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Zum Tode von Lothar Späth

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Lothar Späth starb am 18. März 2016. Die Trauerfeier und der anschließende Staatsakt fanden am 30. März in der Stuttgarter Stiftskirche statt. Als Freund der Familie würdigte Günther H. Oettinger den Verstorbenen mit folgenden Worten: „… wir nehmen Abschied von Lothar Späth und blicken mit großem Respekt, mit Wehmut und Dankbarkeit auf seinen Lebensweg zurück. In allen Bereichen des Arbeitslebens in der Wirtschaft, der Wissenschaft, den Medien, in der Verwaltung und in der Politik kannte Lothar Späth sich aus. Er war in all diesen Welten zu Hause.

Er war Bürgermeister von Bietigheim, er war herausragender Regierungschef von Baden-Württemberg. Er hat Wissenschaft, Kunst und Forschung gefördert und gemocht und Hochschulen gegründet. Er war spät am Abend in den Medien und hat als Manager und als Ratgeber von der Neuen Heimat über die C. Baresel AG, Jenoptik, Merrill Lynch, von Holtzbrinck, Aurenz, Bizerba bis zu Herrenknecht für Arbeitsplätze und Wachstum viel erreicht.

Lothar Späth war rastlos. Ein hohes Arbeitstempo, eine schnelle Auffassungsgabe, ein rasanter Redestil. Das war er. Und er konnte ‚das Gras wachsen hören‘ – früher und besser als die meisten von uns. Er war ein Mann voller Kreativität, voller Überraschungen. So wurde im Jahr 1980 – nach seinem Wahlsieg – Gerhard Mayer-Vorfelder Kultusminister und Annemarie Griesinger nach Bonn abgeordnet. Er hat in seinem Kabinett die besten Frauen und Männer auf zum Teil überraschenden Posten gehabt. Er gründete nach Tschernobyl das erste Umweltministerium mit Erwin Vetter als neuem Minister in seinem Team.

Seiner Zeit war er einige Jahre voraus. Er wollte die Fusion von SDR und SWF im Jahr 1988, die Bankenfusion Mitte der 1980er-Jahre. Zehn Jahre später war es dann möglich. Er hat den Landtag mit seinen Ratgebern Wolfgang Gönnenwein und Hannes Rettich mit einer Kulturund Kunstvision überrascht und später auch überzeugt. Er hat das Konzept und die Finanzierung der städtebaulichen Erneuerung vorgeschlagen, das Strukturprogramm für den ländlichen Raum kam ergänzend hinzu. Gemeinsam haben Lothar Späth und Erwin Teufel über Jahrzehnte unser Land geprägt: zwei sehr unterschiedliche Männer, die sich gegenseitig respektierten. Die Ergänzung tat Baden-Württemberg gut.

Lothar Späth war ein Mann großer Bürgernähe, der Menschen begeistern konnte. Er verfügte über unglaubliche Überzeugungskraft und Ideenreichtum. Er konnte einen schwindlig reden, aber auch zuhören. Er war neugierig, bis in die letzten Jahre hinein, wollte alles wissen, hat nachgefragt, war immer aufnahmebereit. Und er hat uns am Nesenbach die große, weite Welt erklärt. In Sitzungen konnte man unter seinem Sessel die Petrodollar-Ströme erkennen von New York bis Shanghai. Er war der Vorstandsvorsitzende der Baden-Württemberg AG und er war der Modernisierer Baden-Württembergs, der das Land für das nächste Jahrhundert fit gemacht hat. Lothar Späth war ein Mann des Dialoges über alle Parteigrenzen hinweg. Helmut Schmidt, Gerhard Schröder, Erhard Eppler, Dieter Spöri, Claus Weyrosta, Winfried Kretschmann, Rezzo Schlauch, Fritz Kuhn, Jürgen Molok, Hans-Dietrich Genscher sind nur einige Namen derer, die seinen Respekt genossen, mit denen er im Wettbewerb stand, aber auch für beste Lösungen bürgte. Er wollte der Zukunft auf die Spur kommen.

Lothar Späth hat seine Mitarbeiter unglaublich motiviert. Noch heute treffen sich die früheren parlamentarischen Berater und Sekretärinnen der Zeit, in der er Fraktionsvorsitzender war, 1972 bis 1978, und schwärmen von dieser schönsten, politischen Zeit. Oder das Staatsministerium mit Matthias Kleinert, Hans-Jochen Henke, Erich Griesinger – eine umwerfende Mannschaft. Sie kamen seinem Tempo kaum nach, aber wenn sie sein Tempo aufgenommen hatten, haben sie im Landtag immer für Wirbel und für Überraschung gesorgt.

Für mich war Lothar Späth Vorbild, Ratgeber und später auch Freund. Ich habe ihn im Jahr 1975 kennengelernt, als wir in einem Kreisverband, dem Kreis Ludwigsburg, zu Hause waren, er in Bietigheim, ich in Ditzingen. Er kam noch abends spät zu Kreisvorstandssitzungen, gegen halb elf, und spielte mit uns Skat – mit Matthias Kleinert und anderen Freunden. Er war zwar ein guter Skatspieler, aber ein schlechter Verlierer. Deswegen haben wir immer eine Stunde gespielt: Wenn er nach einer Stunde hinten lag, gegen uns Studierende, wurde der Einsatz verdoppelt. Noch eine Stunde. Spätestens nach der vierten Stunde war unser Taschengeld zu Ende, er gewann und zog zufrieden nach Hause.

Oder die Kelter von Bietigheim, legendäre Abende mit ihm – später in Jena! Und gerade in den letzten Jahren war er für die Elefantenfreunde beim Tennis und danach beim Gespräch oder beim Skat immer jemand, bei dem man sich wohlfühlte. Er hat Wärme und Wohlbefinden ausgestrahlt. Das Porträtfoto hier in der Kirche bringt eigentlich Lothar Späth heute zum Leben zurück, zeigt ihn genauso, wie er in den letzten Jahren war: gütig, knitz, witzig, ein bisschen Schalk und trotzdem sehr, sehr wissbegierig und kenntnisreich.

Er hat großartige Wahlerfolge erlebt, aber auch Tiefen wie auf dem CDU-Parteitag in Bremen 1989 und sein Ausscheiden zwei Jahre später durchlitten; aber er stand immer wieder auf. Daher war er ein Vorbild und ein Freund. Sein Lebenswerk für Baden-Württemberg hat Bestand. Ehren wir es! Euch, liebe Familie Späth, wünschen wir in diesen Tagen viel Kraft.“

 

Günther H. Oettinger Ministerpräsident a. D., EU-Kommissar für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft

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