Veranstaltungsberichte
Zu Beginn der Veranstaltung bedankte sich Heinrich von Baer, Leiter der Stiftung „Chile Descentralizado... Desarrollado“, zunächst bei allen Unterstützern, inklusive der Konrad-Adenauer-Stiftung, für ihre Bemühungen, den Prozess der Dezentralisierung Chiles tatkräftig voranzutreiben. Er betonte die Wichtigkeit einer Dezentralisierung Chiles für die Entwicklung und die Demokratiefähigkeit des Landes und verlieh der Notwendigkeit der Dezentralisierung in Chile Gewicht, indem er anmerkte, dass Chile und die Türkei die einzigen Länder der OECD seien, die ihre regionalen Vertreter nicht direkt in Regionen wählen. Trotz der Schwierigkeit, den vorherrschenden Zentralismus in Chile endgültig zu brechen, sieht er der Zukunft positiv entgegen, das Ziel einer direkten Wahl des „Gobernador Regional“ (Ministerpräsident einer Region) in November 2017 zu erreichen.
Fidel Espinoza, Präsident des chilenischen Abgeordnetenhauses, merkte an, dass Chile das zentralisierteste Land Lateinamerikas sei, und gab eine einleitende Zusammenfassung der initiierten Ansätze – sowie Hürden - auf legislativer Ebene, um diesen Zustand zu ändern.
Im Anschluss folgte der Diskurs des Senatspräsidenten Andrés Zaldívar, welcher zudem die Dringlichkeit eine progressiven Veränderung und eines raschen Handelns betonte, um Gesetzesänderungen mit Erfolg realisieren zu können. Er wies daraufhin hin, dass es dazu jedoch mehr politischem Entscheidungswillen bedürfe und kritisierte die kürzliche Entsendung des vorgelegten Gesetzesentwurfes zur Direktwahl regionaler Repräsentanten zur Finanzkommission des Senats, welche nicht hierfür zuständig sei, weshalb er dessen Revision abgewiesen und an die Innenpolitische Kommission delegiert habe. Mit dem Satz „Wir müssen uns alle einig werden, um das Thema der regionalen Wahlen zu realisieren“ und der Aufforderung, konsequent zu bleiben und nicht nur in den Verhandlungen zu verharren, beendete Andrés Zaldívar seinen Vortrag.
Anstatt mit dem Inhalt des Buches zu starten, machte Diego Portales, Executive Director der Stiftung „Chile Descentralizado…Desarrollado“ auf ein Ereignis vor 200 Jahren aufmerksam, welches er als „ Beginn der nationalen Souveränität“ betitelte und welches als Erklärung für das stark zentralisierte Chile dient. Die territoriale Besetzung Chiles, welche 1888 in Santiago begann und 1929 in Arica und Parinacota endete, dauerte 111 Jahre an. Aufgrund dieses langwierigen Entstehungsprozesses ist Chile heute das am stärksten zentralisierte Land Südamerikas und gehört neben der Türkei zu den einzigen OECD-Ländern, welche bis heute keine direkten Regionalwahlen haben. Heute, 200 Jahre später, wird vom „Beginn der Dezentralisierung“ gesprochen. Die gleichnamige Publikation, in der etliche Autoren auf notwendige Dezentralisierungsprozesse eingehen, besteht aus vier Teilen: politische Dezentralisierung, administrative Dezentralisierung, fiskalische - und zukünftige „Dezentralisierung 2.0“. Die Entstehung des Buches wurde vor allem durch drei Zitate inspiriert. Eines der drei Zitate stammt vom spanischen Politikwissenschaftler Joan Prats i Catalá: „Chile wird dezentralisiert - oder aber es wird sich nicht entwickeln“. Denn regionale Ungleichheiten, so Portales, bedrohen den sozialen Frieden.
An die Buchvorstellung schloss sich eine dynamische Diskussionsrunde mit politischen Entscheidungsträgern und Experten in der Materie an. Das Panel wurde von Carlos Vergara Ehrenberg, Direktor der Tageszeitung „El Mercurio“ Valparaíso, geleitet und bestand aus fünf geladenen Gästen: Ricardo Cifuentes, Staatssekretär der Abteilung Regional- und Verwaltungsentwicklung, und den Abgeordneten Rabindranath Quinteros, Marcelo Chávez, David Sandoval und Francisco Chahuán. Die Richtung der Diskussionsrunde wurde durch das Zitat von Rabindranath Quinteros „Chile wird sich nicht entwickeln, solange die jeweiligen Regionen dies nicht tun“ deutlich. Auch Probleme durch den Zentralismus wie z.B. die Flucht in den Ballungsraum Santiago für bessere Arbeitsverhältnisse, das fehlende Vertrauen in die Politik aufgrund fehlender politischer Einbeziehung der Bürger und unzureichende Ressourcen für die Sanierung der Regionen, wurden von den geladenen Gästen angeschnitten. Er forderte abschließend eine rasche Handlungsweise der zuständigen politischen Entscheidungsträger noch in diesem Semester, da die Direktwahl im November 2017 sonst nicht machbar sei.
Staatssekretär Ricardo Cifuentes bedauerte, dass das Projekt der Dezentralisierung aufgrund immer neu aufkommender behindernder Argumente in den vergangenen Monaten nicht so wie gewünscht vorangetrieben werden konnte. Er appelierte, dass diese Debatte eine nationale Debatte sei, und die ersten Dezentralisierungsbestrebungen in Chile bereits 1991 aufgekommen seien.
Francisco Chahuán, Abgeordneter der Regierungsopposition (RN), betonte ebenso die bestehende Zeitknappheit zum konkreten Handeln und forderte den Staatssekretär Ricardo Cifuentes nachdrücklich dazu auf, insistenter zu agieren und sich die Frage zu stellen: „Wollen wir (dezentralisieren) – oder wollen wir nicht?“ Er unterstütze das Vorhaben, wolle jedoch endlich klare Ergebnisse sehen. Erst wenn den Regionen Chiles angemessene politische Mitsprache gewährt werde, könne man das Vertrauen in die nationale Politik wiedererlangen.
David Sandoval, Angeordneter der Region Aysén, wies auf die prekäre Lage seiner Region hin, in der trotz großem Potenzial Armut herrscht und in der trotz einer immensen Landesfläche, nur ein geringer Anteil der chilenischen Bevölkerung lebt. Grund dafür sei die Verabschiedung von Gesetzen in Santiago, die für die einzelnen Regionen jedoch nicht angemessen sind. Zudem kritisierte er scharf, dass manche Regionalabgeordnete teilweise nie in ihrem jeweiligen regionalen Wahlbezirk aufgetaucht seien.
Marcelo Chavéz forderte in seinem Diskurs, dass die Wahlen des „Gobernador regional“ dieses Jahr stattfinden und kritisierte das fehlende Einhalten der Abmachungen seitens der Regierung, welche die Umsetzung der Reform immer weiter verzögere.