Asset-Herausgeber

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Burnout-Deutschland, allenthalben mehren sich die Zeichen kollektiver Zerknirschtheit. Landwirte im Aufstand. Unternehmen investieren woanders; die deutsche Tech-Szene trifft sich in Palo Alto. In keinem OECD-Staat wird weniger gearbeitet, aber es grassiert eine „Erschöpfungsepidemie“: Noch nie stieg die Zahl der Fehltage wegen psychischer Belastungen auf diese Höhen. Nach wiederholten PISA-Schocks ist Resignation eingetreten, und Eltern sind immer häufiger am Limit, weil die Kinderbetreuung nicht verlässlich funktioniert. Alle sind im Stress, aber nichts geht richtig voran. Wie kommt das Land aus dem Hamsterrad? 
Auf die Regierung kann man nicht zählen. Im Dauerclinch der Koalitionäre ist sie selbst Symptom deutscher Krisenpermanenz. Ihre Zeitenwende braucht viel zu viel Zeit, „Scholzing“ statt Tatkraft! Durchsetzungswille herrscht allein in Tarifkonflikten. Dass fast bis auf das Messer um Arbeitszeitverkürzungen gerungen wird, sagt viel über die mentale Verfasstheit aus. Schon die Zwänge des Arbeitskräftemangels müssten in die andere Richtung weisen. Mehr noch geht es um die Erkenntnis, dass der „Erschöpfungsgesellschaft“ (Hartmut Rosa) nicht zu entrinnen ist, indem man sich ihr unterwirft. 
Die Frage, die nach dem Zweiten Weltkrieg am Anfang der Sozialen Marktwirtschaft stand, stellt sich heute neu: Wozu anstrengen? Im Leistungsprinzip fand man damals den Zündmechanismus, um ungeahnte Energien freizusetzen. Leistung reloaded – kann das der Booster aus der Erstarrungsmisere sein?
Manche halten den Leistungsbegriff für angegraut. In Schulen und Universitäten spricht man von Kompetenzen. Allein beim Sport kommt zu Bewusstsein, dass Anstrengung nicht nur zu Verausgabung führt, sondern auch ein fortwährender Antrieb sein kann. Wenig ist gewonnen, wenn Manager vom hohen Ross aus auf mehr Leistung pochen. Vielmehr müssten sie selbstkritisch fragen, warum die Beschäftigten ihren Arbeitsalltag zunehmend als sinnlos und nervtötend erfahren.
Mangelnde Leistungsmotivation zählt zu den ausgemachten Schwächen des Landes. Ihre Problematik weist über den ökonomischen Bereich hinaus und ist sogar eine Quelle politischen Unmuts. „Das Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung hat eine ausgeprägte Leistungskomponente“, so das Allensbach-Institut. Die Mittelschicht und die schwächeren sozialen Schichten seien mehrheitlich überzeugt, dass „diejenigen, die sich anstrengen und viel arbeiten, die Dummen sind“. Wer will schon zu den Dummen gehören?

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