Zukunftswerkstatt
Um ein differenzierteres Bild auf diese Fragestellung zu werfen, veranstalteten das Büro Bonn und Paris der Konrad-Adenauer-Stiftung gemeinsam mit dem Institut francais Bonn am 25. November die Veranstaltung „Wie schützt die EU ihre Werte und Interessen in der Welt?“.
Gast bei dieser Online-Veranstaltung war der ehemalige langjährige Außenpolitiker Elmar Brok sowie Justin Vaisse, der 2018 mit Unterstützung Emmanuel Macrons das Paris Peace Forum gründete und dies als Generaldirektor heute leitet. Bereits zu Beginn der Diskussion wurde deutlich, dass beide Referenten, trotz der deutsch-französischen Meinungsverschiedenheit, einen ähnlichen Standpunkt vertreten: Europa sollte eigene Fähigkeiten entwickeln, auch im Bereich Sicherheit. Beide betonten, dass der Nuklearschirm der Vereinigten Staaten eine verteidigungspolitische Garantie für Europa darstelle, dass aber die EU diese Chance auch nutzen müsse, um eigene militärische Fähigkeiten zu entwickeln, um als internationaler Bündnispartner wahrgenommen zu werden. Elmar Brok schlug einen breiter gefassten Begriff von strategischer Autonomie vor, der nicht nur die Sicherheit Europas, sondern auch andere Bereiche, wie beispielsweise die Wirtschaftspolitik einschließe. Die EU dürfe sich beim Ausbau des 5G Netzes weder vom Silicon Valley noch von der chinesischen Politik abhängig machen. Nur durch eigene technologische Fähigkeiten werde die EU auch für ihre Partner attraktiver.
„Ich will kein Europa, das alle 4 Jahre von den amerikanischen Wahlen abhängig ist“ fügte Justin Vaisse hinzu. Bisher stand die EU unter dem Schutzschirm der NATO und im Schatten der USA, wodurch eine Abhängigkeit entstand. Man dürfe sich in der europäischen Verteidigungspolitik nicht blind auf die USA verlassen und gleichzeitig in anderen Bereichen Souveränität einfordern: Strategische Autonomie sei nicht teilbar. Deshalb brauche die EU eigene militärische Fähigkeiten. Vaisse plädierte dafür, strategische Autonomie „relativ“ und damit als einen Prozess zu betrachten, in dem die EU selbstbestimmter für ihre Überzeugungen und Interessen einzutreten fähig werde. Er ordnete damit den Anschein eines unlängst aufgeflammten Grundsatzkonflikts zwischen Paris und Berlin über die Rolle des transatlantischen Bündnisses ein.
Diese Deutung wurde auch von den Zuschauern geteilt, die in einer Umfrage mehrheitlich dazu bekannten, dass neben einem stärkeren internationalen Engagement der EU, auch die Entwicklung eigener militärischer Fähigkeiten erforderlich sei.
Einig war man sich, dass nur im Rahmen des Multilateralismus Europa eine „Sprache der Macht“ finden könne. Dazu müsse auch das Vertrauen in die europäische Schicksalsgemeinschaft gestärkt werden, sich selbst zu schützen. Elmar Brok erinnerte daran, dass der Schwerpunkt der Herausforderungen für Europa sich verlagert hätte. Während in der Vergangenheit die Vollendung des Binnenmarktes und die Einführung des Schengen-Raums im Vordergrund standen, gehe es derzeit um geopolitische Verschiebungen, Terrorismus und Migration. Die europäische Politik müsse jetzt so angepasst werden, dass auch externe Probleme erfolgreich bewältigt werden können.
Elmar Broks Hinweis auf die europäische Schicksalsgemeinschaft wurde vom Publikum mit der Frage aufgegriffen, wie eine europäische Identität gefördert werden könne? Obwohl verschiede Programme, wie zum Beispiel Erasmus oder auch Interrail, dazu beigetragen haben, ein Verständnis für europäische Gemeinsamkeiten zu entwickeln und den Zusammenhalt zu fördern, müsse der Öffentlichkeit aber der Mehrwert der Europäischen Union aufgezeigt werden. Die Frage, welche Generation denn mit einer europäischen Armee rechnen könne, konnte natürlich nicht beantwortet werden. Brok und Vaisse aber waren sich einig, dass es heute zunächst um die mit der struktiurierten Zusammenarbeit in der Verteidigung eingeschlagene Richtung gehe, in die ein gemeinsames Hauptquartier, eine arbeitsteilige Verteidigungsstruktur und multinationale Verbände wiesen.