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Prinz William bewältigte den zungenbrecherischen Landesnamen bravourös, als er im August 2016 der Festversammlung in der Düsseldorfer Tonhalle zu- rief: „I am pleased to wish North Rhine-Westphalia, on its 70th anniversary: Alles Gute!“ Es lag nicht an ihm, dass das runde Landesjubiläum kaum Auf- sehen erregte. Selbst an den meisten Nordrhein-Westfalen, falls es derartige Bindestrich-Einwohner überhaupt gibt, gingen die Feierlichkeiten weitgehend unbeachtet vorüber. An das Land an Rhein und Ruhr hat man sich gewöhnt, aber inspiriert es noch irgendwen? Im Westen nichts Neues.

Einst stand NRW im Zentrum des Geschehens: „Die Entscheidung über das zukünftige Geschick Deutschlands fällt … in dem Lande Nordrhein- Westfalen“, konstatierte Konrad Adenauer. Sieben Jahrzehnte später glaubt die Journalistin Carmen Thomas, die unermüdlich mit dem Übertragungswagen durch das Land tourte, in einer „Art Zonenrandgebiet“ angekommen zu sein. Andere sprechen von einer „Spirale der Provinzialisierung“ (''Die Zeit''). Schleichend ist das industrielle Herzland der Bundesrepublik zur Wachstums- bremse für ganz Deutschland geworden: sechzehntes von sechzehn Ländern.

Das Land ist nicht mehr das, was es einmal war, weil alles so bleiben sollte, wie es gewesen ist. Nicht der schwierige Strukturwandel im Ruhrgebiet selbst, sondern eine Helikopter-Politik, die mehr auf Vermeidungs- als auf Zukunftsstrategien setzt, führte dazu, dass andere Länder vorbeiziehen konnten. Auch die gesellschaftlichen Folgen dieses Politikansatzes, der den Landeskindern nur Schonung statt auch Anstrengung verspricht, sind inzwischen unübersehbar: das Islamistenproblem in Dinslaken, die Parallelgesellschaften in Duisburg-Marxloh – selbst im einstigen Diplomaten-Wohnort Bad Godesberg scheint teilweise nicht mehr klar zu sein, welche grundlegen- den Erwartungen an das Zusammenleben gelten. So liegen Betulichkeit und Vernachlässigung nahe beieinander. Denn ab einem gewissen Punkt lassen sich aufgestaute Konflikte – wenn überhaupt – nur noch durch ohnmächtiges Wegsehen überbrücken.

NRW und seine Bewohner tragen das Gen des Malochertums, des Zupackens und des Aufbruchs in sich. Man muss nichts und niemanden „betüddeln“. Noch fehlt es vor allem an einer neuen, zündenden Idee. Wie wäre es, wenn sich dieses Land, für das ein Bindestrich eigentlich viel zu wenig ist, vornehmen würde, Vorbild für ein noch heterogeneres Europa zu sein, in- dem es sich gemeinsam aufrafft und den Stillstand überwindet? Dann müsste es die Zukunft nicht mehr im Gestern suchen und könnte die ausrangierten Bergmannsstiefel weniger wehmütig an den Nagel hängen.

 

Bernd Löhmann, Chefredakteur

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