Veranstaltungsberichte
Gespräch mit Governeur Alckmin
In der Mega-City Sao Paulo, die auch Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaates ist, wurde der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung, Dr. Hans-Gert Pöttering, von Gouverneur Geraldo Alckmin in dessen Amtssitz zu einem Arbeitsfrühstück empfangen. Alckmin hatte die Wahl in dieses zweitwichtigste politische Amt Brasiliens als Chef des 40-Millionen-Einwohner-Staates Sao Paulo im September im ersten Wahlgang mit absoluter Mehrheit gewonnen. Als PSDB-Politiker, der schon einmal Gouverneur von Sao Paulo war und 2006 von Präsident Lula erst in der Stichwahl besiegt werden konnte, gehört zu den wichtigsten Oppositionspolitikern Brasiliens. Alckmin betonte die Bedeutung der Zusammenarbeit mit der KAS, deren Netzwerk und politischen Erfahrungsschatz er nicht zuletzt auf einer Deutschlandreise mit der Stiftung im Jahr 2007 nach Hamburg und Berlin kennenlernen konnte. Pöttering und Alckmin tauschten sich besonders über die Frage einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik, die sozialen Fortschritt bringt, aus. Dabei zeigte sich Alckmin als Anhänger der Sozialen Marktwirtschaft, von deren Prinzipien er in seiner täglichen Arbeit geleitet werde. Aber auch die Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips möchte er mit Hilfe der Stiftung vorantreiben. Pöttering bot die Zusammenarbeit der KAS in diesem Feld an und erklärte, dass die KAS gemeinsam mit Alckmin einen jährlichen nationalen Kongress als Debattenforum zu Kommunaler Selbstverwaltung, Föderalismus und Subsidiarität veranstalten möchte. Dabei könne die Stiftung auch aus ihrem weltweiten Netzwerk schöpfen, um unterschiedliche Erfahrungen auszutauschen, aus denen sich jeder sein eigenes politisches System entwickeln müsse.
Pöttering zeigte sich an einer Zusammenarbeit in Fragen der Energiesicherheit und der nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung interessiert. Die KAS wolle gerade in der Zusammenarbeit mit Brasilien diesen Themen ein stärkeres Gewicht beimessen, um an gemeinsamen Lösungen zu arbeiten, die wirtschaftliche Entwicklung mit sicherer Energieversorgung erlauben, aber auch dem Schutz des Klimas und der natürlichen Ressourcen dienen; als Christdemokrat sage er bewusst: „Wir müssen die Schöpfung für die nachfolgenden Generationen bewahren und dafür alle möglichen gemeinsamen Anstrengungen als Europäer und Brasilianer unternehmen.“
Treffen mit der Deutsch-Brasilianischen Industrie- und Handelskammer (AHK) in Sao Paulo
Über den Wirtschaftsstandort Brasilien ging es bei dem Termin in der Deutsch-Brasilianischen Industrie- und Handelskammer (AHK) Sao Paulo. Dem Gespräch vorgeschaltet war ein TV-Interview mit dem Unternehmerfernsehen der AHK Mercosur, beim dem der ehemalige Präsident der Europäischen Parlaments seine Einschätzung zum Aufstieg Brasiliens während der letzten Jahre gab und sich zu den Kooperationsmöglichkeiten des Landes mit Deutschland bzw. Europa äußerte. Auch ging es um die Zusammenarbeit zwischen der Konrad-Adenauer-Stiftung und der AHK Sao Paulo. Nach 2010 wird sich die KAS in Brasilien auch 2011 wieder an dem Nachhaltigkeitskongress ECOGERMA der AHK Sao Paulo mit einem Rundtisch beteiligen, bei dem Vertreter aus Politik und Zivilgesellschaft Lösungsansätze zur Emissionssenkung in Megacitys diskutieren werden.
Das Thema Umwelt- und Klimaschutz griff der KAS-Vorsitzende auch in dem anschließenden Gespräch auf, an dem u.a. Kurt Lambert (CEO WestLB), Vizepräsident der AHK Sao Paulo, Lars Grabenschröer, stv. Hauptgeschäftsführer der AHK Sao Paulo, sowie Dr. Josef-Fidelis Senn, Personalvorstand von Volkswagen do Brasil, teilnahmen. Grabenschröer hob hervor, dass es gerade im Bereich der Umwelttechnologie für deutsche Unternehmen in Brasilien ein sehr großes Marktpotenzial gebe. Pöttering erkundigte sich auch über die Problematik der Regenwaldabholzung im Zusammenhang mit der Ausweitung der Bioethanol-Produktion und erfuhr, dass eine Entwaldung im größeren Ausmaß nur dann zu erwarten wäre, wenn Brasilien Bioethanol in großen Mengen auch für den Export produzieren würde. In diesem Fall könnten die Zuckerrohrplantagen vor allem im Südosten des Landes die Viehzüchter Richtung Amazonas verdrängen und somit indirekt zur Regenwaldabholzung beitragen.
Treffen mit Fernando Henrique Cardoso
Über außen- wie innenpolitische Themen tauschten sich der ehemalige Präsident des Europäischen Parlaments, Dr. Hans-Gert Pöttering, und der ehemalige Staatspräsident Brasiliens, Fernando Henrique Cardoso, bei ihrem Zusammentreffen am Freitagnachmittag aus. Der KAS-Vorsitzende erkundigte sich über das lateinamerikanische Phänomen linkspopulistischer Regierungen mit zum Teil autoritären Zügen. Auch Cardoso sieht darin ein Gefahrenpotenzial für die Entwicklung der Demokratie auf dem Kontinent, hält jedoch die Allianzen, die sich um den venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez gebildet haben, für zu schwach, um eine größere Wirkung auf weitere lateinamerikanische Staaten zu entfalten. Pöttering griff in diesem Zusammenhang das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft auf, da dieses Ordnungsmodell neben den Vorzügen des freien Marktes den Menschen auch soziale Sicherheit und Chancengerechtigkeit und somit Antworten auf die soziale Schieflage in Lateinamerika bieten könne. Cardoso unterstützte Pötterings Vorschlag der internationalen Verbreitung dieses Modells.
Hinsichtlich einer gemeinsamen politischen Agenda Brasiliens und Deutschlands sowie Europas bekräftigte der KAS-Vorsitzende die Bedeutung des Umwelt- und Klimaschutzes. Auf seine Frage, welche Relevanz diesen Themen in Brasilien politisch wie auch gesellschaftlich beigemessen werde, erklärte Cardoso, dass seit dem Erdgipfel von 1992 in Rio de Janeiro das Bewusstsein der Menschen in seinem Land deutlich gestiegen sei und Umweltthemen mittlerweile einen festen Bestandteil der täglichen medialen Berichterstattung bilden würden. Cardoso erinnerte sich in diesem Zusammenhang an die sehr gute Beziehung zu Helmut Kohl, der sich als Bundeskanzler international mit viel Nachdruck für umweltpolitische Fragen wie den Regenwaldschutz eingesetzt habe.
Pöttering und Cardoso stellten fest, dass heutzutage die Parteien in Deutschland und Brasilien vor sehr ähnlichen Herausforderungen stehen. In beiden Ländern beschäftigen sich Parteien mit der Frage, wie eine stärkere Verankerung in der Gesellschaft und mehr parteipolitische Partizipation erreicht werden kann.
Abendveranstaltung mit KAS-Partnern und Altstipendiaten
Am Abend hatte die KAS ihre Alt-Stipendiaten und Partner aus Sao Paulo zu einem Gedankenaustausch über die Herausforderungen der Demokratie eingeladen. Pöttering war begeistert, einen weiteren aktiven Teil der weltweiten KAS-Familien kennen zu lernen. Er dankte den Alt-Stipendiaten, die mit ihrem in Deutschland erworbenen Wissen und vor allem den interkulturellen Erfahrungen die Entwicklungen in Brasilien bereicherten. Ohne sie und die Projektpartner in Zivilgesellschaft, Universitäten und Parteien könne die KAS keines ihrer Ziele der Demokratie, der Sozialen Marktwirtschaft, der Rechtsstaatlichkeit und der guten Zusammenarbeit mit Deutschland und Europa erreichen.