Asset-Herausgeber

Asset-Herausgeber

Die totalitäre Diktatur der Taliban in Afghanistan ist unter dem Flächenbombardement der Amerikaner und ihrer europäischen Verbündeten zusammengebrochen. Die Bevölkerung jubelt in den von der Nord-Allianz befreiten Regionen. Frauen können wieder ohne Schleier auf die Straße, Musik erklingt, Männer rasieren ihre Bärte ab. Die Petersburger Konferenz hat eine Regelung für eine Übergangsregierung in Kabul gefunden, die tragfähig erscheint. Wer freut sich hierüber nicht? Wer vermag daran zu zweifeln, dass diese gute Nachricht die Folge der Entscheidung des amerikanischen Präsidenten Bush ist, auf die Selbstmord-Anschläge in New York und Washington nach einer Phase der Verhandlungen über eine Auslieferung der Terroristen mit Waffengewalt gegen das Netzwerk El Kaida und seine Beschützer im Taliban-Regime vorzugehen? Es gibt diese Zweifel, und sie sind bei jenen Intellektuellen zu suchen, die mit dem Einsatz von massiven Wortkanonaden Front machen gegen die amerikanischen Luftangriffe und gegen einen möglichen Einsatz auch deutscher Soldaten in Afghanistan. Franz Xaver Kroetz meint im Stern: „Wir sind nämlich auf dem Weg zurück ins Kriegsverbrechergeschäft.“ Alice Schwarzer fragt sich: „Wo sind in Deutschland die einstigen Pazifisten geblieben? Die sind die heutigen Profiteure, allen voran Kanzler und Außenminister, die 1991 beide noch strikte Gegner des Golfkrieges waren.“ Karlheinz Böhm sorgt sich, ob es den USA „um einen Menschen (geht) oder um eine Pipeline oder die endlosen Milliarden in der Rüstungsindustrie?“ Für Franz Josef Degenhardt stellt sich die Frage nicht, er weiß: „Es geht vor allem um die Sicherung von Rohstoffen und um die Militärbasen der USA.“ Für Friedrich Schorlemmer ist glasklar: „Der Terrorismus lässt sich so nicht bekämpfen.“

Für Walter Jens, Selbsterfinder des deutschen Gutmenschen, ist gewiss: „Dem globalen Terrorismus kommt man zuallerletzt mit einem Krieg bei.“ Und Rolf Schneider attackierte in der Welt Karl-Heinz Bohrer und Botho Strauß ob ihrer „neuen hurrapatriotischen Hochliteratur.“

Man würde dieses alles komisch, weil realitätsblind nennen können, würden sich die pazifistischen Dioskuren nicht einer so martialischen Sprache bedienen, die von Selbstgewissheit überschäumt und mit militanter Sprachgewalt auf die vermeintlichen Bellizisten einschlägt. Wer über den amerikanischen Einsatz anders denkt, ihn differenziert bewertet, wird mit Wortknüppeln zur Strecke gebracht. Mit Erstaunen erinnert man sich daran, dass die gesinnungsstarken Pazifisten beim sowjetischen Einmarsch in Afghanistan kein Sterbenswörtchen des Protestes dem Gehege ihrer Zunge entfahren ließen und auch danach die Zähne fest aufeinander bissen als bekannt wurde, dass diesem Konflikt eine Million Menschen zum Opfer fielen. Intellektuelle als Spezialisten für alles sind sich im Bedauern der Opfer des Terrors einig, auch bei der Notwendigkeit, Terrorismus zu bekämpfen. Die Einigkeit endet schon bei der Definition des Terrorismus und erst recht bei der Wahl der Kampfmittel. Ihre Gesinnungstüchtigkeit speist sich aus ihrer Verantwortungsscheu. Sie bevorzugen es, an einem Irrtum festzuhalten als sich der Realität zu stellen. Jean Paul Sartre brachte das Leiden der Intellektuellen in einem seiner Stücke auf die Pointe: „Glauben Sie, es sei ein Vergnügen, das ganze Leben in einem Irrtum verbracht zu haben?“

-----

Wolfgang Bergsdorf, Chefredakteur

comment-portlet