenschaft an der Universität Hildesheim, erntete Zustimmung mit der These, dass der Begriff der Demokratie nicht auf die für den Westen kennzeichnende liberal-säkulare Ausprägung reduziert werden könne. Er rief zu mehr Konsistenz in der westlichen Politik auf: Wer jahrelang autoritäre Regime wegen der geopolitischen Stabilität unterstützt habe, müsse hart und lange arbeiten, um nun als Befürworter einer demokratischen Basisbewegung breite Akzeptanz zu finden: „Ein Mehr an Kohärenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist unabdingbar. Man kann nicht erst lange rechts blinken, und dann links abbiegen.“
Die Implikationen der Entwicklungen in der arabischen Welt für die europäische Sicherheit brachte Dr. Rainer Hermann auf den Punkt: „In Syrien droht ein Afghanistan am Mittelmeer; die Region wird zum Sammelplatz terroristischer Nomaden, die von einem Kampfort zum nächsten ziehen, und weiter ziehen werden.“ Prof. Dr. Demmelhuber betonte den Zusammenhang zwischen deutscher und europäischer Außenpolitik: „Die deutsche Sicherheit wird nicht mehr nur am Hindukusch, sondern auch im südlichen Mittelmeerraum und Nordafrika verteidigt“.
In der Frage, ob Europa mehr Flüchtlinge aus arabischen Ländern aufnehmen solle, betonte Dr. Hardy Ostry, dass es neben dem Recht auf Asyl auch ein oft vernachlässigtes „Recht auf Heimat“ gebe, das es für die Bewohner arabischer Staaten vorrangig zu sichern gelte. Und zwar nicht durch militärische Maßnahmen, sondern durch die Unterstützung beim Aufbau von selbstbestimmten, wirtschaftlich erfolgreichen und rechtsstaatlichen Strukturen, die ein Bleiben in der Heimat attraktiv machen.
In seinem Schlusswort nannte Klaus-Peter Frankenberger, Verantwortlicher Redakteur für Außenpolitik der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die Debatte mit den Teilnehmern, darunter viele junge Leute, „spannend, lebhaft und ernüchternd“. Er resümierte, dass die Bedeutung von Religion in der arabischen Welt von vielen in Europa als etwas unheimlich empfunden würde und prognostizierte, dass die Europa-Wahl 2014 in vielen Ländern vom Thema Zuwanderung dominiert werden wird, dem Hauptthema rechtspopulistischer Bewegungen.
Die beiden Partner KAS und F.A.Z. beabsichtigen, die Reihe „F.A.Z.-KAS-Debatte zur Internationalen Politik“ an Veranstaltungsorten außerhalb Berlins fortzusetzen.