„Vurst“ und Frust lagen bei der Eröffnung der Grünen Woche Anfang Januar nahe beieinander. Während auf dem Berliner Messegelände ein Lebensmittelweltkonzern dem Zukunftstrend einer klima-, tier- und ressourcenschonenden Ernährung mit einer vegetarischen Bratwurst (solche Fleischimitate werden im Marketing als „Vurst“ bezeichnet) vorauseilte, rollten draußen – in der Hauptstadt, die erst kürzlich ihre „Klimanotlage“ ausgerufen hatte – erneut dieselbetriebene Landmaschinen zum Protest auf.
Die konventionellen Landwirte wollen sich nicht länger dafür beschimpfen lassen, dass sie Lebensmittel für weit überwiegend konventionelle Bundesbürger produzieren, die beispielsweise Fleisch- und Wurstprodukte noch zu weniger als zwei Prozent aus Biobetrieben kaufen. Eine aus ihrer Sicht unaufrichtige Debatte, die ökologische Zukunftsgewissheiten bisweilen blindlings über die Marktzwänge der Gegenwart stellt, macht ihnen zu schaffen. Schon heute werden konventionell arbeitende Landwirte als Relikte vergangener Zeiten abgeschrieben.
Für deren Wirtschaftsweise sei die „gesellschaftliche Betriebserlaubnis“ abgelaufen, rief Renate Künast kürzlich in das Bundestagsplenum. Ihre grüne Parteikollegin Ophelia Nick fordert leichtfüßig wie in dem ähnlich klingenden Popsong aus den 1980er-Jahren: „Neue Bauern braucht das Land.“ Wie wäre es, wenn man es erst einmal mit den vorhandenen probieren würde? Auf ihren Hightech-Traktoren kamen die protestierenden Bauern alles andere als gestrig daher. Stark vertreten war die junge Generation konventioneller Landwirte, die ebenso viel Sympathie und Beachtung wie die Jugendlichen von Fridays for Future für sich beanspruchen kann. „Redet mit uns!“, war auf vielen Plakaten zu lesen. Dass es ein einfaches Weiter-so nicht geben wird, ist den meisten längst klar. Es geht ihnen um einen offenen gesellschaftlichen Dialog, der ihre Perspektiven nicht übersieht, sondern sie abzustecken und zu sichern hilft.
Die Bundesregierung kommt diesem Aufruf nach und hat mit der Ankündigung von Dialogforen und einer Zukunftskommission erste Schritte getan. Besonders die Union und ihr Umfeld sind gefordert, den Austausch zu intensivieren. Auch deshalb kommen in dieser Ausgabe der Politischen Meinung großteils Stimmen aus der „konventionellen Landwirtschaft“ zu Wort. Eine für zu selbstverständlich gehaltene Verbindung muss revitalisiert werden: „Vurst“ ist okay, aber beim Frust darf es nicht bleiben!
Bernd Löhmann, Chefredakteur