Veranstaltungsberichte
Auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung hielten sich die zum Reisezeitpunkt amtierende chilenische Arbeits- und Sozialministerin Ximena Rincón sowie ihr Kabinettskollege Umweltminister Pablo Badenier für einen fünftägigen Arbeitsbesuch in Berlin auf. Neben einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel standen nach Ressort aufgeteilte zahlreiche politische und wirtschaftliche Gespräche auf dem Programm.
Vor dem Hintergrund der in Chile geforderten Reformen des Sozialsystems, insbesondere in der Altersvorsorge, war Ministerin Rincón am bestehenden Rentensystem in Deutschland sowie den Gedanken und Ansätzen zur Reform des deutschen Systems sehr interessiert. Nach der grundlegenden Vorstellung des deutschen Rentensystems durch den PuB-Kollegen Thomas Köster stellten Staatssekretär Karl-Josef Laumann sowie der Bundestagsabgeordnete Dr. Carsten Linnemann der Ministerin die Kernpunkte der aktuellen politischen Debatte vor. Daneben beinhaltete das Programm auch zwei Exkursionen in die Praxis.
In Berlin-Lichtenberg besuchte Ministerin Rincón einen CAP-Supermarkt, der vom Dienstleistungsunternehmen „nobis“ betrieben wird. Mit seinem Konzept der Inklusion behinderter Menschen dient das Unternehmen als Vorzeigemodell, das Menschen mit Behinderung nicht nur eine berufliche Perspektive bietet, sondern darüber hinaus auch wirtschaftlich im freien Wettbewerb besteht. Um das duale Ausbildungssystem ging es beim Besuch des ABB Ausbildungszentrums in Berlin-Wilhelmsruh, das Ministerin Rincon im Beisein von Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, Raimund Becker, besichtigte. Das hochmoderne Ausbildungszentrum wurde in diesem Sommer eröffnet. Am Berliner Standort bildet das Unternehmen ABB nun insgesamt bis zu 800 junge Leute in 17 Berufen aus. Dazu gibt es in dem Gebäude drei ABB-Roboter, über 80 Werkzeugmaschinen, 16 moderne Schweißarbeitsplätze, eine Messmaschine für Qualitätsmanagement sowie drei industrienahe Hydraulikanlagen. Von diesen Möglichkeiten ist Chile noch weit entfernt. Allerdings ist ABB auch in Chile aktiv. Eine Ausbildungspartnerschaft mit der chilenischen Regierung ist daher eine Option, für die sich Ministerin Rincón offen zeigte.
Nicht zuletzt aufgrund der weltweiten Wirtschafts- und Finanzmarktkrise von 2009/10 ist das deutsche System der dualen Ausbildung zu einem international gefragten Exportartikel geworden - auch in Chile. Die deutsch-chilenische Handelskammer vergibt jährlich einen Preis in der Kategorie "technische und duale Ausbildung". Der Preisträger aus dem Jahr 2015, die Liebherr Chile SpA, setzt gemeinsam mit dem Escondida Ausbildungszentrum für Bergbau und Industrie (ICES) ein technisches Ausbildungsmodell um, das jungen Menschen ohne Arbeit oder mit geringen Ausbildungschancen die Möglichkeit eröffnet, unter der Anleitung und Betreuung eines Meisters technische Fähigkeiten in den Bereichen Elektrik und Mechanik zu erwerben. Dieses duale Ausbildungskonzept, das Praxis und Theorie kombiniert, wurde eigens von dem Unternehmen entwickelt.
Solche Vorzeigemodelle in der Region sorgen allmählich auch für ein Umdenken in Politik und Gesellschaft, in denen bislang lediglich ein abgeschlossenes Studium als Beginn des gesellschaftlichen Aufstiegs wahrgenommen wird. Allerdings nötigt die wirtschaftliche Entwicklung des stark vom Rohstoffpreis abhängigen Chile in den letzten Jahren alternative Ansätze der beruflichen Entwicklung ab.
Parallel zum Gesprächsprogramm von Ministerin Rincón durchlief Umweltminister Badenier ein ebenfalls inhaltlich auf ihn zugeschnittenes Programm. In den Gesprächen mit Bundesumweltministerin Barbara Hendricks sowie dem Generalsekretär des Rates für Nachhaltige Entwicklung, Professor Günther Bachmann, stand nicht zuletzt der Weltklimagipfel COP 22 in Marrakesch, an dem auch die chilenische Präsidentin Michelle Bachelet mit einer Delegation teilnimmt, im Mittelpunkt des Interesses. Ganz praktisch ging es beim Besuch der Remondis Industrie Service GmbH sowie einer Windkraftanlage der Fa. Enercon am Stadtrand von Berlin zu. Die Themen Umweltschutz sowie Müllverwertung und -vermeidung nehmen in Chile nicht zuletzt dank des Engagements des christdemokratischen Umweltministers Badenier an Fahrt auf. Chile bietet gute Chancen für deutsche Unternehmen insbesondere im Bereich der Wind- und Solarenergie, aber auch im Bereich der Umwelt- und Recyclingtechnik. Die Konrad-Adenauer-Stiftung versucht über das Regionalprojekt EKLA von Lima aus, die Diskussion über einen nachhaltigen Klimaschutz in Lateinamerika zu befördern.