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"Streng dich an, damit du aufs Gymnasium kommst!"

Zehntklässler über Schulformen, elterliche Ambitionen und einen Unterricht kurz vor dem Einschlafen

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„Ehrgeiz, etwas Neues zu lernen, und Disziplin – auch wenn man etwas nicht mag, trotzdem zu lernen und trotzdem eine gute Note zu schreiben“, hält eine Schülerin für die entscheidenden Voraussetzungen, um das Gymnasium erfolgreich bestehen zu können. Diese Qualitäten seien prinzipiell auch auf der Realschule gefordert, wendet eine andere Schülerin ein, nur habe man auf der Realschule „weniger Stress“ und könne „alles etwas langsamer machen“. Privilegiert fühlen sich die Schülerinnen und Schüler nicht. Schließlich könne jeder nach Abschluss der Realschule „trotzdem noch sein Abi machen“. Diese Durchlässigkeit halten die meisten für wichtig: „Jeder sollte auf seine Weise gefördert werden und die Chance haben, später das Abitur abzulegen“, bringt es eine Schülerin auf den Punkt. Man könne auch nicht sagen, dass Gymnasiasten per se klüger oder fleißiger seien; so gebe es auch Hauptschüler, die nach dem Abschluss ihr Abitur nachholten. Alles andere seien „eben nur Vorurteile“ – so ein Schüler.

Die Schülerinnen und Schüler betonen, dass es „von der Person her“ überhaupt keinen Unterschied mache, ob jemand auf dem Gymnasium, der Realschule oder der Hauptschule sei, und fast alle heben hervor, Freunde aus allen Schulformen zu haben. Allerdings habe man doch am meisten Kontakt mit Gymnasiasten, „denn die sieht man eben jeden Tag in der Schule“.

 

Gymnasium für alle?

Angesprochen auf den stetig steigenden Anteil von Abiturienten, äußert ein Schüler die Befürchtung: „Der Leistungsstandard wird sinken, wenn alle aufs Gymnasium gehen. Ich glaube auch gar nicht, dass das jeder will. Manche sind eben handwerklich begabter und können in einer anderen Schule besser gefördert werden. Vermutlich werden sie auf dem Gymnasium nicht glücklich, wenn sie auf eine akademische Laufbahn vorbereitet werden, aber das eigentlich gar nicht wollen.“ Eine Schülerin schränkt ein und entgegnet, dass jeder, der das Potenzial dazu habe, auch die Möglichkeit erhalten müsse, ein Studium zu beginnen: „Wenn ein Hauptschüler aufs Gymnasium wechselt, ja warum denn nicht?“

Kritik wird laut, als es um die Aufhebung der verbindlichen Grundschulempfehlung in Baden-Württemberg geht: „Die verbindliche Grundschulempfehlung hatte den Zweck, dass eben nicht jeder auf das Gymnasium geht. Es gibt einfach Leute, die das nicht schaffen oder nicht schaffen wollen. Und nur weil die Eltern sagen, mein Kind soll auf das Gymnasium, haben die eigenen Kinder nichts davon.“ Nun hänge alles von der Entscheidung der Eltern ab, und „die sagen dann natürlich, wenn es irgendwie geht, soll mein Kind auf das Gymnasium“.

 

Förderpflicht der Eltern

Ein Teil der Klasse bringt dafür Verständnis auf, obwohl es ein Problem sei, wenn die Eltern „zu viel wollen für ihre Kinder“. Man erkennt, dass diese Frage auch eine soziale Dimension besitzt. Alle halten es für ungerecht, dass Schulerfolg von der Herkunft der Kinder abhängt. Mancher meint aber, dass dies ein Stück weit in der Natur der Sache liege. Schließlich drückten sich der Vorsprung oder die Benachteiligung von Kindern in konkreten Kompetenzen wie Fremdsprachkenntnissen als Resultat mangelnder oder vorhandener Förderung durch die Eltern aus. Eine besonders forsche Schülerin formuliert: „Es muss einem eben, wenn man sechs Jahre alt ist, von den Eltern nahegebracht werden, dass man etwas lernt.“ So früh wie möglich müsse die Einstellung reifen: „Streng dich an, damit du aufs Gymnasium kommst!“

Einige widersprechen und meinen, dass beispielsweise die Gemeinschaftsschule den Kindern, deren Eltern wenig Unterstützung leisten könnten, eher die Chance biete, das Abitur zu erreichen. Andere bleiben skeptisch und heben hervor, dass die Gemeinschaftsschule die Laufbahnentscheidung nur nach hinten verschiebe: „Es ist ja klar, dass nicht jeder gleich viel kann.“ Irgendwann, spätestens im Studium oder im Beruf, käme man zu dem Punkt, an dem man scheitern werde, formuliert ein Schüler harsch.

Unverhohlen beklagen die Schüler Mängel der gymnasialen Ausbildung. Im Unterricht fehlten „lebensnahe Sachen, die man wirklich braucht“. Ein Beispiel: das Thema Versicherungen. „Was kommt auf mich zu, wenn ich nach der Schule von zu Hause ausziehe?“

Politik und aktuelles Zeitgeschehen ist für die Schülerinnen und Schüler ein wichtiges Thema, und sie fühlen sich gut informiert. „Wir haben dazu ganz viel gemacht.“ „Man bekommt auch Hintergrundwissen.“ „Ich finde schon, dass uns nahegelegt wird, dass es wichtig ist, sich zu interessieren, weil es einfach unsere Zukunft betrifft und wir einen Teil dazu beitragen können, und dass es daher wichtig ist, dass wir zur Wahl gehen.“

 

Feedback und Kontrollen

Große Übereinstimmung herrscht, als es um die Frage geht, was eine gute Schule ausmache: Die Lehrerinnen und Lehrer seien für die Qualität der gymnasialen Ausbildung entscheidend. „Es gibt welche, die sich wirklich engagieren, und bei denen macht es auch wirklich Spaß, man bekommt dann auch bessere Noten, weil man wirklich motiviert ist.“ Es gebe aber auch solche, „die interessieren sich weder für die Klasse noch für das Fach“. Ganz wichtig seien dabei die Lehrmethoden: Verurteilt wird, „wenn die Lehrerin oder der Lehrer einfach nur vorne steht und das einfach so runterrasselt, ohne dass irgendwas witzig ist oder auflockert, sodass man nur noch dasitzt und kurz vor dem Einschlafen ist“. Lehrerinnen und Lehrer müssten, sagen einige, strenger kontrolliert werden. „Die machen einmal eine Prüfung … und dann kann man der schlechteste Lehrer der Welt sein.“ Es sollte externe Kontrollen geben; aber auch die Schülerinnen und Schüler sollten die Möglichkeit erhalten, Feedback zu geben. Und die Schulleitung müsse sich dann auch mit den Ergebnissen auseinandersetzen.

Die Klasse 10c zeigte sich sehr diskussionsfreudig und opferte sogar zusätzlich ihre Pause. Alle machten einen gelassenen Eindruck und schienen in der Mehrheit pragmatisch positiv in die Zukunft zu blicken. Von „Bildungspanik“ keine Spur. Ihrem „Gymi“ fühlten sie sich eng verbunden.

 

Felise Maennig-Fortmann, geboren 1977 in Lima (Peru), Koordinatorin für bildungspolitische Grundsatzfragen und Hochschulpolitik der Konrad-Adenauer-Stiftung.

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