Veranstaltungsberichte
Oswald Céspedes analysiert die Tendenzen und Konsequenzen der Emigration von Costaricanern in die USA, sowie der Immigration von Nicaraguanern nach Costa Rica. Seine Untersuchung wird in die aktuelle Publikation über Migration in 13 ausgewählten Ländern Lateinamerikas des Regionalprogrammes „Soziale Ordnungspolitik Lateinamerika” (SOPLA), mit Sitz in Río de Janeiro, eingehen.
Am Forum nahmen als Kommentatoren Juan Carlos Vargas, Forscher am „Zentralamerikanischen Institut für Bevölkerung” der Universidad de Costa Rica (UCR), Juan Diego Trejos, Forscher des wirtschaftswissenschaftlichen Institutes der UCR, und Lorena María Vásquez, Abgeordnete der christdemokratischen „Partido Unidad Social Cristiana”, teil.
Nach der Eröffnung der Veranstaltung durch Victor Hugo Céspedes, Repräsentant der Academia, und Kerstin von Bremen, Länderbeauftragte der KAS in Costa Rica, stellte Oswald Céspedes seine Studie vor.
Sein Fazit über die nicaraguanischen Immigrantenhaushalte in Costa Rica ist:
- Zwei Drittel der Immigranten in Costa Rica sind Nicaraguaner, was 8,5 % der Bevölkerung Costa Ricas ausmacht. Nimmt man die in Costa Rica geborenen Kinder nicaraguanischer Eltern hinzu, dürfte der Anteil bei gut 10% liegen. Seit dem Jahr 2000 sinkt die Zahl, was mit einer stärkeren Migration von Nicaraguanern nach Honduras, El Salvador und Panama zusammen zu hängen scheint (Panama: Kanalausbau; Honduras, El Salvador: hier haben Nicaraguaner Reise- und Arbeitsfreiheit).
- Die Mehrzahl der armen Haushalte mit nicaraguanischem Hintergrund befindet sich in der Grenzregion Costa Ricas mit Nicaragua (auf Grund der geographischen Nähe), sowie im Süden des Landes (wegen des grossen Arbeitskräftebedarfs in dieser stark agrarisch geprägten Region).
- Hauptmotiv für die Immigration sind bessere Verdienstmöglichkeiten, denn das BIP Costa Ricas ist sechs mal so hoch wie das Nicaraguas (6.ooo Dollar/Kopf in Costa Rica versus 1.000 Dollar/Kopf in Nicaragua). Ausserdem spielen grössere Bildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten sowie politische Stabilität eine wichtige Rolle.
- Arme nicaraguanische Immigranten arbeiten hauptsächlich in der Landwirtschaft, auf dem Bau und als Haushaltsangestellte, nicht arme Nicaraguaner dahingegen v.a. als Klein- und Kleinstunternehmer.
- Nicaraguanische Haushalte sind die ärmsten im Vergleich mit Familien anderer Nationalitäten. In den letzten Jahren fand keine Verbesserung statt, da weniger Stunden gearbeitet wurde (sinkende Nachfrage, stärkere staatliche Kontrollen illegaler Arbeiter) und die staatliche Sozialhilfeprogramme Immigranten ausschliessen.
- Im öffentlichen Diskurs bestehen zahlreiche Mythen über die Immigranten. Der beliebteste hierbei ist das angebliche “Wegnehmen” von Arbeitsplätzen. Tatsächlich jedoch arbeiten Nicaraguaner in Bereichen, für die sich Costaricaner auf Grund ihrer höheren Bildung gar nicht erst bewerben.
- Ausgangsorte sind Zentral-Alajuela, Los Santos und Pérez Zeledón. Die Hauptzielorte in den USA sind Kalifornien, Florida, New Jersey und New York.
- Hauptmotive für die Emigration in die USA sind wirtschaftliche.
- Der Großteil der Emigranten ist schlechter qualifiziert und arbeitet in den USA im Dienstleistungsgewerbe.
- Die zurückgebliebenen Familien leiden wegen der Abwesenheit der Migranten, dies jedoch umso weniger, je höher die Rücküberweisungen ausfallen.
- Die Emigranten verdienen in den USA im Schnitt monatlich 2.100 Dollar, davon schicken sie ihren Familien meist per Geldversendeinstitute durchschnittlich 10%. Die interviewten Familien aus Los Santos verfügen über ein durchschnittliches Gesamtmonatseinkommen von 660 Dollar. Müssten sie auf die Rücküberweisungen verzichten, läge das Monatseinkommen pro Familie bei 450 Dollar.
- 2008 hatten die Rücküberweisungen einen positiven Einfluss auf die Armutsquote der betroffenen Regionen. Zudem hat sich der Gini-Koeffizient in Los Santos verbessert, d.h. die sozioökonomische Ungleichheit ist gesunken.
- Sensibilisierung der Bevölkerung und Entkräften von Mythen
- Legalisierung der Immigranten/Aufenthaltsgenehmigungen
- Einhaltung der soziolaboralen Gesetze
- Registrierung, Professionalisierung und “Bankarisierung” der Rücküberweisungen nach Costa Rica und nach Nicaragua
Im Anschluss zeigte der Wirtschaftswissenschaftler Juan Diego Trejos die Tendenzen der internationalen Migration auf. In Falle Nicaraguas lasse sich zur Zeit eine erhöhte Einwanderung ausmachen. Hierbei läge die Vermutung nahe, es handle sich um Remigration aus Costa Rica. Ausführlich ging Trejos auf die (wirtschaftlichen) Kosten und den Nutzen der Migration auf der Makroebene ein. Als künftige Herausforderungen nannte er, die Schaffung von ausreichend Arbeitsplätzen. Da Costa Rica auf Grund der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise eine Verringerung der Emigration, bei einer gleichzeitigen Zunahme der Immigration erwarten dürfe, eile die Schaffung einer sinnvollen Migrationspolitik. Zudem sei es wichtig, das Versenden von Rücküberweisungen zu vereinfachen und für die Sender kostengünstiger zu gestalten.
Abschließend stellte die PUSC-Abgeordnete Lorena María Vásquez Tendenzen, Herausforderungen und Vorschläge für eine costaricanische Migrationspolitik vor. Seit Jahresbeginn 2006 stünde der Vorschlag für ein Migrationsgesetz zur Debatte, welches jedoch bis heute nicht verabschiedet wurde. Laut Vásquez läge dies daran, dass Abgeordnete der aktuellen Regierung dieses blockiere.
Der Gesetzesvorschlag hat folgende Ziele:
- Regulierung von Einwanderung, Aufenthalt und Auswanderung
- Integration der Immigranten in das costaricanische Sozial- und Steuersystem
- Schaffung eines Nationalen Migrationsrates, der Regierung und Migrationsbehörde berät
- Einrichtung eines eigenen Fonds/Haushaltspostens für Migrationsangelegenheiten
- Vereinfachung des bürokratischen Aufwandes
- Verhinderung und Verfolgung von Menschenhandel
Im Anschluss war ausreichend Zeit für die Fragen und Kommentare des Publikums. Bezüglich der Fragen zu den bereits erwähnten Mythen, waren sich alle vier Referenten einig: Würden die nicaraguanischen Arbeitsmigranten Costa Rica verlassen, fehlten dem Land rund 10% seiner Bevölkerung, Arbeitskräfte in wichtigen Wirtschaftsbereichen und Steuereinnahmen. Die Dringlichkeit der Schaffung einer wirksamen Migrationspolitik und die Integration der Immigranten, nicht nur in den wirtschaftlichen Bereich, sondern auch in die anderen Bereiche der Gesellschaft wurde erneut betont.
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