Asset-Herausgeber

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Nimmt die Menschheit ihre erdgeschichtliche Verantwortung ausreichend wahr? Derart umfassend verändert sie den Planeten, dass Wissenschaftler vorschlagen, ein geologisches Zeitalter nach ihr zu benennen: das Anthropozän. Selbstredend wird damit alles andere als eine positive Gestaltungskraft beschrieben; vielmehr verweist der Begriff auf die destruktiven Folgen für die irdische Natur. Demnach erwachsen die multiplen planetarischen Bedrohungen – Erderwärmung, Artensterben, Überdüngung, Müllberge et cetera – aus der paradoxen Verbindung von der enormen Wirkmacht menschlichen Handelns einerseits und einem möglicherweise bis zur Selbstauslöschung eskalierenden Kontrollverlust andererseits.

Eine chaotische Menschheit steht vor der Aufgabe, ein nicht minder komplexes Erdsystem vor dem Absturz zu bewahren. Allein diese enorme Problemstellung lässt ahnen, wie leicht die Bewältigungsstrategien wieder in Selbstüberschätzungen münden können. Von Erdregierung und Erdverwaltung oder Social- und Geo-Engineering ist die Rede. Aber wie erfolgsträchtig kann eine solche Vormundschaft über die Erde und ihre Bewohner überhaupt sein?

Zu Recht atmet die Welt auf, seit die USA zu den Pariser Klimaschutz- zielen zurückgekehrt sind. Doch so wichtig die Neuformierung internationaler Zusammenarbeit in Nachhaltigkeitsfragen ist: Ihre Konzepte bleiben abstrakt, sollten sie nur „top-down“ verhandelt werden. Schon heute stapeln sich die Klima-, Umwelt- und Naturschutzverordnungen in den Amtsstuben, Planungsbüros und Betrieben vor Ort. Wer mag darauf vertrauen, dass sich politische Risikosteuerung nicht an den eigenen Widersprüchen verzettelt? Das Mikromanagement in der akuten Seuchenbekämpfung hat die Grenzen aufgezeigt. Ver- und Gebote mit engmaschigen Kontrollen allein fördern die Attraktivität des Nachhaltigkeitsgedankens in der Breite nicht. Eine dekretierende Lebensstil- und Postwachstumspolitik ruft sogar Abwehr hervor, und das nicht nur in den armen Ländern. Jenseits von Verboten sind Ideen gefragt, die sich in der gelebten Praxis bewähren oder, noch besser, aus ihr erwachsen.

Manchen erscheint der Gedanke der Subsidiarität heute steinzeitlich; er hätte eine Übertragung ins Anthropozän verdient.

Es geht darum, in einer nicht grundlos angstbeladenen, aber teils ideologisch zugespitzten Debatte Impulse für einen breiten Dialog und Einbindung zu geben. Die erforderlichen Veränderungen in der „Zeit des Menschen“ entstehen aus der positiven Umkehrung seines kumulativ wirkenden, aber stets auch unkoordinierten Potenzials. Wie lassen sich individuelle Ziele und globale Notwendigkeiten in Einklang bringen?

 

Bernd Löhmann, Chefredakteur

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